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Der Kranke im Zimmer

 

1)

Ruhig sind in der Anstalt die Gänge,

die Lampen flackern und strahlen matt,

die Wände drücken eisig in die Enge,

inmitten all dem, sitzt ein Junge, der das Trüben hat.

 

Sein Leben ist sein Verderben

und seufzt still beklommen,

er giert sich nach dem Sterben

und das wird bald kommen.

 

Der Gilbhart* küsst die Welt von draußen,

die Bäume stehen bunt,

aus dem Fenster sieht er das Außen,

wie ruht der Forst, wie schläft der Grund.

 

Er sitzt in seinem kargen Zimmer

und er sich nach der Freiheit sehnt,

das Gefangensein macht alles schlimmer,

sodass ihn das Leben starr ablehnt.

 

Seine Augen sich zum Fenster richten,

es funkeln die Pupillen,

der Anblick auf die weiten Fichten,

kann sein Drang nicht mehr stillen.

 

Jeden Tag sieht er das Gleiche

und läuft im Kreis mit müden Schritt,

im Vorhof wiegt die goldne Eiche

und nimmt den Jungen seelisch mit.

 

Die Blätter sanft zu Boden fallen,

sie bilden eine Schicht,

die Schönheit quält ihn mit den Krallen,

doch das erpicht sie grade nicht.

 

So läuft er zu seinem Bette,

er setzt sich auf die Decke,

„Wenn ich einen Wunsch jetzt hätte,

dann will ich, dass ich verrecke…“

 

Plötzlich spürt er ein Zwicken,

es durch sein Körper zieht,

er beginnt sich umzublicken,

doch er den Grund nicht sieht.

 

Er hört dann ein Zischen,

das bedrohlich klingt,

seine Gefühle sich vermischen,

sodass der Tod bald dingt.

 

„Komm‘ du gift’ge Schlange,

komm‘ und beiß‘ mich, du Biest,

tu‘, was ich erlange,

du mich doch leiden siehst.

 

Komm‘, schau‘ in mein Gesicht,

erfüll‘ mein Begehren,

beseele deine Pflicht,

ich werde mich nicht wehren.“

 

Er streckt seine Hand ihr entgegen,

sie ihr Maul aufreißt,

sie will sich auf die Hand legen

und sich in die Haut verbeißt.

 

2)

Das Gift vermischt sich mit dem Blute,

die Vergiftung langsam schleicht,

es wächst des Jungen Mute,

der allmählich steif erbleicht.

 

Sein Herz beginnt zu klopfen,

das Gefühl vom inneren Erdrücken,

es lösen sich die Schweißtropfen

und rollen über Stirn und Rücken.

 

Seine Augenlider flimmern,

sein Körper ist erstarrt,

er sieht das Zimmer schimmern,

was seinen Tod jetzt offenbart.

 

Er fällt auf den Boden,

stier wird sein Herze,

er macht den letzten Oden,

und es verschlingt ihn die Schwärze. 

 

* Gilbhart = Oktober

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