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Bote_n_stoff

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Beiträge erstellt von Bote_n_stoff

  1. An Tagen wie diesen


    Meyer liebte ordentliche Planung. Weil gute Vorbereitung mehr als die halbe Miete war, hatte er sich heute extra schick gemacht. Hemden standen ihm gut, führten oft zu anerkennden Kommentaren der Kollegen. Und so was nimmt man nicht nur an Tagen wie diesen gerne mit. Man ist ja auch nur Mensch mit ganz normalen Bedürfnissen. Zum Hemd ordentliche Schuhe, schwarze Socken und eine dunkle Jeans. Keine Krawatte und natürlich ohne Sakko. Schließlich wollte es Meyer, der sehr wohl um seine Wirkung auf Mitmenschen wusste, nicht übertreiben.                                                                                                                                                

    Eine Weihnachtsfeier im Betrieb war immerhin keine Hochzeit. Klar, man erschien natürlich nicht im Blaumann. Andererseits konnte für eine gemütliche Feier nichts schlimmer sein, als den Gästen den Eindruck zu vermitteln, dass es sich um eine förmliche Angelegenheit handele. Dass man nicht aus sich heraus gehen dürfe. Dass man keinen Spaß haben könne, weil es hinterher abschätzige Blicke der Kollegen oder - noch schlimmer! - vom Chef gab.                                                                                                                                                             

    Man wollte ja schließlich noch etwas werden im Betrieb. Dann blieben die Gäste nicht länger, als es der Anstand verlangte. Gerade etwas Essen, Nachtisch, zwei Glas alkoholfreie Bier. Danke für die nette Feier, müssen wir unbedingt wiederholen, leider muss ich morgen so früh aufstehen. Leider gehen auch Tage wie diese zu Ende. Ich wäre gerne länger geblieben, aber meine letzte Mitfahrgelegenheit muss jetzt los.     

    Wie jedes Jahr hielt Meyer zu Beginn eine kurzweilige Ansprache. Gut vorbereitet. Launig. Wie immer. Gelächter. Prost. Business as usual.                        

    Heute nachmittag hatte ihn seine Frau verlassen. Kurze Absprache. Tut mir leid, aber meine letzte Mitfahrgelegenheit ins Leben muss jetzt los. Betretenes Schweigen. Ich kann hier nicht mehr aus mir herausgehen, das Leben macht so keinen Spaß. Alles Gute und noch viel Glück. Tschüß!           

    Nach der Rede setzte sich Meyer. Beobachtete sich selbst durch den Schleier der Absurdität. Wie er mechanisch den Ansprüchen genügte. Sah sich funktionieren wie einen Roboter und saß gleichzeitig daneben wie ein Untoter. Noch ein Glas Bier. Prost. Ja, nett heute Abend - dabei bekräftigend, aber nicht übertrieben, nicken. Müssten wir wirklich öfter machen - daran denken, dass "wirklich" zu betonen. Na gut, einen trinken wir noch - ironisch-tadelndes Lächeln, dass es dabei nicht bleiben wird, obwohl es besser wäre.

    Seine Mitfahrgelegenheit war nicht unter Zeitdruck und auch Meyer zog an diesem Tag nichts zurück ins Leben nach dieser absurden Weihnachtsfeier. Hoch die Tassen. So jung kommen wir nicht mehr zusammen.      

    Nachdem der Chef aber der Sekretärin erfolgreich das "Du" angeboten und Kollege Florian nahezu unbemerkt von anderen Blicken seine Vorgesetzte betascht hatte, wurde ihm ein wenig übel. "Können wir?", stammelte er mit glasigen Augen. "Na klar", antwortete sein Kollege. Als sie im Auto saßen, schlug er ihm feixend die Hand auf die Schulter. Es war wohl witzig gemeint. "Findest du noch den Weg nach Hause?"  

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  2. Besuch vom Planeten Digitalis


    Jetzt versuchte er es mal wieder mit Ironie. "Ahoi. Kommander der realen Welt sendet den friedlichen Vertretern vom Planeten Digtalis einen terrestrischen Gruß. Die Liebe sei mit euch und eurem Volk. Kommt ihr in Frieden?", rief er den Kindern als Begrüßung über den tönenden Fernseher hinweg. Irgendeine Sitcom, in der das Leben immer nur witzig ist und die lachenden Zuschauer vom Band eingespielt werden. Auch die Angesprochenen, vertieft in das Angebot des Smartphones, schienen wie abgespult kurz aufzulachen. Papa wieder. Freak.

    Er aber ließ sich in seinem Aktionismus nicht unterkriegen. "Sicher seid ihr interessiert an unseren humanoiden Umgangsformen", scherzte er weiter, zwinkerte und formte die Hände so, dass die Daumen auf ihn zeigten. "Zufällig bin ich dafür Experte. Ich kann euch etwas vorlesen." Erneute Töne als Reaktion. Irgendetwas zwischen erstauntem Grunzen und bemitleidendem Hüsteln.  "Oder wir spielen etwas?" Es war nur noch eine rhetorische Frage auf dem ungeordneten Rückzug der Erdenbewohner.

    Enttäuscht ging er ins Arbeitszimmer. Fuhr den Laptop hoch. Sah es auf den ersten Blick. Keine Nachricht. Kein Like. Keine Rückmeldung. Wieder nicht. Schaute sich also wieder selbst einige Erdenbewohnerinnen an. Nettes Gesicht, schöne Augen, aber die Zähne? Brettspiele und Garten als Hobbys? Bisschen bieder. Er überlegte kurz und wischte sie dann weg. Es musste ja auch passen. Wenn man schon am Anfang ins Überlegen kommt, machen sich beide Seiten nur unglücklich. Nächste. Brille und kurze Haare. Nein. Beim besten Willen nicht. Der danach fehlte auch etwas... Er klappte seinen Frustpotenzierer zu. Horchte. Es war vollkommen still. Kein Gelächter vom Band. Der Fernseher war aus.

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  3. @Darkjuls Vielen Dank für deine lobenden Worte, in denen du Einiges dessen, was diese Zeilen ausdrücken sollten, erwähnst. Eigentlich ist die Art nicht mein Stil, aber ich habe mich von @Skalde inspirieren lassen, dessen kurze Verse ich sehr bewundere und ich bin froh, dass es bei mir auch ganz gut geworden ist. (Ich habe aber auch ganz schön lange dran gesessen) Schönen Tag!

  4. vor 28 Minuten schrieb Lichtsammlerin:

    Ich bin manchmal selbst zerrissen, die gesellschaftliche Situation ist schon länger angespannt und es gibt viele gute Gründe gegen etwas aufzustehen. Aber es artet mE in eine falsche Richtung aus, wird von kleinen Gruppen schnell in eine Eskalation geführt.. Und dann ist da diese Lethargie, die du auch ansprichst, die mich beinah genauso wundert. Sich nur zu beschweren, ohne Handlungen folgen zu lassen.. naja, ist mir unverständlich.

    In meinen Augen triffst du es auch damit wieder sehr gut!

  5. Dämonica II

     

    Ich kenn ihn schon,
    den Spott, den Hohn,

    den Drecks-Dämon.

     

    Verbarg sich nur im Kopf.
    Fesselt wieder ans Kreuz der Ohnmacht.
    Der Dämon davor schallend lacht.
    Legt wieder an den Tropf.

     

    Injiziert irrste Infusionen.
    Infiziert mich mit Millionen
    Gedanken. Gift flutet die Venen.
    Giert gar nach meinen Genen.

     

    Richtet einen Scheiterhaufen.
    Drangsaliert mit Nadelstichen.
    Infiltriert das Gewissen.
    Will meine Seele saufen.

         

    Produziert aber auch 'ne Menge Wut

    und damit neuen Lebensmut.

    Fördert Kraft und bessere Perspektiven.

    Er schafft es nicht mich zu besiegen.

        

    Das Bizarre ist:

    Du Scheiß-Dämon bist

    dein eigener Exorzist.

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  6. Auch ich habe den Text anteilnehmend gelesen. In der Form gefällt mir das Abstürzen sehr, die Löwen hingegen haben sich auch mir nicht ganz erschlossen. Ebenso wie Sonja gefällt mir deine letzte Strophe sehr.

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