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Schneewittchen Variation

(angeregt durch das Wettbewerbsthema #3/23)

 

Der Jäger verschonte Schneewittchen im Wald,

er ließ es am Leben, doch kalt wurd' ihm bald,

da fand es ein Häuschen, so klein und so fein,

und trat ohne Zögern ins Warme hinein.

 

Hier war alles zwergenhaft winzig und klein

und ordentlich sauber geputzt und sehr rein,

es gab sieben Stühlchen, Gedecke, Servietten

und hinten im Raum sieben niedliche Betten.

 

Es stillte den Durst und aß sich schnell satt

und nahm in der winzigen Wanne ein Bad,

in einem der Bettchen, da schlief es dann ein

und unbemerkt kamen die Zwerge herein.

 

Sie staunten, die sieben, wer das denn wohl sei,

und sahen, dass in ihrem Haus allerlei

benutzt worden war und nun nicht mehr dort stand,

wo vor ihrem Fortgeh'n es sich noch befand.

 

Es war das Schneewittchen, und jeder Zwerg dachte:

'wie schön ist das Mädchen', das langsam erwachte.

Schneewittchen erzählte, wer es so bedroht,

drum suchte es Unterschlupf hier in der Not.

 

Die Zwerge befanden: 'das Mädchen kann bleiben',

doch sollte es kochen und putzen die Scheiben

und alles im Haushalt zum Besten verrichten,

sie würden sich zu seinem Schutz dann verpflichten.

 

Schneewittchen verteilte gerecht seine Gunst,

bei Zwergen durchaus eine schwierige Kunst,

denn misstrauisch einer den andern beäugte,

sobald das Schneewittchen sich zu einem beugte.

 

Der erste Zwerg bot ihm sein Stühlchen zum Sitzen

und kam gleich darauf noch gehörig ins Schwitzen.

Schneewittchen platzierte sich auf seinem Schoß,

da fühlte der Zwerg sich auf einmal ganz groß.

 

Beim zweiten Zwerg durfte vom Teller es essen,

der mochte es, Körper an Körper zu pressen.

Ergriffen von nicht opportunen Gefühlen,

verließ er den Raum, um den Bart sich zu kühlen.

 

Der dritte Zwerg stellte die Gabel bereit

und Zwerg Nummer vier schaute zu voller Neid.

Schneewittchen umschloss das Gerät mit den Lippen,

Zwerg vier schien beinahe vom Stühlchen zu kippen.

 

Der vierte Zwerg reichte den Becher mit Wein,

den er schon geleert hatte fünfmal allein.

Schneewittchen verkostete nippend den Trank,

derweil lag der Zwerg bereits unter der Bank.

 

Der fünfte Zwerg hatte ein Stück noch vom Brot,

das er nun Schneewittchen zu teilen anbot.

Schneewittchen nahm nur einen winzigen Bissen,

das Kauen verfolgte der Zwerg hingerissen.

 

Der sechste Zwerg hatte noch etwas Gemüschen

aus Feldsalat, Gurke und Fleißigem Lieschen,

das gab er Schneewittchen zum Kosten und Naschen

und hoffte, ein Lächeln von ihm zu erhaschen.

 

Der siebente Zwerg schließlich führte Schneewittchen

wie zufällig langsam und Schrittchen für Schrittchen

hin zu seinem Bettchen, wobei er sich dachte,

dass es gern bei ihm seine Nächte verbrachte.

 

Dem bot es jetzt Einhalt, das liebe Schneewittchen,

und sagte sich selber: 'Ich bin doch kein Flittchen!'

Schneewittchen bedankte sich artig bei allen,

es wolle den Zwergen zur Last nicht mehr fallen.

 

Zu aufdringlich waren ihm wirklich die Zwerge,

drum ging es nun fort über weitere Berge.

Im Wald stand ein Turm, den Schneewittchen entdeckte,

und der sein Interesse als Schutzraum erweckte.

 

Dem Turm fehlten Türen und Treppen und Stiegen,

doch halfen Schneewittchen, nach oben zu fliegen

durchs Fenster ins Stübchen, zwölf kräftige Raben.

Dort gab 's Speis' und Trank für ein reichliches Laben.

 

Schneewittchen saß fest, kam nicht raus aus dem Turm,

hinein kam vom Waldboden nicht mal ein Wurm.

Wenn jemand den Turm sah, dann rief er hinauf:

"Hallo, ist da einer, wie komm ich da rauf?"

 

Schneewittchen verhielt sich dann lieber ganz still

und dachte: 'Wer weiß, was wohl der von mir will.'

Es merkte, sehr schnell wuchs in kaum einem Jahr

so lang wie der Turm hoch ihr pechschwarzes Haar.

 

Und bald war Schneewittchen die Einsamkeit leid,

es sehnte sich nach einem Mann, der es freit.

Ein Königssohn sollte es mindestens sein,

und wenn er noch hübsch ist, dann sagt es nicht nein.

 

Ein solcher tatsächlich am Turmfuß erschien.

Er rief nach Rapunzel und lag auf den Knien.

"Lass runter dein Haar, ich kletter dran rauf!"

Das war nicht Schneewittchens gewünschter Verlauf.

 

"Ich heiße Schneewittchen und seile mich ab,

das ist die Option, welche ich für dich hab."

Es machte das Ende des Haars oben fest

und ließ sich hinunter, verließ so sein Nest.

 

Kaum unten gelandet, so schnitt es - schnipp-schnapp -

die haarige Mähne blitzschnell vom Kopf ab.

Danach korrigierte Schneewittchen sein Kleid

und drehte zum Prinzen sich um: "Bin bereit."

 

Der Prinz war verwirrt, hatte er doch erwartet,

dass er mit Rapunzel ins Liebesglück startet.

Schneewittchen befürchtete seinen Verdruss

und gab ihm ganz schnell einen innigen Kuss.

 

Sein Mund war so kühl, die Verliebtheit erlosch,

denn plötzlich entpuppte er sich als ein Frosch.

Entsetzt schrie Schneewittchen: "Oh, wie gemein!"

und warf den Frosch grob an die Turmwand aus Stein.

 

Da trat eine Hexe gebückt aus dem Wald,

Schneewittchen erkannte sofort die Gestalt

der Stiefmutter; nun war sie alt und verhutzelt,

als hätte sie kürzlich im Ofen gebrutzelt.

 

"Schneewittchen, ich hab dich", so krächzte sie heiser,

"ich bin jetzt zwar alt, aber auch etwas weiser,

ich will dich nicht töten, doch seist du verbannt,

und fahre zur Holle ins Armenhausland.

 

Dort gehe Frau Holle dann ewig zur Hand

und schüttle die Betten, streu Schnee übers Land.

Dein Leben sei Arbeit und Mühsal und Fron,

und niemand wird 's schätzen mit Dank oder Lohn."

 

Und ehe Schneewittchen sich dessen versah,

da trat ihm die Hexe mit Zauberstab nah,

mit 'gehe zur Holle' und Simsalabim

entlud auf Schneewittchen sie all ihren Grimm.

 

Wo eben Schneewittchen noch anmutig stand,

blieb nur etwas Rauch und ein Häufchen von Sand.

Die Hexe begann einen wahnhaften Tanz

sich bohrend ins Erdreich, erst halb und dann ganz.

 

Der Erdboden schloss sich sofort über ihr,

nichts blieb vom Geschehen in diesem Revier,

nur hört mancher heut' noch ihr irres Gelache

aus einer im Walde entspringenden Ache.

 

                                * * *

 

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Hallo @Sternenherz,

es freut mich, dass dir die Mär gefallen hat und du sie (in voller Länge?) gelesen hast. Wenn ich anfange und nicht genau weiß, wo es hingehen soll, dann wird das Werk oft immer länger und es fällt schwer, ein schlüssiges Ende zu finden. Danke für deinen Kommentar.

LG

maerC

 

Hallo @Cornelius,

vielen Dank für deinen Beitrag. Für den Wettbewerb reichte die Zeit nicht wegen der oben genannten Schwierigkeiten, ein Ende zu finden. Ich hatte ja auch schon etwas anderes eingereicht.

LG

maerC

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