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Das Leben ist ein Angebot, das man auch ablehnen kann


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(nach Juli Zeh und Ferdinand von Schirach)

 

“Das Leben ist ein Angebot, das man auch ablehnen kann”.

Ein Satz wie ein Brett, das man vor den Kopf gedonnert bekommt. Ein Satz der betäubt, der benommen und sprachlos macht und doch schreiend nach einer Antwort verlangt. Und trotzdem herrscht danach meist eins: Stille. 

Vielleicht fällt eine Erwiderung so schwer, weil der moderne Mensch gerne dazu tendiert, den eigenen Tod aus seinen Gedanken zu verbannen, sich schnell abzulenken, sollten sie tatsächlich einmal den Pfad zu den Vorstellungen des eigenen Endes finden. 

Vielleicht aber fällt eine Antwort auch nur schwer, weil der Satz einen Schwarm an Fragen freilässt, über die man zunächst in Ruhe brüten muss. Es geht nicht bloß um die Frage, ob man sein eigenes Leben beenden darf oder nicht. Man muss sich mit grundsätzlichen Fragen auseinandersetzen, die jeder Mensch gewiss verschieden beurteilen wird: 

 

Wem gehört unser Leben?

Welche Erwartungen dürfen wir an unsere Existenz auf der Erde haben?

Wie weit reicht die menschliche Freiheit?

 

Eine objektive, eine allgemeingültige Antwort auf diese Fragen anzustreben wäre ebenso unmöglich wie fatal. Und dennoch muss die Gesellschaft zu diesem Satz klar Stellung beziehen. Und dennoch hat jeder einzelne von uns - unabhängig davon, wie er die oben genannten Fragen beantwortet - eine Aufgabe: Unseren Gegenüber davon zu überzeugen, dass man das Angebot des Lebens möglicherweise ablehnen kann, es aber nicht tun sollte. 

 

Trotzdem geht es in dieser Frage nicht per se ums Recht haben. Es geht auch nicht darum, einen Kompromiss zu finden, zu dem jeder zustimmend nickt. Wir müssen verstehen, dass eine gesellschaftliche Einigkeit in manchen persönlichen Fragen eher einer Dystopie als einer Utopie gleicht. Sie würde eine Welt bedeuten, in der die Menschen ihre eigene, innerste Meinung und Überzeugung verlieren würden – und somit den größten und stärksten Teil ihrer Persönlichkeit.

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Hallo!

 

Wer diesen einen Satz mit Überzeugung in den Mund nimmt, der offenbart eine psychische Störung, derer er oder sie sich selbst vielleicht gar nicht bewusst ist. Eine Antwort auf diese Aussage fällt eben genau deswegen schwer, weil eine diametrale Widerrede rein gar nichts bewirken würde.

Ich halte diesen Satz deswegen für pathologisch, weil ich mich mit ihm aus dem Leben selbst rücke. Er klingt als stünde ich wie vor einer Fleischtheke, aus der ich mir etwas aussuchen kann - oder eben nicht. Tatsächlich aber bin ich das Leben selbst. Es abzulehnen bedeutet mich selbst abzulehnen.

Würde mir ein Mensch mit diesem Satz im Munde begegnen, so könnte ich mit ihm darüber keine sinnvolle Diskussion führen, sondern müsste ihm vielmehr den Raum eröffnen, sich eingehender zu seiner Haltung zu erklären. Heilung durch reden.

Diesen Satz als gültig abzulehnen bedeutet für mich nicht, meinen unausweichlichen Tod zu verdrängen. Den kann ich durchaus wahrnehmen, indem ich mein Leben als solches akzeptiere.

Abschließend noch zu den von dir formulierten Fragen:

 

Wem gehört unser Leben? Uns selbst!

Welche Erwartungen dürfen wir an unsere Existenz auf der Erde haben? Gar keine. Zu leben und zu lieben genügt völlig. Alles weitere kommt dann von ganz allein.

Wie weit reicht die menschliche Freiheit? Bisschen schwammig, die Frage. Mein erster Impuls: Bis zu den Freiheitsgrenzen meiner Mitmenschen - wobei diese immer und immer wieder neu verhandelt werden.

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Hallo!

 

Das klingt jetzt aber sehr radikal / absolut / übergriffig, @Patrick.

 

Ich gehe davon aus, dass der Mensch, der sich mit dem Gedanken beschäftigt, das (ungewollte) Geschenk Leben abzulehnen,

Gründe dafür hat. Meist ist es Leid, schier unerträgliches Leid.

Manche Menschen kommen durch philosophische Überlegungen zu dem Schluss, ihr eigenes (Weiter-)Leben abzulehnen.

Manche Menschen sehen sich in einer Lebenssituation, in der sie sich wie ein überflüssiges Puzzleteil empfinden - es passt

einfach nichts - und kommen dann zu dem Schluss, nicht unbedingt dazugehören zu müssen.

 

Das alles mit psychischer Störung zu erklären, scheint mir sehr empathielos. Man sagt schnell mal, wenn man das Gegenüber

partout nicht versteht: "Du bist doch verrückt!". Damit meint man oft nur, dass man den Anderen nicht versteht oder seine Haltung

nicht teilt. Wenn es aber um existenzielle Fragen geht, sollte man (denke ich) stiller, sensibler reagieren. Egal ob in einer konkreten

Situation oder in einem dichterisch-philosophischen Gedanken-Austausch. Das Ziel sollte gegenseitiges Verstehen, bestenfalls

Annäherung sein, nicht das Fällen von Urteilen.

 

Ging mir so durch den Kopf ---------------------------------------------------------------------------------------------------- 🦅

 

 

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Hallo @Happy Handri Hippo, na, wenn dieser Name nicht lebensbejahend klingt.

Meiner Meinung nach sollte jeder selbstbestimmt leben und sterben dürfen. Das Leben ist ein Geschenk und wir haben die Wahl, dies als solches anzunehmen oder eben für uns abzulehnen. Es kommt immer auf die Lebensumstände und jeden selbst an.

Keiner sollte sich anmaßen, darüber zu urteilen, ob die Entscheidungen eines anderen gut oder richtig sind. 

 

Liebe Grüße Darkjuls 

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Hallo @Vogelflug, weder möchte ich als radikal noch absolut und erst recht nicht als übergriffig verstanden werden. Lass mich also bitte meine Haltung zu dem thematisierten Satz präzisieren. 

Ein Satz wie eben dieser alarmiert mich nun einmal, und da reagiere ich sehr direkt. Du schreibst, dass ein Mensch, der diesen Satz äußert, ein "Leid, schier unerträgliches Leid." mit sich trägt. Das sehe ich genauso. Ich fand dafür die wohl als zu harsch aufgefassten Worte "psychische Störung". Für mich ist dieser Begriff kein Urteil, keine Diffamierung, sondern Beschreibung einer ernstzunehmende Krankheit, die therapiert werden sollte. Ich litt selbst unter einer psychischen Störung, könnte diesen Begriff also niemals als Waffe verwenden.

 

Ich denke, unser Missverständnis in dieser Sache rührt daher, dass wir beide mit diesem Satz Unterschiedliches verbinden, was vielleicht auch mit unseren Hintergründen zusammenhängen könnte. Ich vermute, für dich ist er Teil einer philosophischen Überlegung - für mich ist er aber bereits Symptom, das mich alarmiert. Einem Freund könnte ich so einen Satz nicht unkommentiert und erst recht nicht zustimmend durchgehen lassen. 

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Ja siehst du, Patrick, ich habe versucht darzustellen, dass es ganz verschiedene Gründe gibt, die ganz unterschiedliche Menschen in ganz unterschiedlichen Situationen dazu führen können, ds eigene Leben nicht mehr weiterleben zu wollen. Punkt. Und ich denke, es ist nicht richtig, all das mit "bei dem stimmt was nicht", wie immer man es auch ausdrückt, zu erklären. Wie schlimm wir das auch immer finden mögen, dass jemand adieu sagt. Es gehört zur Freiheit jedes Menschen. Leben müssen ist genau so doof wie nicht leben dürfen.

Finde ich.

Es gibt kein Missverständnis zwischen uns in dieser Sache. Und die Andersartigkeit unserer Ansichten hat schon gar nichts mit einer Formulierungsfrage zu tun. Wir denken einfach unterschiedlich darüber. Das ist alles. Nicht schlimm. Ich halte es aus.

Übrigens würde ich auch niemanden so ohne weiteres gehen lassen oder gar dazu ermutigen. Ich würde um jeden Menschen, der mir nahe steht, kämpfen. Aber selbst meiner Tochter habe ich gesagt "Wenn du es nicht aushältst, dieses Leben, dann werde ich dir keine Vorwürfe hinterher schicken. Ich würde unendlich traurig sein, aber dich auch verstehen". Gerade wenn man in einer so verrückten Zeit wie der jetzigen erwachsen wird, finde ich es absolut verständlich, alles infrage zu stellen.

                                                                                                                                                                                                            🦅

 

 

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