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Prinzessin Herbstwimper


Zu einer Zeit, als der Duft des Waldes das Farbenspiel des Lichtes innehatte, lebte
eine zauberhafte Prinzessin. Niemand wusste so genau wie sie hieß. Die Tiere
nannten sie heimlich Blauschwärzchen wegen ihrer langen blauschwarzen Wimpern,
die ihre saphirblauen Augen veredelten.


Für die Prinzessin gab es keinen schöneren Ort auf der Welt als den mystischen
Wald. Die einzige Gefahr dort, im mystischen Wald ging von dem bösen Wolfsrudel
aus, das sich manchmal in tiefschwarzer Nacht eines der Tiere holte. Meist schlief
die Prinzessin im Bau des schlauen Fuchses, manchmal lud sie die weise, alte Kiefer
ein, sich es auf ihren stämmigen Wurzeln bequem zu machen. Damit sie nicht fror,
versammelten sich tausende verspielte Schmetterlinge liebevollwärmend auf ihrem
Körper. Sie war die Wächterin des Waldes. Schön, naturverbunden und klug dazu.
Selbst der tollpatschige Keiler ließ sich von ihren sanften Fingern streicheln. Die
Prinzessin hütete einen Zauber. Dieser verwandelte den Wald in einer
Vollmondnacht, zur Geisterstunde, in einen Zauberwald. Dazu sprach die Prinzessin
selbst den Spruch auf oder aber, man schaute ihr tief in die wunderschönen Augen
und sagte


Herbstwimper, Herbstwimper,
Zeig mir deine Herbstlichter,
Scheine, scheine Vollmondnacht,
In der Stunde Mitternacht zur Königsliebe erwacht.


Der Legende nach würde dieser Zauberspruch eines Tages einer Prinzessin und
einen Prinzen das Leben retten. Im Zauberwald konnten sich Bäume bewegen,
Vögel laufen, Eichhörnchen fliegen und Schmetterlinge schwimmen. Jeder war
jemand anders, verwandelt und verzaubert davon. Die Farben des Waldes wurden
tiefblau vom Vollmond angeleuchtet, der selbst zum Regenborgen wurde, und der
Sternenstaub zeigte sich in abertausenden Glühwürmchen.
Ihr wollt wissen, in was sich die Prinzessin verwandelte? Gewiss doch: Sie wurde zu
dem himbeerroten Brombeerstrauch am Ende der Lichtung, etwas verschlungen und
weit hinter den Moostälern.
In einer Vollmondnacht suchte der Prinz des benachbarten Königreiches Schutz
unter ihr und es war um sie geschehen. Er konnte sie nicht sehen, denn sie war ja
verwandelt in den fruchtigen Himbeerstrauch. Der Prinz pflückte sich ein paar
Himbeeren und das so zärtlich, dass die verwandelte Prinzessin dahinschmolz und
verliebt seinen Worten lauschte:
«Himbeersträuchlein warum muss das Prinzsein so kompliziert sein? Warum soll ich
heiraten, wo ich doch nicht mal verliebt bin? Verrate es keinem, aber ich bin
weggelaufen. Mein Vater, der König, hat zahlreiche Prinzessinnen geladen. Mich
interessiert das alles nicht. Mich würde es vielmehr reizen, Prinzessin Herbstwimper
zu treffen. Deswegen komme ich manchmal hierher und rede mit dir,
Himbeersträuchlein. Es klingt verrückt, aber hier bei dir fühle ich mich ihr näher. Es
ranken so viele Legenden um sie. Warum kann ich sie nicht einfach heiraten?»
Der Himbeerstrauch lachte verlegen auf. Das hörte der Prinz:
«Kannst du etwa sprechen und verstehst mich?»
«Das kann ich, edler Prinz. Dieser Wald ist in dieser Stunde ein besonderer, voller
Zauber.»
Plötzlich kam ein kalter Wind und ein furchtbares Heulen auf. Die Tiere versteckten
sich. Die Wölfe waren auf dem Weg. Der Himbeerstrauch zitterte vor Angst:
«Prinz, du musst sofort fort, die Wölfe kommen.»
Der Prinz sprang auf und wollte zu seinem Pferd rennen. Doch es war zu spät, die
Wölfe zingelten es bereits ein und töteten es. Der Himbeerstrauch konnte vor Angst
um den Prinzen und Trauer um den Tod des Pferdes nicht mehr klar denken. Denn
die verwandelte Prinzessin wusste, dass die Wölfe auch sie töten würden, wenn sie
jetzt ihr wahres Gesicht zeigte und; vor nichts hatte sie ihr Leben lang mehr Angst
gehabt als vor diesen Wölfen. Sie sah den Prinzen, der versuchte, den kleinen
Steilhang an dem steinigen Weg zu erreichen, während sich die Zähne des Wolfes in
Bein und Stiefel gruben. Prinzessin Herbstwimper sprach ihren geheimen
Verwandlungsspruch, hob die Armbrust des Prinzen auf, welche er verloren hatte,
und sah, dass er von allen drei Wölfen eingekreist wurde. Sie zittere vor Angst um
ihn, atmete tief ein und zielte auf den ersten Wolf, der jaulend aufheulte. Den
Moment nutzte der Prinz und versetzte dem zweiten Wolf mit seinem Schwert den
Todesstoß. Die Prinzessin sah den dritten Wolf und warnte:
«Pass auf, er ist hinter dir». Der Prinz war wie versteinert und sah Prinzessin
Herbstwimper an, und diese Sekunde nutze der Wolf zum Angriff und biss den
Prinzen ins Herz. Die Prinzessin schrie markerschütternd auf und spürte den Biss
des vierten Wolfes kaum, der von der linken Seite angriff und ebenfalls in ihr Herz
biss. Prinz und Prinzessin sackten im selben Moment zusammen. Die beiden
lebenden Wölfe dachten, sie hätten gesiegt, doch hatten sie nicht mit dem Mut der
Waldtiere gerechnet und der tiefen Liebe von Prinz und Prinzessin. Die verwandelten
Tiere griffen an und drängten die beiden Wölfe aus dem Wald hinaus. Sie schoben
Prinz und Prinzessin eng zusammen und legten ihre Hände aufeinander. Sie
rätselten verzweifelt, was sie tun könnten. Da erinnerte sich die weise Kiefer an den
Zauberspruch und die romantische Bedeutung, welche er für zwei Liebende haben
könnte. Die geschickten Eulen hielten den beiden Königskindern die Lider geöffnet,
damit sie sich ansahen. Der ganze Zauberwald, selbst die giftige Tollkirsche,
sprachen


Herbstwimper, Herbstwimper,
Zeig mir deine Herbstlichter,
Scheine, scheine Vollmondnacht,
In der Stunde Mitternacht zur Königsliebe erwacht.


Langsam, ganz langsam öffneten Prinz und Prinzessin ihre Augen und versanken
ineinander. Zärtlich streichelte der Prinz ihre Finger und wollte gerade seinen ganzen
Prinzenmut zusammennehmen:
«Prinzessin Herbstwimper, könntest du dir vorstellen...»
Doch er kam gar nicht dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, denn die Prinzessin
verschloss ihm den Mund mit einem märchenhaften Kuss. Der ganze Wald jubelte.
Sie heirateten und regierten fortan zwei Königreiche.
Aber ihr könnt euch sicher denken, wo die beiden um Mitternacht, bei Vollmond sind

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  • Schön 6
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