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Auf dem Verkehrsübungsplatz


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Wir haben noch nicht die Plätze getauscht, da weiß ich schon, dass es heute schwierig wird, und ich meine Geduld bis auf das Letzte ausreizen muss. Ich nehme das Kleine in den Arm und versuche beruhigend auf sie einzuwirken. „Keine Angst, es kann nichts passieren, und wenn doch, wird es ganz sicher nichts sein, was sich nicht wieder beheben lässt. Aller Anfang ist schwer, setze dich nicht unter Druck, das wird schon!“

Ein ängstliches Augenpaar quittiert meine Ansprache. Ich erkenne, dass ich zu ihr durchgedrungen bin, auch wenn ihre Nervosität weiterhin deutlich zu spüren ist. Wir schnallen unsere Gurte ab und tauschen die Plätze. Sie weiß schon genau, was zu tun ist, und stellt in Ruhe ihre Sitzposition und die Spiegel ein, bevor sie das Lenkrad umfasst, als wolle sie es jeden Augenblick aus seiner Halterung reißen.

Ich rüttle sie sanft an ihrem Arm, um ihr anzuzeigen, dass sie verkrampft, und sich lockern soll. Ein leicht gequältes Lächeln wird mir geschenkt, gefolgt von einem tiefen durchatmen. Es kann losgehen. Nein, es könnte losgehen, wenn ihre Unsicherheit sie nicht wieder blockieren würde.

„Gas rechts, Kupplung links, Bremse in der Mitte. Kupplung treten, Gangschaltung prüfen, ob sie im Leerlauf steht, Motor an, ersten Gang einlegen.“ Geht sie noch einmal gebetsmühlenartig und laut murmelnd den Ablauf durch. Ihr Blick durchbohrt mich und ich weiß, dass wenn ich jetzt nicht nicke, wir uns niemals von der Stelle bewegen werden. Also erlöse ich sie von ihren Zweifeln, und versuche mit einer ermutigenden Geste, sie zu motivieren, die Füße in Aktion treten zu lassen.

„Bis wie viel Umdrehungen muss ich zum Anfahren noch mal Gas geben?“
Da ich die Frage bereits erwartet hatte, zeigen meine Finger bereits zwei an, noch bevor sie mich anschaut. „Ah ja, danke, dann wollen wir mal. Kupplung und Gas gleichzeitig und langsam, richtig?“ Ich nicke bestätigend, worauf sie wieder versucht, das Lenkrad aus seiner Halterung zu reißen, bevor sich endlich ihre Füße bewegen.

Wie eine Sänfte rollen wir an und mir fällt ein Stein vom Herzen, als ich das Strahlen in ihrem Gesicht sehe. Ihre Unsicherheit hat sich gerade in Luft aufgelöst, und so kann ich mich entspannt zurücklehnen, um mich auf die nächsten Fünfundfünfzig Minuten im Schritttempo zu freuen.

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Hallo Carlos,
einen ganz herzlichen dank, für deinen schönen Kommentar!

Am 14.6.2020 um 15:42 schrieb Carlos:

genau so solltest du immer schreiben!

Das könnte ich versuchen, aber eigentlich ist es mein Anliegen, die Art und Weise wie ich einen Text gestalte, mit von seinem Inhalt abhängig zu machen.

Am 14.6.2020 um 15:42 schrieb Carlos:

Das ist dein Stil, das bist du.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich einen Stil habe, oder ihn überhaupt haben möchte. Feste Formen liegen mir einfach nicht, und ich fühle mich immer in meiner Kreativität gehemmt, wenn ich mich daran versuche. Das überlasse ich dann lieber denjenigen, die das auch beherrschen.

Ich hoffe, du siehst es mir nach, das ich deiner Empfehlung nicht nachkommen werde, aber ich habe mich wirklich sehr über dein Lob gefreut! Ich darf dir versichern, das ich bestimmt noch einmal etwas in dem Stil bringen werde, aber das könnte dauern.

 

Dankeschön! :smile:
@Nöck@Berthold@Carlos@Gina@Sonnenuntergang

 

grüßend Freiform

 

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Hallo Freiform,

 

bei dieser Erzählung, die mir auf Anhieb zusagte, hatte ich das Gefühl, da schreibst du nicht für das Forum sondern für dich selbst.

Nicht um irgendwelchen Kriterien zu genügen sondern einfach so.

Du hast nicht nach einem "Stil" gesucht und das, gerade das, ist Voraussetzung für einen echten persönlichen Stil.

Liebe Grüße

Carlos

 

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Hallo @Carlos,
die meisten Ideen zu meinen Texten sind spontan. Wenn ich Zeit habe, setze ich sie auch direkt in einem Entwurf um.  Wenn nicht, mache ich mir nur Stichwort Notizen, in der Hoffnung, den Faden später wiederzufinden, was manchmal auch gelingt.

Diesen Text habe ich vor einigen Wochen geschrieben, als meine Nichte mir erzählte, dass sie auf dem Verkehrsübungsplatz war. Die Information hat bereits gereicht, um die Geschichte in meinem Kopf auszufüllen. Während der weiteren Ausarbeitung war ich versucht, noch ein wenig Klamauk oder dramatisches hinzuzufügen, habe mich dann aber dagegen entschieden, und es bei dieser Alltags Erzählung belassen, und versucht, das zwischenmenschliche in den Vordergrund zu stellen.

Ich danke dir ganz herzlich für dein Interesse, und das du dir so viel Zeit für diese Arbeit von mir genommen hast!

Dankeschön! :smile:

 

 

grüßend Freiform

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