Zum Inhalt springen

Die Lüge, die ich war


Empfohlene Beiträge

Die Lüge, die ich war

 

Hey Emmi, ich bin’s Marc.

Ich glaube, dass du diesen Text nicht lesen

wirst, doch ich hoffe aus tiefstem Herzen,

dass du das tust.

 

Es müssen mittlerweile mehr als vier oder fünf Monate

vergangen sein, seitdem ich dich überall blockiert habe

und ohne eine Erklärung oder ohne eine Verabschiedung

einfach aus deinem Leben verschwand.

 

Ich brauchte die Zeit, um mich selbst zu finden, da ich mich

auf dem Weg selbst verlor.

 

Hör‘ bitte zu, ich werde dir alles erklären: Als ich in der elften

Klasse war, litt ich sowohl seelisch als auch körperlich, aufgrund

von Stress, Schlafmangel und den krampfhaften Versuchen,

die Klasse zu bestehen.

 

Auch wenn ich dir nicht alles erzählt habe, glaube ich, dass es

jetzt an der Zeit ist, dir die ganze Wahrheit zu sagen.

Es stimmt, dass meine Freunde, die suizidale Tendenzen und

Gedanken hatten, mich beeinflusst und verändert haben.

 

Solche Erlebnisse traumatisieren und hinterlassen Narben.

Es sind Narben, die ich versuchte von dir zu verbergen, weil es

mir schwerfiel anderen Menschen zu vertrauen, denn mein Vertrauen

wurde bis zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Male genommen

und mitleidslos missbraucht und schlussendlich gebrochen.

 

Ich versuchte trotz den Narben zu Lächeln, weil ich nicht wollte,

dass du mitbekommst, wie verletzlich und hilflos ich

eigentlich war. Ich weinte Tränen, die niemand sah und die

es angeblich auch nie gab, weil ich diese mit meinen Lügen

wie „Es geht mir gut“ kaschierte und sie somit verdeckte. 

Ich log, um mich selbst zu schützen.

 

Und schließlich kam der Tag, an dem ich bei der

Sozialarbeiterin saß.

 

Ich erzählte ihr von meinen Problemen, von meinen Höhenflügen

und von allen Abstürzen, die ich monatelang durchlebte.

Ich erzählte ihr, dass ich es leid bin, Abitur zu machen, da sich

mein Tagesrhythmus nicht unterschied.

 

Es fühlte sich an, als saß ich in der Zeit fest.

Jeder Tag war wie der nächste.

Jeder Tag war gleich.

 

Und jeder Tag lief gleich ab. Aufwachen. Zur Schule gehen.

Teilnahmslos dasitzen, weil man dem Inhalt nicht hinterher kommt.

Nachhause gehen. Versuchen, sich die Themen selbst beizubringen.

Und nach Stunden, während man einen Nervenzusammenbruchsanfall

erleidet, dann merken, dass man der Lage einfach nicht Herr

werden kann. Und dieser Kreislauf lief ein ganzes Schuljahr.

 

Als ich der Schulsozialarbeiterin erklärte, dass ich eine

Ausbildung zum CTA anfangen wollte, unterstützte sie mich

und setzte sich für mich ein.

Nachdem ich dir von meinen Plänen erzählt hatte, hatte ich

den Eindruck, dass du nicht besonders glücklich mit meiner

Entscheidung warst.

 

Als wir auf Kursfahrt in Prag waren, hatte ich den Eindruck,

dass du keine Lust auf mich hattest.

Es fühlte sich für mich an, als würdest du mich wie

Luft behandeln.

 

Und das enttäuschte mich etwas.

Doch aus dieser Enttäuschung wurde schlussendlich

Trauer und aus dieser Trauer entstand Wut, weil mir andere

einredeten, dass du was gegen mich hast.

 

Und mittlerweile verstehe ich, dass meine Wut dir gegenüber

unbegründet war. Ich war zu diesem Zeitpunkt zu manipulativ

gewesen und ein einziges Wort hat gereicht, um mich glauben

zu lassen, dass nicht sie der Feind sind, sondern du.

 

Doch mittlerweile verstehe ich deine Einwende, weil ich mich

für meine Karriere entschied und nicht für dich.

Und es tut mir unglaublich leid, was ich dir da angetan habe.

Mittlerweile verstehe ich, dass, was ich getan habe, falsch war.

 

Ich war zu naiv, zu kindisch und zu asozial gewesen, denn anders

kann ich mir mein dreckiges Verhalten dir gegenüber nicht erklären,

warum ich einfach den Kontakt abbrach, ohne mich zu verabschieden.

 

Ich wurde von Gefühlen getrieben und lediglich von Hass und Trauer

gesteuert. Ich war blind.

Es tut mir furchtbar leid, was ich da tat.

 

Ich kann aber dennoch verstehen, wenn du mir nicht vergeben willst.

Vielleicht macht der Text alles noch schlimmer oder du wirst

meine Entschuldigung gar nicht mal ernstnehmen, doch ich will dir

sagen, dass mir das ganze wirklich leidtut und dass ich das ganze

Geschehene maßgeblich bereue.

 

Es tut mir wirklich leid. Für den wahrscheinlichen Fall, dass

du mit mir nichts mehr zu tun haben möchtest, will ich dir eine

Sache sagen: Ich wünsche dir vom Herzen viel Erfolg beim

Abitur und viel Glück im späteren Leben. Mögen alle deine

Wünsche in Erfüllung gehen.   

 

In aufrichtiger Liebe, dein Marc…

 

 

Berlin-Biesdorf-Süd;

17.02.2024

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • Antworten 0
  • Erstellt
  • Letzter Kommentar

aktivste Mitglieder in diesem Thema

Beliebte Tage

aktivste Mitglieder in diesem Thema

Du möchtest dich an der Unterhaltung beteiligen?

Du kannst direkt mit in die Diskussion einsteigen und einen Beitrag schreiben. Anschließend kannst du ein eigenes Autoren-Konto erstellen. Wenn du schon ein Autoren-Konto hast, Logge dich ein um mit deinem Konto an der Diskussion teilzunehmen.

Gast
Schreibe hier deinen Kommentar ...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung wiederherstellen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.


×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Community-Regeln
Datenschutzerklärung
Nutzungsbedingungen
Wir haben Cookies auf deinem Gerät platziert, um die Bedienung dieser Website zu verbessern. Du kannst deine Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass du damit einverstanden bist.