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Kapitel I: Selbst wenn das Persisch flüstert (Aus: Der persische Dichter)


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Kapitel I: Selbst wenn das Persisch flüstert

 

In tiefster Nacht, Berlin, es ruht,

durch Straßen rollt das schwarze Blut,

die Lichter kalt, bedrohlich blitzen,

im Bahnhof sich die Armen ritzen.

 

Sie sitzen da, der Stoff macht taub,

umgrenzt von Dreck und dichtem Staub,

in Decken sie sich trüblich legen,

die Glieder könn‘ sie nicht bewegen.

 

Manch‘ einer liegt mit barem Haupt

und zynisch durch die Nase schnaubt,

es wirkt das Taș gestreckt mit Eisen,

die Augen sie schlicht umkreisen.

 

Sie machen sich den Gang zu eigen,

ohne Anwert bloß zu zeigen,

ihre Hunde heuln und plärren

und missachten ihre Herren.

 

Körper derben, Gangräne schmücken,

die Nekrosen säumen, Schmerzen drücken,

die Haare wirr, teilweis‘ entfallen,

Fingernägel schwarz, sie gleichen Krallen.

 

Doch in einer der verkomm‘nen Ecken,

sitzt ein Mann, er will verstecken,

in Fingern hält er ein Stück Graphit,

das er über’s Papier still zieht.

 

Es hinterlässt Wort für Wort

und reißt den Dichter sanft hinfort,

so sehr ist er ins Werk verfallen,

dass er nicht bemerkt der andern Prallen.

 

Die Mine kratzt, die Finger schrammen,

seine Zeilen aus tiefstem Herz entstammen,

er blutet einsam mit jedem Reim,

sie geben im Schutz, sie sind sein Heim.

 

Wenn er schläft, ist die Mine verborgen,

man merkt um sie sein rührend‘ Sorgen,

verliert er die Mine, liegt sein Herz in Scherben,

er wäre bereit für diese zu sterben.

 

Er schreibt mit Eifer, seine Kraft ist ‘ne Wucht,

das Dichten ist für ihn eine errettende Bucht,

so schreibt er stundenlang im Saal,

das gibt ihm Hoffnung als wär’s sakral. 

 

Dem Dichter sich ein Mann still nährt

und ihm sacht am Ärmel zerrt,

danach er sich mild verneigt

und ihm dann seine Bitte zeigt.

 

Der Mann Papiere ihm reicht,

der Dichter aber starr erbleicht,

„Sie sind Mert, der Dichter, richtig?

Ich brauche Ihre Hilfe, es ist wichtig.“

 

„Womit kann ich dir frommen?

Wieso bist du zu mir gekommen?“

„Ich suche Sie schon seit Tagen,

ich muss Sie um Hilfe fragen.“

 

„Ich helfe dir, gewiss, mein Kinde,

ich für dich einen Weg jetzt finde,

beachte nicht der andren Grienen,

womit kann ich dir nun dienen?“

 

„Ich weiß Ihre Zeit sehr zu schätzen,

könnten Sie bitte die Papiere übersetzen?

„Ich hörte, Ihr Persisch sei am Prunken,

viele Dichter sind daher ins Trüben versunken.

 

Ich bestahl einen rebellischen Strategen,

diese Papiere müssen Sie achtsam hegen.

Übersetzen Sie und Sie retten Ihr Land,

die Zukunft liegt somit auf Ihrer Hand.“

 

„Ich mach‘ das, du solltest verschwinden,

nicht, dass die Rebellen dich finden,

sie legen dich dann in Ketten,

denn du wolltest den Syrien erretten.

 

Wir treffen uns dann am Halleschen Tor,

morgen, wenn der Mond steigt, empor.

Und wenn leuchtet im Licht das Stahl,

dann bin ich gekommen, mit dem Hilal.“

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