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Peripherie des Krieges - Auftakt (2)


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Die beiden hübschen jungen Frauen hatten den Gürtel aus Baracken, Vergnügungsvierteln und wild wuchernden Slums passiert, der die Stadt ummantelte und sich andererseits in das dahinterliegende Land ausbreitete, wie eine schwärende Krankheit.

Als sie aufbrachen, waren sie noch zu viert gewesen.

Ein verführerisches Quartett, in rot, blond, schwarz und brünett, wie aus Männerträumen gemacht.

Vor Stunden hatten sich ihre Wege getrennt, aber schon bald würden sie wieder vereint sein.

Und noch an diesem Nachmittag würden sie gemeinsam singen.

 

Hier draußen, nach der großen Stadt, kam nicht mehr viel, abgesehen von karger Armut und verwüstetem Land.

Lediglich ein paar vereinzelte kleine Dörfer, oder abgelegene Farmen und Ranches trotzten der sich ausbreitenden Verdammnis ein wenig Leben ab.

Die ärmliche, derbe Kleidung, der Frauen waren der Landschaft angemessen, auf die sie, mit still gesenkten Köpfen, zu strebten.

Gleichzeitig ein Signal an jeden gefallenen Tagedieb und Vorstadt Gangster, dass es den Aufwand nicht lohnen würde.

Von fast religiöser Armut kündeten gleichermaßen die verlumpten Bündel, die sie auf dem Rücken trugen.

 

Trotzdem war es ein großes Risiko hier draußen, denn so wenig es auch auf den ersten Blick zu holen gab, weibliche Jugend war immer einer genaueren Betrachtung wert.

Vor allem für die Myriaden von Verlierern, die die trist, in Dreck und Neon, schillernden Slums bevölkerten. Ein schnelles nachmittägliches Geschäft, mündend in einem der Vergnügungsviertel und einer rauschenden Woche. Das klang für viele sicher verlockend.

Denn die Bordelle am Stadtrand, suchten immer nach neuen Attraktionen und das Regime, so sehr es solches Treiben auch offiziell verurteilte, drückte hin und wieder ein Auge zu.

Wenn die Anteile hoch genug ausfielen, die groben Zuhälter zur schlaueren Sorte gehörten und die richtigen Leute bestachen.

Ab und an statuierte die Staatsgewalt ein Exempel, mit fast gelangweilter Brutalität.

Schaffte Platz für die aufstrebende Konkurrenz, die nur auf eine Gelegenheit wartete und deren Zahl stetig zu wachsen schien.

 

Die beiden Frauen verbargen ihre schönen Gesichter, mehr schlecht als recht, in den Schatten ihrer Kapuzen, gänzlich vertrauend auf die Formlosigkeit ihrer, sicher mit Bedacht, gewählten Gewänder.

So schritten sie gemächlich weiter, den ausgetretenen Pfad entlang, auf das Ödland zu. Ihr Glück hatte gehalten, bis hier hin.

Nun führte der Weg sie bloß noch an Lager 12-0-47 vorbei, wie es im Amtsjargon hieß, dem letzten Pünktchen geordneter Zivilisation.

Oder zumindest dessen, was in diesen Zeiten als solche galt.

 

Es war einer jener Nicht-Orte, zwischen Leben und Tod, von denen aus es nur noch in eine Richtung weiter ging.

Dort wo die guten Zeiten endeten, so es sie jemals gegeben hatte und hinter denen nur noch Unausprechliches wartete.

Unwichtige Gefangene wurden dort kurzzeitig verwahrt, all jene die keiner größeren Aufmerksamkeit bedurften. Menschlicher Abfall, in der Lesart der allgegenwärtigen und nun staatlich legitimierten Barbarei.

 

Homosexuelle, die vom Regime als Entartete deklariert wurden, Diebe, ausrangierte Nutten aus den Vorstädten, Alkoholiker, Junkies, Spieler und all jene, die vom System als wertlos angesehen wurden.

Kleine Beamte die Fehler gemacht hatten und die Bestechungsgelder nicht zahlen konnten, oder andere, die einfach durch die Maschen gefallen waren.

Das ging schnell dieser Tage, ehe man sich versah.

Von hier aus gingen die Transporte ab, zu den Besinnungsschulen und Entfaltungsstätten.

Systemjargon für Arbeits,- und Umerziehungslager, die aus Menschen erst Nummern machten, dann Hüllen und schließlich Überreste.

Wenn überhaupt irgendetwas zurück blieb.

12-0-47 war ein Bahnhof für Gestrandete, an dessen Schaltern es nur eine Sorte Karten zu lösen gab:

One Way Tickets.

 

Das Lager war eines der Sorte Minimum Sicherheitsstufe, Kaum größerer Mühen wert.

Entsprechend setzte sich auch das Personal zusammen, denn hier her wurden all jene versetzt, deren Karrieren versandet waren.

Müde alte Folterknechte, kurz vor der Pensionierung, heimliche Trinker, oder kleine Rädchen des Systems, die ihre Finger zu tief in den Topf gesteckt hatten.

So in Ungnade gefallen sollten sie hier nun das aussieben, was noch weniger wert war, als sie selbst, in den Augen der Mächtigen.

Wie um dem Ganzen doch noch etwas vom Ungeist dieser Tage zu verleihen, hatte man diesen Versagern noch ein paar übereifrige Jungspunde hinzugefügt.

 

Meist von jener Sorte, die sich ihre Sporen ein bisschen zu sehr verdienen wollten.

Karriere machen war eine Sache, aber man musste aufpassen, dabei niemand Wichtigem allzu nahe zu kommen.

Ehrgeizlinge und Fanatiker waren gerne gesehen, aber so mancher übertrieb es dabei und landete dann an Orten wie diesen.

Hier kühlte man sich dann entweder ab, lernte seine Lektion und führte seine Ambitionen dann, in gemäßigtem Tempo, weiter.

Oder eben nicht.

Dann konnte man wenigstens geeignete Partner finden, für die langen Abende, in billigen Bars, bei gepanschtem Fusel und der Gesellschaft drittklassiger Dirnen.

 

Unter all den gescheiterten Aufsteigern stach einer besonders hervor.

Sein Name war Rokan Gatt.

Ein junger Mann, erst 26 Jahre alt, ausgestattet mit einem guten Namen, einem ansehnlichen Äußeren und einer sadistischen Brutalität, deren Ruf ihm weit voraus eilte.

Die ersteren Aspekte hatten ihn rasend schnell in ungeahnte Höhen katapultiert, die Hoffnungen einer ganzen Familie auf den Schultern tragend.

Letztere dann genau an jenen Ort, nachdem er, mehr als nur einmal, die Beherrschung verloren hatte.

 

Die meisten der älteren Wärter gingen ihm aus dem Weg, wo immer es möglich war.

Die Gefangenen, die das nicht konnten, fürchteten ihn mehr als jeden anderen und bemühten sich, noch mehr als sonst, möglichst unsichtbar zu bleiben, wenn er Dienst hatte.

Besonders unter den Frauen gingen schreckliche Gerüchte um, die so mancher Neuankömmling nicht recht glauben wollte. Bis sie ihm dann selbst begegneten.

 

Die Minimum Sicherheitsstufe bedeute nicht, dass hier nicht gefoltert wurde, oder das hier niemand zu Tode kam.

Selbst diese Sorte Gefangene verfügte bisweilen über Informationen, die das spärliche Gehalt aufbessern konnten.

Oder sie brachten einen positiven Vermerk ein, auf dieser oder jener Liste, eines Vorgesetzten, der einem später nutzen konnte.

Außerdem war die Zeit hier draußen mitunter sehr lang und was hatte das Personal schon sonst für Möglichkeiten, der eigenen Langeweile zu begegnen?

Und wenn die Transporte kamen und die Listen nicht vollzählig waren..

Nun, was macht das schon? Es kümmerte niemanden.

 

Die Nachmittagssonne tauchte die Landschaft in ein warmes Licht.

Bis zur Ablösung waren es noch gut 3 Stunden und Rokan langweilte sich in der Hitze und den dichten Rauchschwaden seiner Kollegen.

Durch sein Fernglas ließ er den Blick, von der kleinen Wachstube aus, zwischen dem Stadtrand und dem Niemandsland umher schweifen.

Seine Laune besserte sich schlagartig, als er die beiden Frauen entdeckte, die scheinbar genau auf das Lager zuhielten.

Kurz vorher würde der Weg einen Knick machen, und weitläufig um das Lager herumführen.

Sicherheitsgründe.

 

Rokan mochte viele Fehler haben, aber er erkannte eine Gelegenheit, wenn er eine sah.

Lächelnd dachte er an den Kommandanten, den er für eine unfähigen und verweichlichen Bastard hielt, der genau das Kommando inne hatte, welches seinen Fähigkeiten entsprach.

Aber sagte der nicht immer, sie sollten die Augen offen halten, wachsam sein und Gefahren erkennen, noch bevor sie entstünden?

Und Personen, die sich dem Lager bis auf diese Distanz näherten, waren sicher etwas, dass eine Kontrolle rechtfertigen würde.

Zwei Frauen bloß, na klar, aber schließlich wusste man ja nie.

Zumal keine von den Beiden so aussah, als würde sich hinterher irgendjemand beschweren.

Oder sie gar vermissen, sollte etwas schief laufen.

Er hatte einen Blick für solche Dinge!

 

20 Minuten später fanden sich beide Frauen bereits im kahlen Verhörraum der Wachstube wieder.

Eine von ihnen, die Blonde, hatte nur einen verdreckten und völlig zerknitterten Ausweis vorzuweisen, der ganz sicher gefälscht war.

Die Schwarzhaarige dagegen hatte gar keinen bei sich und die Dreistigkeit besessen zu behaupten, sie habe ihn zu Hause vergessen.

Diese freche Lüge hatte ihr eine krachende Ohrfeige eingebracht, die sie auf den Boden befördert hatte, also genau dahin wo sie hin gehörte.

Rokan genoss den Anblick der zitternden Frauen und das Gejohle Kameraden, zu denen sich noch weitere dazu gesellt hatten.

Der Nachmittag versprach doch noch interessant zu werden!

 

 

(geteilt wegen Zeichenbegrenzung)

 

 

 

 

 

 

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Das hier war seine Show und der genoss die Angst der beiden Frauen und die derben Anzüglichkeiten der anderen Wärter, in vollen Zügen.

Wie auf einer Bühne bewegte er sich um sie herum, die nun unfreiwillig die Hauptrollen in seinem perfiden Stück zugeteilt bekommen hatten.

Eine launige Flapsigkeit hatte sich unter den Männern breit gemacht.

Sie waren bereits ebenso gefangen, in einem Rausch aus erotischen Allmachtsphantasien und obszöner Vorfreude, dass sie jede Vorsicht vergessen hatten.

Niemand von ihnen war auf die Idee gekommen, die Bündel zu kontrollieren, denn andere Dinge standen nun im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit.

Das war ihr erster Fehler gewesen, für den andere später teuer bezahlen würden

Keiner der Männer hörte, zu diesem Zeitpunkt, den feinen Sand, der bereits leise durch das Stundenglas rieselte.

Dazu war die Stimmung viel zu aufgeheizt, die Verheißungen zu süß und die Ideen zu berauschend, die ihre Gedanken ausfüllten.

Es war noch etwas Zeit.

 

Rokan riss die junge Frau an den Haaren wieder auf die Beine und packte sie hart am Kinn.

Er fühlte wie sein Blut pulsierte und er nahm die Kameraden kaum noch war, denen es schon langweilig zu werden begann und die mit ihren Ideen, für den Fortgang des kleinen Abenteuers, nicht mehr an sich halten konnten.

Sie hatten keinen Sinn für diese Dinge, wie ihm wieder auffiel.

So etwas brauchte Zeit und er dehnte das Vorspiel gerne aus.

 

Ihre Gesichter berührten sich nun fast und Rokan fühlte jene unbändige Wut in sich aufsteigen, die seine Karriere fast beendet und ihn an diesen Ort gebracht hatte.

Ihre blonden Haare schienen ihn zu verhöhnen und blitzte da nicht irgend etwas in ihren Augen auf?

Widerstand, ganz sicher, aber auch noch etwas anderes, was ihn nur um so wütender machte.

Diese Aufsässigkeit raubte ihm fast den Atem und er konnte sich nur mit Mühe beherrschen.

Ein Wort keimte in seinen Gedanken auf.

Besitzergreifend und übermächtig, wollte es sich Bahn brechen und laut in die Enge des Raumes entweichen.

„Hure“ hob er an, es ihr ins Gesicht zu schreien.

 

 

Was er nicht wusste: Genau in diesem Augenblick rieselten die letzten Körnchen aus dem einen Glas in das andere.

Die Zeit der abgehalfterten Männer war abgelaufen und gleich würden ihre Phantasien zersplittern.

 

Sie hatte den Arm gehoben, als wolle sie ihn abwehren. Eine sinnlose Geste wie es schien, angesichts ihrer Lage.

Eine aufmerksamer Beobachter dagegen hätte längst bemerkt, dass sie nur dabei war, den Fehler Nummer zwei auszunutzen, denn so wie sie die Bündel nicht durchsucht hatten, war auch keiner der Männer auf die Idee gekommen, die Frauen zu fesseln.

Und dies war nun der Fehler, für den sie unmittelbar bezahlen würden.

Allesamt.

 

Etwas scharfes, schneidend Endgültiges schoss spitz und gnadenlos aus ihrem Ärmel und bohrte sich, in seinen Kopf, genau unter dem linken Ohr.

Heiß und gleichermaßen erbarmungslos kalt zerschnitt es den dünnen Faden des Bewusstseins und zertrümmerte jede Facette seines Geistes.

Einen Wimpernschlag lang schien die Realität still zu stehen.

Rokan machte ein dümmliches Gesicht, immer noch in dem Versuch, ihr ins Gesicht zu schreien.

Er hatte den eigenen Tod noch nicht bemerkt.

Ein kurzes Aufbäumen, ein letzter Versuch sich zu artikulieren. Zu begreifen.

Dann kippte er einfach um.

 

Als die Zeit wieder in Normalgeschwindigkeit lief, waren aus den Tätern Opfer geworden.

Sie waren zu alt gewesen, zu langsam und zu wenig vorbereitet.

Selbst die Schnelleren von ihnen schafften es nicht über das jähe Erkennen,von Gefahr hinaus, bevor ihre Welt endete.

Die dicken Mauern schützen einen nur solange, wie man die Wölfe nicht selbst herein bittet.

 

Blutiges Chaos brach über sie hinweg, gleich einer Urgewalt und dekorierte, mit fiebriger Wonne, die kalkgrauen Wände, des Verhörraumes neu.

Heiß und rot schoss das Leben aus ihnen heraus, und mengte den verschlafenen Gerüchen des Sommers, eine Melange aus Eisen und Fäkalien bei.

Die Beschaffenheit der Wände verschluckte die Schreie und damit jede Hoffnung auf Hilfe.

Gleichzeitig lieferten sie die Hintergrund Melodie, für das was nun folgte.

Die erste Strophe des Liedes.

 

 

 

Die Engel hatten zu singen begonnen...

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  • 8 Monate später...

Danke, dass ist sehr freundlich von Dir.

Ich habe deswegen schon ein schlechtes Gewissen, denn ich müsste es mal fertig schreiben. Eigentlich war es das schon, aber dann gefiel es mir nicht und ich habe irgendwie vier verschiedene Versionen gehabt. Zudem wurde es auch immer länger.

Ganz ehrlich gesagt habe ich irgendwann auch so ein bisschen gedacht, es liest keiner mehr. Vielleicht spornt mich Dein Post ja jetzt an, morgen ist ja ein freier Tag. Allerdings... Wenn ich das hier nochmal lese, kommt es mir in Teilen schon wieder viel prosaisch vor und ich hätte nicht schlecht Lust es zu überarbeiten. Der einzige Teil dieser Geschichte mit dem ich selbst im Reinen bin ist der nach diesem hier. Darum lese ich den wohl lieber nicht nochmal.

Ich wünsche Dir einen besonders schönen und erholsamen Feiertag.

 

LG Yue

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