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Patrick

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Beiträge erstellt von Patrick

  1. @Cornelius, du hast diesen spröden Götterstoff sehr, sehr amüsant verarbeitet. Ich hab's gern gelesen.

     

    Stefan, kannst du den Humor in Cornelius' Zeilen herauslesen? Man liest ja in Gedichten gern das hinein, was man lesen möchte. Aber Sein Gedicht zu lesen daraufhin rechte Vor"denker" wie den Bernd zur Sprache zu bringen (beides gewissermaßen also zu verlinken) ist echt unangemessen!

    • Danke 1
    • in Love 1
  2. Ah, ich liebe solche Gedichte!! Die Struktur allein, dieses abgesetzte, bedachte Vortragen des Gedichts (ich lese mir die Gedichte, die ich hier lese, stets selbst laut vor, um sie besser fühlen zu können) fängt mich ein.

    Inhaltlich lese ich darin von einem LI, dass sich selbst nach einer Katastrophe verloren hat - und nicht wiederfindet, denn der Wind trägt es (oder die Erinnerung an sich selbst? Mit dem Winde der Zeit?) sachte fort, nach überall.

    An einer Stelle würde ich den Rotstift ansetzen: "letzte glüh-/fünkchen brennen/ unter der haut" Für mich passt es nicht in das Bild eines LI, das längst verloren ist und vom Winde nach weggetragen wird.

    Eine weitere Anregung: Um dieses achte, geradezu flüsternde Ausklingen zu betonen, würde ich die letzte Strophe in zwei Verse trennen.

     

    Somit komme ich zu dieser Version deines Textes

     

    nach überall


    inmitten
    all dieser asche
    suche ich
    mich

    hab vergessen
    wo ich
    verloren ging

     

    -


    inmitten
    all dieser asche
    bläst ein wind
    mich

    sachte

    fort

  3. Am 2.5.2024 um 17:04 schrieb Donna:

    Also, kein Schlüssel wirklich erforderlich.

    Denn es hätte alles Mögliche passieren können: Schlüssel verlegt, gestohlen, in die falschen Hände geraten, oder solche die nicht die leiseste Ahnung haben, wo der verflixte Schlüssel reinpasst.  Vielleicht wurde der Schlüssel zu Hause vergessen, in einer Hosentasche übersehen oder aus Frust absichtlich weggeworfen.

     

     

     

    Genauso lese ich dein Gedicht, liebe @Donna! Ich lese es als Einladung, den Garten der Poesie zu betreten. Jeder Mensch, der das will, hat den Schlüssel. Ich selbst helfe gern freimütig bei der Suche danach und gebe jedem einen Wegweiser zu diesem Garten, der nicht schnell genug weglaufen kann. 😄

    Poesie ist es, die den Umgang mit dem uns Umgebenden erträglicher macht.

    • in Love 1
  4. Danke für's wohlwollende Lesen, lieber @Cornelius!

    Nein, leider bin ich längst schon ein ziemlicher Digitalarbeiter geworden. Handschriftlich mache ich nur noch Aufzeichnungen, mit denen ich keine Absicht zum Veröffentlichen hege. Immerhin arbeite ich mit Versionen, sodass kluge Köpfe in der Zukunft untersuchen können, in welchen Iterationen ein Text entsteht.

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  5. Konrads Kugelschreiber

     

    Es gibt Begegnungen, in denen einem nur ein einziger Gegenstand geschenkt wird, der ein Leben verändert. Eine solche Begegnung hatte ich mit Konrad.

    Ich begegnete Konrad an einem milden Wintertag im Park ganz in der Nähe der Klinik, in der ich seit mehreren Tagen eingewiesen war. Er saß auf einer Parkbank gegenüber des kleinen Kliniktteichs und löste Sudokus. Ich setzte mich zu ihm, grüßte kurz und schaute ihm zu, wie er beflissen Zahlen in die Kästchen eintrug.

    “Ein schöner Kugelschreiber”, bemerkte ich, um ins Gespräch zu kommen. Es war ein goldfarbener, verschnörkelt geformter Kugelschreiber mit arabischen Schriftzeichen verziert. Dieser Kugelschreiber konnte also mit Fug und Recht als schön bezeichnet werden. Konrad selbst aber war augenscheinlich mitteleuropäischer Herkunft. Da fällt ein solcher Kugelschreiber in der Hand eines Mitteleuropäers durchaus auf. “Danke”, sagte dieser wohl bereits über 80-jährige Mann mit brüchiger Stimme und löste stumm weiter sein Sudoku.

     

    Kliniktage sind furchtbar langweilig: Niemand, den ich dort kenne. Niemand, mit dem ich bereit bin, ein längeres Gespräch über einen bündigen “‘n Tag” samt Nicken zu führen. Es würde auch nichts bringen. Denn die Klinik ist im Wesentlichen eine Psychiatrie, bewohnt von Suchtkranken, die die Gesellschaft gern vergessen würde. Und der andere Teil der Klinik, in dem ich aufgenommen war, ist eine neurologische Abteilung. Dort sind nahezu alle Insassen bettlägerig. Nur Konrad eben nicht. Und ich. 

    Da er weit und breit der einzige Mensch war, mit dem ein Gespräch anzufangen lohnend erschien, blieb ich hartnäckig und versuchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

    “Sind das chinesische Schriftzeichen auf dem Kugelschreiber?”, gab ich mich unwissend. Diese gespielte Ahnungslosigkeit schien seine Schweigsamkeit zu brechen. Er klärte mich auf, dass es sich selbstverständlich um arabische Schriftzeichen handele und er diesen Stift selbst aus Syrien mitbrachte - und begann, mir seine Geschichte zu erzählen.

     

    Als dieser Mann von mittlerweile 83 Jahren noch mitten im Leben stand, war er als Isoliertechniker in aller Welt unterwegs. “Kälte, Wärme, Schall und Blech”, berichtete er, “das konnte ich alles wie kein Zweiter!” Noch zu DDR-Zeiten war er einer der gefragtesten Isoliertechniker seiner Produktionsgenossenschaft. Und sein Wissen war in aller Welt gefragt. Gerade bei den Systemfreunden aus dem Nahen Osten waren Kühlhäuser in den 70er Jahren sehr beliebt. Als Vorarbeiter wurde er nach Syrien, Jemen, Saudi Arabien stets mit all seinen Mitarbeitern entsandt. “Mit den Leuten in Syrien hätte ich nicht arbeiten können.”, sagte er. “Die hatten alle zwei linke Hände.” Er und seine Leute fühlten sich im Nahen Osten zwar wie die Pinguine in der Wüste, wie er scherzhaft meinte. Doch gerade während der Schneekatastrophe ‘78/ ’79 war es ihnen ganz recht, in Nahost zu sein und nicht im Schnee zu versinken.

     

    Es kamen noch viele weitere Länder hinzu, in die er entsandt wurde. Die Kühlhäuser im Nahen Osten tragen noch heute seine Handschrift. Und von all den Stationen, an denen er tätig war, nahm er sich stets die Zeit, die engen Gassen der Städte zu erkunden - und nach Kugelschreibern Ausschau zu halten. Und stets wurde er fündig.

    Anfangs tat er es nur aus der Verlegenheit, keinen eigenen mehr zur Hand zu haben. Es gab ja immer irgendetwas aufzuschreiben. Und außerdem wollte er für sein “Mäuschen” in der Heimat seine Erlebnisse festhalten.

    Mit der Zeit aber wurde eine Leidenschaft daraus. Und ein Tick: Mit jedem Kugelschreiber wollte er seine Erlebnisse festhalten, doch nur ein einziges Kapitel aus seinem Leben pro Kugelschreiber. Danach habe der Kugelschreiber alles gesagt, was es zu einem Erlebnis zu sagen gibt.

    Und so sammelte er Kugelschreiber wie auch Erlebnisse. Nur unterschiedlich mussten sie sein. Keinen Kugelschreiber, kein Erlebnis wollte er doppelt festhalten. Und gab es einmal nichts Neues zu erleben, so kramte er in seinen Erinnerungen.

    Da war die Geschichte vom schönsten Mädchen seines Dorfes. “Die musste ich haben!”, sprach er mit leuchtenden Augen. Und er eroberte sie. Nur hatte sie leider einen miserablen Charakter. Selbst die Eltern seiner Eroberung fragten ihn später verwundert, warum er sich ausgerechnet für sie entschieden hatte. So schnell, wie er dieses Erlebnis aufschrieb, so schnell war auch die Beziehung zu Ende.

    Da war die Geschichte von seinem “Mäuschen”, mit dem er schon seit 65 Jahren verbunden und seit 57 Jahren verheiratet ist. Sie war nicht gerade die Schönste aus dem Dorf, dafür aber die Liebste. Jeden seiner Auslandsaufenthalte, jedes Fernbleiben, als ihre Kinder geboren wurden, jeden mitgebrachten Kugelschreiber, der ihre kleine 53-Quadratmeter-Wohnung noch voller machte, hat sie ihm verziehen.

    Da war auch die Geschichte vom Bombenbunker, in den er als Drei- oder Vierjähriger jede Nacht hinunter musste und nicht verstand, warum er nicht in seinem eigenen Bett schlafen durfte. Seinen Vater hat er kaum kennengelernt. “Den haben die Russen einfach ausgeknipst.” erzählte er, noch immer voll Grollen gegen die einstigen großen Brüder. Nein, das ist kein Teil seines Lebens, an den er sich gern erinnert. Den Kugelschreiber, mit dem er dieses Kapitel seines Lebens aufschrieb, warf er anschließend weg.

     

    Heute, da er längst schon die Blechschere aus der Hand gelegt hat, blickt er auf weit über 1.000 Exemplare aus allen möglichen Teilen der Welt: manche bauchig und durchsichtig, andere mit metallischem Glanz und kunstvoll in sich verdreht. Jeder einzelne aber trägt einen Schriftzug, einen Werbespruch. Nur solche haben einen Wert für ihn.

    Seine Wohnung ist zum Leidwesen seiner Frau zu einem wahren Kugelschreibermuseum geworden. Für jeden einzelnen Stift hat er Regalbretter so präpariert, dass er seine Funde einzeln aufstellen kann. Und wenn er an seiner Sammlung vorübergeht, sich manche Exemplare genau anschaut, dann erinnert er sich kurz an jedes einzelne Erlebnis, das er mit diesem oder jenem Kugelschreiber aufschrieb. 

     

    Nun, da seine arthritische Hand schon so steif geworden ist, dass er keinen Kugelschreiber mehr greifen, sondern nur noch wie in einen Schraubstock einspannen kann, hat er aufgehört, an seinem Leben zu schreiben, Gelegentlich löst er noch ein paar Rätsel und Sudokus. Doch sein Leben sei ausgeschrieben, sagt er.

    All das erzählte mir Konrad in kaum zwei Stunden, in denen wir am Teich saßen und der Natur beim Natur sein zuschauten. Als unser Abschied näher rückte, schenkte er mir seinen Kugelschreiber. “Schreib dieses Erlebnis hier auf, und alle anderen, die du noch haben wirst, bevor du sie wieder vergisst.”

    So ist es nun geschehen.

    • Schön 3
  6. Hmmm, mir ist die Aussage dieses Gedichts nicht ganz klar, lieber @gummibaum. Ist es Religionskritik? Dann verfehlt sie ihr Ziel, denn die angestaubte Geschichte Abrahams hat längst nichts mehr mit aktuell praktizierter Religion zu tun. In solcher Form werden keine Glaubensbeweise mehr eingefordert.

    Oder ist es doch vielmehr eine Metaher, dass wir unsere Liebsten nicht für Gützenbilder opfern sollten? Ich könnte meinen Sohn "opfern" und in antreiben immer besser in der Schule zu werden, um das BSP irgendwann noch mehr zu steigern...

    Oder wolltest du dir bloß einen Spaß mit einer alten Geschichte erlauben?

  7. Hallo @Lydia J., zu den Bildenden Künsten kann ich mich so, wie meine Vorredner, kaum äußern. Darin bin ich leider zu unbewandert. Jedoch zur Form deines Textes möchte ich gern einige Worte da lassen.

     

    Auf mich wirken die Verse mit einem, manchmal zwei, sehr selten drei Worten wie ein vorsichtiges Herantasten, ein allmähliches Ent_decken an die Bedeutung des betrachteten Kunstwerks. Es ist eine Übersetzung des Wahrgenommenen in Sprache, ein bedachtes Finden der geeigneten Worte.

     

    Wie ich mir selbst den Text laut vorgelesen habe, so tat ich es, Vers für Vers, abgesetzt, geradezu flüsternd - so als wäre ich selbst in einer Galerie, in der Stille angemahnt ist.

     

    Danke für deinen Text. Ich kann mich gut darin hineinfinden.

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  8. Hallo Seeadler, ich habe deine Text sehr gern gelesen und kann dazu sagen, dass es auch umgekehrt sehr schief gehen kann. Ich sage gern: Meine Mutter hat bei mir gewohnt, nicht ich bei ihr. Gelegentlich kam sie mal nach Hause, um mich zu verwalten, das Nötigste bereit zu stellen. Den entstandenen emotionalen Schaden habe ich bis ins Erwachsenenalter, bis in meine mittlerweile gescheiterte Ehe hineingetragen. Darin habe ich so sehr gehofft und gewartet, um dieses Angenommenwerden, dieses Geliebtsein zu erfahren. Es kam jahrelang nicht (oder: auf eine Weise, wie ich es nicht wahrnehmen konnte). Nun, nach der Trennung, fange ich, mittlerweile 40-jährig, an emotional zu gesunden. Ein Irrsinn, welchen Schaden Erwachsene bei Kindern anrichten können...

    Meinen Kindern, ein Junge, zwei Mädchen, wird es nicht so gehen. Die bekommen all meine Aufmerksamkeit und Anerkennung.

    • Traurig 1
  9. @Dali Lama Vielen lieben Dank für deine präzise Analyse! Deine Variante des Gedichts habe ich soeben in den Ursprungspost auf die Bühne gehoben.

    Im Laufe des Tages werde ich die Zeit finden, eingehender auf deine Analyse einzugehen.

     

    @Lydia J. Auch dir lieben Dank für deine Anmerkung zu Dali Lamas Variante.

     

    Lieber @Dali Lama, nun finde ich die Zeit, auf deine Analyse einzugehen.

    Zunächst möchte ich sagen: Ich bin kein großer Sonett-Dichter, wenngleich ich schon einmal das ein oder andere Sonett geschrieben habe. Daran ist vielleicht auch verständlich, dass ich manche formale Vorgabe eines klassischen Sonetts - bewusst, aber auch unbewusst - missachtet habe.

     

    Zunächst zum unreinen Reim: Der ist nicht als solcher intendiert. Ich verfolge in den ersten 8 Versen Das Schema abbc-addc. Ich spiele gern mit strophenübergreifenden Reimschemata. Hier ist es eine Art umarmender Kreizreim-Mix geworden.

     

    Der Reim Blüte-Hüte ist tatsächlich zu sehr gewollt. Man könnte genauso gut "Güte" oder "Gemüte" als Reimpartner verwenden, wie z. B. in "Vergleich' sie mit der längst vergang'nen Blüte./ Verlassen und beraubt von ihrer Güte/ Bleib' ich zurück, ganz sprachlos, ohne Drang".

    Was aber mit "Blüte" gemeint ist, überlase ich gern der Interpretation.

     

    Bemerkenswert, wie du die Passivkonstruktion in Vers 8 aufdeckst. Die ist mir beim Schreiben wirklich nicht aufgefallen. Deine Vorschlag möchte ich mit einer Änderung gern übernehmen, da ich das Wort "immer" nicht mag: "Du hörst sie stets verkehrt, mit falschem Klang"

     

    vor 21 Stunden schrieb Dali Lama:

    "vergleich' sie mit der längst vergang'nen Blüte.

    Finde ich gut, übernehme ich so.

     

    Danke für den Hinweis auf die unterschiedlich betonten diversen "sie". Daran habe ich gar nicht gedacht; mit dem Hinweis sensibilisierst du mich, auf die Betonung einzelner Silben Rücksicht zu nehmen.

     

     

    Nicht alle Änderungen kann und werde ich übernehmen. Ich halte es auch nicht für sinnvoll, da ich den Text grundlegend umschreiben müsste. Im Nachhinein wird mir nicht klar, warum das LI erst seine Sprachlosigkeit und Sprachverfehltheit zur Kenntnis nimmt und dann zu einem Sprung (welcher Natur eigentlich?) ansetzt. 

    Dieses Sonett habe ich während einer dreistündigen Zugfahrt geschrieben, danach nur noch wenig daran gefeilt und dann mehrere Jahre liegen gelassen, bis ich es vor ein paar Tagen wieder ausgegraben und als veröffentlichbar erachte habe. Mit den Änderungsvorschlägen hat dieses Gedicht mehr Aufwertung erfahren, als ich erwartet hätte. So soll es mir genügen und ich danke euch sehr für eure Auseinandersetzung mit diesem Text. So ich mich dem Thema falsch wahrgenommener Kommunikation wieder nähere, tue ich es in einem neuen Gedicht.

    • Schön 1
  10. Ihr Lieben! Ich danke euch vielmals für eure Nachrichten! Es freut mich sehr, in so kurzer Zeit nach der Veröffentlichung des Texts gleich so einige Auseinandersetzungen mit meinem Gedicht zu lesen. Vielen, vielen Dank dafür!

     

    @Cornelius Ich danke dir für deine Auseinandersetzung mit meinem Text. Einige deiner Vorschläge (Die "Muskeln sind nicht darunter 😉 ) finde ich wirklich gut und werde sie in einer zweiten Version des Gedichts hineinfließen lassen. Ich poste es im Nachgang zu dieser Nachricht.

     

    @Lydia J. Hab auch du lieben Dank für deinen Kommentar. Ich sehe es wie du: Muskeln haben in diesem Text (selten in der Poesie, wie ich finde) nichts verloren. 🙂

     

    @horstgrosse2 Wow, gleich eine alternative Variante zu meinem Gedicht lese ich hier! Hab lieben Dank dafür! So möchte ich den Text als solches gern stehenlassen. Für meine zweite Variante habe ich aber eigene Ideen; wortgleich werde ich deine Variante also nicht übernehmen.

     

    Und hier nun meine zweite Variante:

     

    Ich komm’ nicht an dich ran

     

    Ich komm’ und komm’ nicht an dich ran -

    Die Worte, die ich such’ und die ich wähle,

    Die ich mit scharfem Messer aus mir schäle -

    Sie werden falsch gehört, mit falschem Klang. 

     

    Wie Fremde schau’ ich meine Worte an,

    Vergleiche sie mit der vergang'nen Blüte.

    Sie weichen von mir, nehmen ihre Hüte.

    Zurück bleib ich ganz sprachlos, ohne Drang 

     

    Sie zu verfolgen und sie einzukesseln

    Und sie mit Strick und Seil an mich zu fesseln.

    So setze ich zu einem Sprunge an 

     

    Mit meinem Mut, dem  letzten, übers Loch,

    Das zwischen uns sich aufgetan. Und doch:

    Ich komm’ und komm’ nicht an dich ran -

     

     

     

    Aus "Sie empfehlen sich und nehmen ihre Hüte."  (Vers 7) wurde "Sie weichen von mir, nehmen ihre Hüte."

    Aus "So nehm ich allen Mut in mir zusamm' / Und setze an zum Sprung über dies' Loch" (Vers 11 & 12) wurde "So setze ich zu einem Sprunge an/ Mit meinem Mut, dem  letzten, übers Loch,"

     

    Trifft diese Änderung auf eure Zustimmung?

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  11. Ich mag, wie dein Gedicht lange Zeit im Ungefähren verbleibt, lieber @Marc Donis. Die ersten Verse wecken in mir die Lust, die Botschaft dahinter zu entdecken (wenngleich der Titel auch die Richtung vorgibt. Beinah schade finde ich es da, dass du mit dem sehr deutlichen Hinweis auf die Sehnsucht nach dem Atropin jede Mutmaßung ausräumst und dem Gedicht eine unmissverständliche Botschaft verleihst. Das Gedicht käme ohne diesen Hinweis aus.

    Hier und da, finde ich, sind manche Reime sehr gewollt. lieb' - Dieb, Kirschen - wirschen, Frau - genau, wahre - verharre. Da lohnt es sich, nochmal nachzuarbeiten, um aus diesem guten Text einen sehr guten zu machen.

    • Danke 1
  12. Hallo hollipoc,

    ih gestehe, dass auch ich gern ab und an entrückte Gedichte veröffentliche. Mein Gedicht "Dies' Blatt..." ist ein Beispiel dafür.

    Doch kritische, politische Gedichte sehe und schreibe ich auch sehr gern. Besonders viel Resonanz erwarte ich dabei nicht. Es ist mir auch nachvollziehbar, dass viele Lesende ob der vielen Katastrophen, die uns tagtäglich vorgesetzt werden, die Lust verlieren sich mit Kritik an diesen Zuständen auch noch auseinanderzusetzen.

    Doch ich möchte dich und jeden anderen Menschen dazu ermutigen, weiterhin politische Gedichte zu veröffentlichen. Gerade im Kampf gegen die AFD brauchen wir Protest auf allen Kanälen, auch den poetischen.

  13. Liebe(r) @hollipoc, es freut mich, hier wieder einmal ein politisches und insb. eines geen das rechte Geschwür unserer Gesellschaft zu lesen. Allzuoft beschleicht mich nämlich beim Lesen einiger Gedichte in diesem Forumdas Gefühl, wir würden angesichts all der Bedrohungen unseres Lebens ohnmächtig in einen Neo-Biedermeier abdriften.

    Gerne mehr davon!

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  14. Ein schönes, athmosphärisch stimmigies Bild zeichnest du in deinen ersten Versen, liebe @Seeadler, um dann mit dem Vers "gerade so wie ich" (der genauen Mittelachse des Gedichts - war das gewollt?) auf eine persönliche Ebene zu schwenken. Mit einer gewissen Schwere in mir lese ich die folgenden Verse, freue mich aber, dass das LI in diesem alten Haus seinen Frieden gefunden hat.

    • Danke 1
  15. Ein sehr schönes Gedicht ist dir da gelungen, liebe Kirsten. 

     

    Es ist eine Hoffnung, die wohl jeden trägt, den Ballast des Tags wie ein Kleidungsstück abzulegen, den armseligen Anforderungen der anderen zu entsagen, um zumindest für diese eine Nacht, neu gekleidet, den Reichtum der Sterne, der Liebe zu empfangen.

     

    Mir ist es bisher nicht gelungen, eine Nacht, ein Traum so wahrzunehmen. Hast du da ein Geheimrezept, wie das geht? 🙂 

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  16. Olegs Rekord

     

    Oleg ist etwas gelungen, worüber man noch sehr lange reden wird (zumindest aber bis zur nächsten Sensation). Mit einem WSK-DMR 99X, Kaliber 11,8  x 112 mm, hat er aus 3.974 Metern Entfernung (das ergab später die Satellitenmessung) sein Ziel neutralisiert. Ein neuer Weltrekord!

     

    Seine Tat geschah an einem Wintermorgen. Er lag allein in seinem Versteck, das er in der Nacht zuvor bezog, als er durch sein Fernglas aus großer Entfernung ein bewegliches Objekt erspähte. Er wartete, beobachtete, studierte dessen Bewegungen. Er prüfte die Windgeschwindigkeit, errechnete die ballistische Kurve, maß die Zeit bis zum Einschlag: Wenn seine Kugel mit etwa 840 Metern pro Sekunde fliegt, dann trifft sie ihr Ziel in vier bis fünf Sekunden. Er legte sein Gewehr an die Schulter, prüfte noch ein letztes Mal die Einstellung seines Visiers, legte das Fadenkreuz auf sein Ziel. Dann drückte er ab.

    Er zählte… zwei… drei… vier… sein Ziel sackte zu Boden und ein einsamer Schuss hallte über die weite Flur.

     

    Sein Ziel ist nun kein Feind mehr. Es kann auch kein Freund, kein Vater, kein Bruder, kein Sohn mehr sein. Übrig bleibt  nur ein Klumpen Körper, der in den nächsten Stunden in diesem kalten Winter steif frieren wird. Eine Träne glitt aus Olegs Auge. Wird wohl ein kalter Winterwind gewesen sein, dachte er.

    Wütende Schüsse kamen ihm nun entgegen. Oleg sank zurück in sein Versteck. Die wütenden Kugeln bohrten sich in die Bäume des kleinen Waldes in seinem Rücken. Wenn es wirklich so ist, dachte er, dass man die ganze Welt rettet, wenn man nur einen Menschen rettet; heißt das dann umgekehrt auch, dass man die ganze Welt zerstört, wenn man nur einen einzigen Menschen tötet? Oleg kratzte sich am Hinterkopf. Lautlos wich er nun aus seinem Versteck, während viele weitere wütende Kugeln ihn als Ziel suchten. 

     

    Zurück im Kommando-Unterstand gab er Bericht von seiner Tat. Sein Führungsoffizier fletschte die Zähne, bellte ein zufriedenes Lachen und schlug Oleg anerkennend auf die Schulter. Männer wie ihn brauche es, sagte er zu Oleg, um den Feind zu demoralisieren. Oleg lächelte und ließ sich die lobenden Worte auferlegen.

    Eine Woche nach seiner Tat waren die Ersten Seiten von Olegs Rekord mit allen bekannten (und auch selbst ihm unbekannten) Details gefüllt. Die Journalisten ergossen sich in blumigen Worten von diesem heroischen Erfolg, wie es ihn bisher noch nie gegeben hatte. Mit diesem Sieg sei eine neue Form der Kriegsführung entstanden, die schon bald zum Ende aller Kampfhandlungen führen werde. Olegs Name wurde bei der Berichterstattung nicht genannt. Er hieß dort “Spezialagent des Geheimdienstes”. 

    In den Tagen darauf wurde seine Brigade mit Anfragen überhäuft. Oleg solle “exklusive Interviews” mit den ganz großen Medienvertretern führen. Man wolle hautnah erfahren, wie es ist, einen solchen Rekord aufzustellen. Hat der Gegner beim Einschlag geschrien? Floss Blut? Was fühlte Oleg, als er seinen Gegner in sich zusammensacken sah? Man wolle auch Fernseh-Interviews mit ihm führen. Man werde ihn zum Superstar machen! Natürlich alles anonymisiert, gemäß den Vorgaben der Armee.

     

    Oleg stutzte, als sein Führungsoffizier ihm davon berichtete. Er bekam den Befehl, diese Interviews zu führen. Er solle seinen “glorreichen Erfolg” ausschmücken und mit Stolz davon berichten. Das werde die Moral in der Bevölkerung heben. Dafür bekomme er auch ausgiebigen Fronturlaub.

    Doch Oleg ist nicht nicht stolz, Es gibt auch keinen Ort, kein Mensch zu dem er zurückkehren könnte.

    Oleg nahm den Befehl entgegen, salutierte - und versank in Gedanken. Bald schon wird er also ein Held sein… seine Einheit in aller Munde.. sein Werdegang in der Armee bis in jeden dunklen Winkel ausgeleuchtet. Und das alles nur, weil er aus großer Entfernung ein Menschenleben auslöschte.

    Oleg zündete eine lilafarbene Kerze an: Heute beginnt die Adventszeit.

     

     

    …und da nicht verzweifeln.

    • Traurig 1
  17. Ein sehr tiefer Text, lieber @Marcel, der zum Interpretieren einlädt.

     

    Nach Jahren haben zwei Liebende jeweils eigene Denk- und Fühl-Räume entwickelt, die mit Worten nicht beschrieben, nicht beschreibbar sind. Darin sind schwebende Horizonte (ein beeindruckendes Sprachbild btw.). Horizonte, die sich in Schatten, in Träume auflösen - und doch darin verbleiben. Die Räume der beiden Liebenden besitzen keine verbindende Tür. Sie haben einander nichts Verbindendes aus der jeweils eigenen Welt über den trennenden Tisch zu erzählen.

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