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Die Decke flackert. Sein Blick flackert. Das Grau der Nacht flackert. Von grau zu grauer zu schwarz zu hellgrau. Unmerklich merklich. Ganz zart zerreißt es die Dunkelheit, schwemmt das grau aus und lässt es schwarz werden. Die Schwärze brennt in seinen Augen, die Pupillen reißen geweitet Löcher in die Decke. Er starrt. Wartet. Zwinkert. Es flackert. Er versucht das Flackern wegzuzwinkern, schließt die Augen. Er spürt den kurzen Moment der Helle, den tiefen Fall in die Nacht. Er öffnet die Augen, ahnt die Decke. Es flackert. Er hebt den Kopf vom Kissen, durchblickt die Dunkelheit, sucht das Flackern. Es ist nicht zu finden, alles stumm vor schwärze. Er lässt den Kopf zurückfallen, seufzt, zupft an den Falten des Bettlaken. Es flackert. Das Licht schießt ihm in die Augen, durchbohrt sein Hirn, tritt am Hinterkopf aus, zerfetzt seine Geduld in atomare Strahlung. Er reißt die Bettdecke von seinem bebenden Körper, setzt sich ruckartig an die Bettkante. Lässt den Kopf hängen reibt die Augen bis er Sterne sieht auf dem Firmament des Parkett. Es flackert. Die Sterne werden heller und fallen wieder, ertrinken in dem See seiner Tränen. Es ist dunkel, er kann seine Füße nicht sehen, vermutet sie am Boden. Er überlegt das Licht anzumachen um das Flackern auszulöschen. Licht mit Licht bekämpfen. Das Flackern ausleuchten bis es grau wird, vor Neid, vor Scham. Es flackert. Er rappelt sich auf, tritt ins Schwarz, der Boden trägt ihn. Vorsichtig tastet er sich am Bett entlang, in Richtung Küche. Dort scheint es zu flackern, der Geburtsort des Lichts. Er stampft voran, ungeschickt verheddert er sich in seinem Mobiliar. Die Wohnung blitzt auf. Es flackert. Kurz sieht er den Esstisch, weiß es ist nicht mehr weit. Seine Gedanken sehen durch die Dunkelheit. Er hangelt sich weiter, stößt seine nackten Zehen am Tischbein, statt Schmerz durchfährt ihn unbändige Wut, elektrisiert ihn vom Zeh bis in die Haarspitzen und bleibt schlussendlich in seinem Hals stecken wie ein Hühnerknochen. Er schluckt, schreit in seinen Magen, schreitet voran, forsch, wütend, im Flackerlicht. Gegen das Flackerlicht, es kostet ihn unbändige Kraft diesem Lichtloch entgegenzutreten. Es flackert, es schmerzt in seinen Augen, hinter seiner Stirn in seinem Gehirn. Die Ohren dröhnen im Takt seiner Schritte, der Boden hallt in ihm. Er stößt die angelehnte Küchentür ganz auf, bereit dem Licht entgegenzutreten. Es flackert, es ist still. Alle Geräte sind aus. Der Kühlschrank kühlt schweigend. Der Strom fließt lichtlos. Er spürt das Licht. Er kann es nicht sehen. Es flackert, er ist blind. Es flackert, er kann nicht blind sein. Es flackert, er sieht das Licht nicht. Sieht nur die Verschiebung der Grautöne. Er prüft den Anschalter der Mehrfachsteckdose. Er leuchtet schwach, grünlich, still. Friedlich. Unschuldig. Er schaltet ihn aus, ein Klick zerreißt das Universum. Die Grünheit erlischt. Noch nie hat ein Mensch solche Dunkelheit ertragen. Er atmet stoßweise. Keuchend verwirbelt er seinen Küchendunst. Die Schwärze mogelt sich in seine Lungen, sie schmerzt, droht ihn zu ersticken. Die Nacht legt ihre dunklen Finger um seine Kehle, sein Atem rasselt. Die Wut hämmert von innen gegen die Masse der Nacht, beult seinen Körper von innen aus, verformt die dermale Grenze zwischen Mensch und Nacht. Es flackert. Der Körper ist wieder in seiner Form, die Wut hält inne, fassungslos. Die Nacht legt sich auf die Poren. Er hält den Atem an, die einzige organische Aktion in der Dunkelheit ist sein Herzschlag. Die Luft strömt unkontrolliert aus ihm heraus, als er anfängt zu schwanken. Im Flackerlicht. Er kann es nicht sehen. Keine Quelle. Alles liegt im Dunkeln und trotzdem dieses Licht. Er tastet an seiner Arbeitsplatte entlang, erfährt alle Geräte mit seinen Fingerspitzen, versucht das Flackern zu erspüren, blickt in die Dunkelheit, bis die Augen versagen. Kein Augenlicht mehr in diesem Schwarz, die Gedanken ziehen sich von den Augen zurück. Es flackert. Es zerreißt seinen Sehnerv, es schlägt direkt in seine Augen ein. Dieses zarte Grau. Dieses fast schwarz. Das hellere schwarz das es nicht geben dürfte, in der lichtlosen Dunkelheit. Er tastet weiter, erklimmt den Lichtschalter, betätigt ihn, und erstarrt. Erfroren in einem eiskalten Lichtschwall. Warmweiße Glut brennt frierend aus seinem Deckenleuchter auf seine Kopfhaut, er reißt schützend die Arme hoch und schlägt sich die Hände vor die Augen. Die Lider glühen wie Lava, rot geäderte Spuren. Er starrt auf seine geschlossenen Lider, reibt den Schmerz heraus und zwinkert in die Helligkeit. Alles strahlt. Der Toaster bewirft ihn mit Sonnenstrahlen. Er versucht auszuweichen, schlägt die Augen nieder, schreitet zur Seite. Steht im Lichtkegel des Backofens. Das Licht leckt an den Wänden und kotzt Schatten in die Ecken, er öffnet alle Schranktüren, sucht das Flackern, das er nicht mehr sehen kann. Er löscht das Licht, lauert am Schalter, es flackert, er stößt einen Schrei aus und betätigt den Schalter, die Sonne explodiert erneut. Stößt in jedes Atom seines Körpers, sein Blut wirft blasen. Er schäumt über vor Licht, das er nicht mehr absorbieren kann. Die Helligkeit kreischt. Lacht. Verhöhnt. Macht ihn hässlich. Steril. Er starrt. Er zwinkert nicht mehr die Augen tränen, er lässt es rinnen, zwei heiße Bäche fließen über seine Wangen, verbrennen seine Poren, blenden das Licht. Er betätigt den Schalter, ertrinkt in der Dunkelheit, sie überschüttet ihn. Die zweite Haut aus Nacht kühlt, er zittert, friert, das Augenwasser fällt in schweren Schneeflocken von seinen Backen. Es flackert. Er schreit, lange, schaltet das Licht wieder ein, die Brust brennt, das Licht kommt direkt aus seinem linken Ventrikel, pulsiert durch den gesamten Körper, heiße Wellen überlaufen ihn. Er löscht das Licht, er schaltet es ein, löscht es, verharrt, bewegt unermüdlich seinen Finger auf dem Lichtschalter. An. Aus. An. Aus. Er lebt. Er stirbt. Er brennt. Er erfriert. Er sieht alles. Er ist blind. Er kann seine Gedanken hören. Seine Gedanken hören ihn. An. Aus. An. Plötzlich zieht er seine Hand vom Lichtschalter als hätte er einen Stromschlag erhalten, stürmt nach vorne, reißt die Schranktüren auf, knallt sie zu, reißt den Kühlschrank auf, dieser bespuckt ihn mit zögerlichen Licht, er schnappt sich alles, schmeißt es heraus. Steckt seinen Kopf in das Gefrierfach, Hautfetzen verewigen sich in dem Eis der Wände. Er brüllt. Tierähnliche Laute erklimmen seiner rauen Kehle, fallen klirrend zu Boden. Er taumelt zurück, gefrorene Wimpern machen ihm das weinen schwer, er trampelt auf seiner Nahrung herum, räumt die Küchenschränke aus, inspiziert die leeren Schränke, knallt die Türen auf und zu, sinkt zu Boden, auf den Scherben seines Hab und Guts, auf dem Kompost seines Essens. Legt sich auf den Rücken, streckt seinen Finger, betätigt den Lichtschalter. Die Dunkelheit schreit zurück, stößt ihm die Gemeinheiten entgegen, die er vorher dem Licht zu raunte. Er wagt es nicht zu atmen. Der nach oben gereckte Arm schläft ein, er verharrt mit einem Finger am Schalter. Er schweigt, atemlos, tränenlos, bewegungslos, lichtlos, leblos. Es flackert. Er kompostiert sich auf der Stelle. Wird zu organischer Masse. Verschwimmt in Schwarz. Seine Grenzen sind nicht länger seine hörig. Er löst sich auf, zersetzt sich, er weiß nicht mehr, wo er beginnt oder aufhört. Seine Gedanken strömen durch seine Ohren. Er konnte sie lachen hören. Sie gehören ihm nicht mehr. Er darf nur noch lauschen. Er hört sie flackern. Die Gedanken färben sich grau, ein bisschen weniger schwarz und wieder schwarz. Sie flackern. Oszillieren. Erzeugen Licht, erzeugen Dunkelheit. Existieren in ihm und außerhalb seiner selbst. Er schwimmt, wird getragen aus dem Meer seiner Gedanken. Sie werfen Schatten. Sie sind sein Schatten. Sie liegen neben ihm, in seiner Form. Er lässt seinen Arm fallen auch der gehörte ihm nicht mehr. Der Arm landet auf seinen lichtlosen Abdruck, er zuckt zusammen, es schmerzt. Er tastet nach seinem Schatten, bekommt ihn kaum zu fassen. Der Schatten verformt sich, Wellen des Lichts durchlaufen ihn, er glitzert wie das Meer, ist pechschwarz, dann grau, hellgrau und wieder schwarz. Sein Schatten flackert. Er löschte das Licht, der Schatten starb. Der Schatten erwacht zum Leben, legt sich über ihn, umgibt ihn wie die Dunkelheit. Er schließt die Augen. Er rollt sich auf seinen Schatten, will ihn sich anziehen, überziehen, die Wärme seines ausgelagerten Ichs spüren. Er ist der Schatten, er ist das Licht. Er will sich bedecken das Licht in ihm fühlt sich nackt an. Der Schatten rollt ihm davon. Er kriecht hinterher. Er ist ihm eine Kopflänge voraus. Er kriecht weiter, stößt einen Stuhl um, der Schatten macht sich aus dem Staub. Er krabbelt schneller. Er leuchtet. Er erzeugt Dunkelheit. Er ist alles und nichts. Er ist das Universum, er ist sein eigener Planet. Er ist aus Sternenstaub er war der Urknall. Einst kroch er aus dem Wasser, er erkundete die Lüfte er war das Ende der Evolution alles vereint in seiner Erbmasse. Er hatte alle Atome dieser Welt geatmet, verstoffwechselt und der Erde zurück zum Leben gegeben. Er war Gott. Er war die Sonne, er war der Mond der Grauheit strahlte. Er war Ebbe und Flut, die Vergangenheit und die Zukunft, die Gegenwart hatte er zerrissen. Er kroch, und flackerte stroboartige Muster in seinen Schatten. Er war eine menschliche Fackel, die Glut der Erde. Er war das Licht. Er flackert. 

 

Als er erwacht, dämmert es. Sein Rücken schmerzt. Er reckt sich, er liegt auf dem Boden vor seiner Couch, nackt. Der Teppich verströmt einen zweifelhaften Geruch. Die Wohnung liegt in Trümmern, der Vorhang weht, leckt heilend über die Zerstörung hinweg. Er reibt sich die Augen, es flackert sternförmig hinter seinen Lidern. 

Und er beginnt sich zu erinnern. 

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Guten Morgen ImWald,

 

und herzlich willkommen in unserer Mitte!

 

Ein interessantes Debüt mit einem Text, der fesselnde und verstörende Bilder evoziert. Bin gespannt auf mehr aus deiner Feder.

 

Neugierige Grüße

Cornelius

 

(Ein paar sinngemäß eingerückte Absätze könnten den Text lesefreundlicher gestalten...)

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