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Oktopüssi

 

 

 

Mein Name ist Cecilia Valenti, bin Verhaltensforscherin, Biologin und Umweltaktivistin, 35 Jahre, ledig. 

Mein Leben besteht darin, Tierverhalten zu erforschen, dem Menschen dieses Verhalten zu veranschaulichen und somit verständlicher, oder vielmehr, zugänglicher zu machen.

Angefangen hat das bei mir schon als Kind, ich habe Tiere stundenlang beobachtet, ihr Verhalten dokumentiert und daraus meine Schlussfolgerungen gezogen, somit wurde schnell klar, dass mein beruflicher Werdegang wohl mit Biologie, Tieren, dem Warten, usw. zu tun haben wird.

Ich lebe in der Schweiz, bin auch dort geboren; Vater Italiener, Mutter Schweizerin, habe in Zürich, Bern, Kanada und Australien studiert, promoviert und besitze mittlerweile eine Führungsposition im Institut der Universität Bern mit zahlreichen Mitarbeitern und natürlich Studenten.

Mittlerweile habe ich schon zahlreiche Spezies unter die Lupe genommen, aber vor allem sind mir die Bären, speziell die Braunbären, aber auch die Wölfe, Wildhunde und die Kängurus ans Herz gewachsen. Besonders die Interaktion im Rudel beziehungsweise die Sozialisierung untereinander fasziniert mich. Als Forscherin durfte ich Zeugin einzigartiger, spannender Situationen oder vielmehr Reaktionen werden und durfte diese wiederum in diversen Büchern der Öffentlichkeit zugänglich machen. Dafür habe ich eine ganze Reihe an Auszeichnungen erhalten und wagte mich deshalb an ein für mich völlig neues Refugium und daher ein sehr ungewöhnliches Projekt: den Oktupus, einer der wenistgsten erforschten Meerestiere. Er gehört zu der Gattung der Kraken, das Wort Krake kommt aus dem Dänisch- Norwegischen und bedeutet "entwurzelter Baum". Oktopus bedeutet "Achtfüßiger", womit schon sein Äußeres beschrieben wird, ein wirbelloses Meerestier mit mehreren Gehirnen, drei Herzen, sehr scharf sehenden Augen und eben acht hochsensiblen Tentakeln, die durchaus untereinander agieren und kommunizieren, so kann der Oktopus immer sicher sein, die richtige Entscheidung zu treffen; beim Jagen, sowie auch bei der anmutigen Fortbewegung, er kann blitzschnell reagieren, so dass seine Beute förmlich überrascht wird. Er ist ein Fleischfresser und bevorzugt Krebse und kleine Fische. Besondere Arten können sogar kurze Strecken über Land bewältigen und sie können, ebenso wie der Mensch, ihr Erbgut der Umgebung anpassen, nur sehr, sehr viel schneller, welches sie sehr anpassungsfähig macht, sprich wahre "Überlebenskünstler". Es sind hochintelligente Tiere, man kann den IQ einer Ratte mit dem eines Oktopusses gleich setzen, spannend oder?!

Ja, und durch einen Zufall ergab es sich so, dass ich ein Projekt finanziert bekommen habe: "Die faszinierende Welt des Oktopusses", dieses hieß ich durfte mit einem kleinen Oktopus tainieren, den alle liebevoll "Oktopüssi" nannten, durfte mit ihm in einem Showbecken im Theater auf der Bühne auftreten. Dieses Showbecken wurde so beleuchtet, dass die Zuschauer nur unsere Silhouetten wahrnehmen konnten, wie ein bewegtes Scherenschnittbild in verschiedenen Blautönen.

Wunderschön grazil anzusehen, wir haben sehr viel Zuspruch für unsere Auftritte bekommen. Die menschen saßen in einer anderen Welt und vernahmen eine Kommunikation zwischen Mensch und Tier in absoluter Lautlosigkeit. Oktopüssi spielte mit den Zuschauern und mir, manchmal, wenn er gut drauf war, spritzte er gezielt das Puplikum in der ersten Reihe nass. Alle kreischten und jubelten in die Stille hinein. Ein anderes mal tauchte ich meine Hände in das Becken und Oktopüssi umschlang diese und ließ sie nicht mehr los, wir konnten dann erstmal nicht weitermachen, aber das Publikum tobte vor Heiterkeit. Und wenn er ganz eigenwillige Pläne hatte, passierte bei manchen Auftritten einfach gar nichts, er stellte sich still und ich konnte ihn mit nichts aus der Reserve locken.

Trotz der wahnsinnigen Puplikumserfolge wollte Oktopüssi nach einiger Zeit nicht mehr so fressen, er zog sich generell mehr zurück, ich bekam große Zweifel, ob wir mit diesem Projekt richtig handelten. Ich begann mit Oktopüssis Gefangenschaft zu hadern, nicht in Freiheit unter Artgenossen leben zu dürfen, nur wegen diesem Projekt.

Er wollte schließlich nicht mehr und verstarb.

Danach war alles anders, ich fiel in ein sehr tiefes Loch, Depressionen, dann noch Corona- Lockdown obendrauf, ich machte mir sehr große Vorwürfe, hatte so gar keinen Anhaltspunkt mehr und bemerkte, wie sehr ich an Oktopüssi gehangen habe. Er hat bei mir persönlich einen Platz eingenommen, der bisher für mich wohl der verletzlichste Punkt war und immer noch ist. Nicht die Tatsache als solches, dass er verstorben ist, machte mir so zu schaffen, sondern die Schuldfrage und das nicht zwangsläufig der Erfolg in dem Sinne ein Erfolg für alle Beteiligten war.

Ich bekomme jetzt noch zahlreiche E-Mails von vielen Zuschauern, die mir Mut und Zuspruch geben und mir zigmal bestätigen, wie Einzigartig dieses Zuschauererlebnis für sie war, diese stille Kommunikation zwischen Mensch und Tier.

Dennoch überwiegt die Trauer in mir, inzwischen dürften wir wieder auftreten, aber ich kann es nicht.

Oktopüssi liegt in meinem Garten unter einem Apfelbaum und jedesmal, wenn ich den Baum sehe oder einen Apfel von ihm esse, denke ich an Oktopüssi, an dieses andersartige Wesen mit so viel Neugier und Intelligenz. Er fehlt mir einfach, jeden Tag und immer noch.

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Hey Carlos,

das ist mal ein Kompliment, echt vielen lieben Dank, bin voll gerührt und freue mich sehr, dass Dir mein Schreibstil gefällt. Ich hoffe schwer, dass ich auch in Zukunft Deinen Geschmack treffe!

Ich glaube, ich arbeite viel mit Beschreibung und versuche dadurch Bilder zu erschaffen.

Liebe Grüße und einen schönen Abend von Maddy

 

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