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Schwarzer Freitag (XL-Alltagsballade)


Cornelius

Empfohlene Beiträge

Der Morgen graut. Die Spatzen pfeifen:

"Du musst den Tag beim Schopf ergreifen!"

So lass ich mich von Glanzbroschüren

zum Ausflug in die Stadt verführen.

 

Welch Ziehen, Zerren, Drücken, Drängeln

im Angesicht von Rauschgoldengeln!

Man lässt sich mit dem Strome treiben,

hat kaum die Zeit zum Stehenbleiben.

 

Der Einzelhandel lockt mit satten,

nie dagewesenen Rabatten.

So greif ich denn beherzt und flott

zum neuesten Elektroschrott

 

und hoffe, meines Lieblingsneffen

erlesenen Geschmack zu treffen.

Viel lieber schenkte ich ein Buch

bei meinem jährlichen Besuch.

 

Der Knabe ist des Lesens mächtig,

doch dünkt es ihn nur mittelprächtig.

Wie könnte man das Fest genießen,

wenn unterm Christbaum Tränen fließen?

 

Nach diesem wilden Einkaufsritte

beschließe ich, die letzten Schritte

den Weihnachtsmarkt entlang zu schlendern,

spontan den Heimweg abzuändern.

 

Im Reich von Currywurst und Fritten

regieren recht robuste Sitten

inmitten lärmenden Gewimmels.

Ist dies ein Vorgeschmack des Himmels?

 

Der Esel will im Tannenschatten

den Ochsen heimlich schnell begatten.

Im Strohsack, bäuchlings und allein,

da liegt das Kunstharz-Jesulein.

 

Geschwängert ist die laue Luft

mit einem bunt gemischten Duft

aus heißem Fett, Urin und Zimt.

Die schönste Festbeleuchtung glimmt.

 

Dazu erfreut uns ein Gedröhne

erlesen ausgesuchter Töne.

Es trifft die Ohren wie ein Schock

der Mix aus Beatles und Barock.

 

Verführerische Wohlgerüche

verlocken uns in Teufels Küche.

Den Gaumen streichelt wie ein Bürstchen

ein ungarisches Feuerwürstchen.

 

Der Kinderpunsch vom "Schwarzwaldstand"

klatscht glucksend an die Magenwand.

Der weiße Nougat zieht die Plomben

in dunklen "Schlemmer-Katakomben"

 

und braun gebrannte Mandeln splittern,

bis süß verklebt die Finger zittern.

Es schmeckt der pink glasierte Donut

auch in des Jahres letztem Monat.

 

Kaffee aus weicher Pappe schlürfen,

in festlichen Gedanken schürfen -

so wird der Bummel abgerundet.

War teuer, aber hat gemundet.

 

Ich falle beinah um im Stehen,

lass mich vom Wind nach Hause wehen.

Ein mitgebrachter Werbeflyer

verkündet laut die alte Leier:

 

"Jetzt ist die schönste Zeit zum Schenken,

an andre und an dich zu denken!

Drum mach dich auf die Socken gleich,

komm schnell zu uns und spar dich reich!"

 

Nun prangt an meiner Gartenmauer

ein Schild, verkündend dem Beschauer:

"Ich will mit Nachdruck hier betonen:

Man soll mit Werbung mich verschonen."

 

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Hallo Monolith,

 

danke für deine nette Begleitung auf dem Weihnachtsbummel. Ich möchte aber nachdrücklich dazu ermuntern, auch den örtlichen Einzelhandel - besonders Buchhandlungen (wiederum besonders dann, wenn sie keiner Kette angehören) - zu unterstützen, soweit möglich unter Umgehung des Weihnachtsmarktes...

 

Guten Einkauf wünscht

Cornelius

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