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Eine Trauerfeier


Carlos

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Drei grüne, künstliche Bäumchen,  mehrere Reihen perfekt flackernder  Kerzen, ein Redner, das Ave Maria, gesungen von der Tochter des Verstorbenen. 

Ich saß in der ersten Reihe. 

Zum Abschluss, ein Tango von Astor Piazzolla, der noch nicht fertig war, als ein Bediensteter eintrat und sich vor der weißen Urne verbeugte, dann mit beiden Händen hob und (er war schon ziemlich alt, man merkte, dass er Angst hatte, zu stolpern) vorsichtig sich damit zum Ausgang der Kapelle in Bewegung setzte. Damit verursachte er ein plötzlicher Drang unter den Trauerndern, sobald wie möglich den Raum zu verlassen.

Etwa 20 Leute waren da, es regnete leicht, fast alle hatten einen Regenschirm dabei, blind folgten wir dem Urnenträger und nach kurzer Zeit waren wir am Ziel.

Nach ein paar kurzen Worte des Abschieds traten die Anwesenden, einzeln oder paarweise vor und, mit Hilfe einer kleinen Schaufel ließen sie ein wenig Erde ins Loch rieseln. Einer tat es zwei Mal. 

Ich benutzte die Schaufel nicht: Erde zu Erde. 

Danach versuchte ich, mich der Sopranistin zu nähern, sie um ein Autogramm zu bitten, aber ihr Gatte, ein alter, streng aussehender Herr stand wie ein Leibwächter direkt hinter ihr.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er meine Absicht ahnte. 

Ihr Blick wanderte weitläufig wie der eines Stars über die Menschenmenge.

Es gab keinen Leichenschmaus.

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Lieber Carlos,

 

der Text liest sich eher wie eine nüchterne Berichterstattung und nicht wie der eines Abschiednehmenden. Aber vielleicht ist es Absicht.

 

Das Wort Plastik würde ich vermeiden, es hört sich so billig an. Wie wäre es mit: drei grüne künstliche Bäumchen?

Wie stelle ich mir zitternd (ich würde eher flackernd schreiben) virtuelle Kerzen zu einer Trauerfeier vor, die doch eine reale Begebenheit ist?

Warum schreibst du - eventuell - um ein Autogramm zu bitten, was hättest du sonst von ihr wollen?

 

Solltest es nicht eher - die Menschenmenge - heißen? Es ist ja eine bestimmte Menge an Menschen und nicht irgendeine.

 

 

 

LG Sternwanderer

 

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Herzlichen Dank liebe Sternwanderer für deine wertvolle Bemerkungen, die ich gleich umgesetzt habe. 

Ja, es ist Absicht. 

Ich versuche eine eigene Art des Schreibens zu finden, dem Leser eine Anteilnahme sparen, die er unmöglich haben kann. 

Nochmals vielen vielen Dank.

Liebe Grüße 

Carlos 

 

Lieber JoVo, liebe Donna, vielen Dank für eure Zustimmung.

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Hi  Carlos,

Mir gefällt diese "nüchterne" Beschreibung.Sie spiegelt das wider, was bei Beerdigungen oft passiert:

Eine Reihe von Bekannten, sind nur da, weil es so üblich ist: Innere Beteiligung nahe null.

Hauptsache die Nachbarn haben gesehen dass ich auch da war!

Interessant, dass die betroffene Familie selbst, die Zeremonie (das ist meine Erfahrung) eher als quälend und belastend empfindet. Sie hat eigentlich soviel mit sich selbst und ihrer Trauer zu tun, dass sie sich eigentlich lieber verkriechen möchte.Da ist es dann besser zu einem späteren Zeitpunkt den Kontakt zu suchen, wenn der erste Schock sich gelegt hat.

Die Beschreibung hat so etwas von Kafka.Ich finde deinen Versuch gut gelungen.

 

Liebe Grüße zum Wochenende

 

Tobuma

 

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Hola Carlos!

 

Das ist eine nüchtern beschriebene Szene wie ich sie von dir kenne. Und genau deshalb gefallen mir viele deiner Texte. Du richtest neutral den Blick auf die Szenen die man sonst mit Emotionen verbindet und machst klar: das passiert, so oder so, so ist es, unabhängig davon wie wir es haben wollen und wie wir dazu stehen. So auch hier. 

Weder pessimistisch, noch optimistisch, sondern einfach nur dokumentiert. Oder alles von allem, aber nah distanziert.... schwer zu beschreiben. 

 

Das Leben geht weiter, nehm ich mit. 

LG JC

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Hallo Carlos,
Beerdigungen dienen meist mehr dem Äußerlichen, als der inneren Anteilnahme.
Deine Bilder transportieren das anschaulich, auch wenn ich den Schwenk vom "Sitzen in der Kirche" zum Stehen am Urnengrab etwas zu übergangslos empfand.
Gern Reflektiert und LG
Perry
PS: eine Bedienstete (Angestellte, Trauerbegleiterin etc.)

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