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Cornelius

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Alle erstellten Inhalte von Cornelius

  1. Lieber Gummibaum, das sind ja durchaus stich-haltige und sehr differenzierte Gedanken, die sich der Dolch da macht. Möge er nur niemals in falsche Hände geraten! Nachdem du uns bereits das Geschehen in "Der Taucher" aus der Perspektive des güldenen Bechers geschildert hast, freue mich darauf, hoffentlich demnächst in die Gedankenwelt des Apfels aus "Wilhelm Tell" eintauchen zu dürfen. 🍎🏹 Gruß Cornelius
  2. Hallo Wannovius, die nordische Sagenwelt ist nicht meine bevorzugte Spielwiese. An dieser Geschichte finde ich aber die Symbolik ganz hübsch: Der germanische Göttervater muss die Hälfte seiner Sehkraft opfern (immerhin nicht die ganze), um über das Sichtbare hinaus blicken zu können. Hallo Patrick, danke für deine sehr willkommene Wortmeldung. An euch beide (und alle, die eventuell mitlesen): Man wird mir hoffentlich glauben, dass ich mit rechten Ideologien nichts am Hut habe. Beim Schreiben dieses Gedichts ist mir nicht einmal bewusst gewesen, dass man mich auf Grund des gewählten Stoffes mit so etwas in Verbindung bringen könnte. Man kann natürlich niemandem vorschreiben, was man in ein Gedicht hinein- oder aus ihm herauslesen darf oder soll. Ich als Autor erlaube mir freilich die Feststellung, dass jeder, der vom Thema auf Affinitäten zu extremistischem Gedanken"gut" schließen möchte, sich grundlegend irrt. Nichts für ungut.. Grüße Cornelius
  3. Hallo Sermocinor, Danke für deinen Kommentar und das tiefergehende Reflektieren des Geschehens. An dieser etwas weniger bekannten Geschichte aus dem Alten Testament spricht mich besonders das Detail von Ehuds Linkshändigkeit an, die ihm eine Gelegenheit eröffnet, welche nur ihm selbst offensteht: Als Linkshänder trägt er seine Waffe rechts, bei der Einlasskontrolle im Königspalast wird aber routinemäßig die linke Seite in Augenschein genommen, so dass niemand bemerkt, was er im Schilde führt. Und er ist so verwegen, diese für ihn persönlich reservierte Chance zu nutzen. Problematisch an solchen Geschichten von Tyrannenmorden bleibt immer, dass sie den Eindruck erwecken, mit der Beseitigung eines einzelnen Oberschurken sei gleich die Wurzel des Übels ausgerissen und das ganze Problem gelöst. Für einen Übeltäter rückt sehr wahrscheinlich ein womöglich noch schlimmerer nach... Und Gewalt erzeugt immer Gegengewalt, kann also keine Lösung sein. Im Krieg gibt es immer auf beiden Seiten sowohl Täter als auch Opfer (und nicht wenige vom Krieg betroffene Menschen sind beides zugleich). Die Frage, wer oder was den Konflikt ausgelöst hat, rückt dabei immer weiter in den Hintergrund. Wenn die Spirale der Gewalt einmal ihren Anfang genommen hat, gibt es niemanden mehr, der im Recht ist, weil jeder, der einen Konflikt mit Gewalt zu lösen versucht, sich ins Unrecht setzt. Auch diese Lehre will die Bibel vermitteln - was in der vorliegenden Geschichte freilich nicht zum Tragen kommt, denn hier geht es um etwas Anderes: Es ist Gott selbst, der Richter Ehud als Werkzeug benutzt, um die Unterdrücker wieder abzusetzen, denen er jahrzehntelang gestattet hat, das von ihm auserwählte Volk Israel als Strafe für dessen Ungehorsam zu knechten. Man sollte bei der Lektüre solcher Erzählungen immer darauf bedacht sein, ob und inwiefern sie symbolisch zu verstehen sind und sich nicht dazu aufgerufen fühlen, das angeführte Beispiel Eins zu Eins nachzuahmen. Friedliebende Grüße Cornelius
  4. Hallo Perry, Danke fürs aufmerksame Lesen. Meinerseits möchte ich anmerken: "Schröpfen" kann, ebenso wie "zur Ader lassen", auch in übertragenem Sinne ("ausbeuten") gebraucht werden. "Rote Soße" ist sicher geflossen, aber auch "braune Masse". In der King James Bible heißt es in Judges 3:22 am Schluss des Verses: "and the dirt came out". Auch in Luthers Übersetzung heißt es ursprünglich (Erstdruck von 1534) über Eglons Exitus, "das der mist von im gieng" (so die originale Orthographie). In heutigen Lutherbibeln und auch in der katholischen Einheitsübersetzung sind die letzten Worte von Richter 3:22 schlicht und einfach weggelassen. Nicht, dass ich dieses Detail für wahnsinnig bedeutsam hielte, aber interessant finde ich es schon, wie drastisch und lebensnah (auch und gerade im Angesicht des Todes vieler ihrer Protagonisten) die Heilige Schrift oft ist... Meinen heißen Dank allen Likern und Kommentatoren! Gruß Cornelius
  5. Cornelius

    Radeln

    Hallo Windo, das könnte ich in Endlosschleife lesen! Unverfroren, aber witzig und gut gereimt. Strophe 5 gefällt mir besonders. Ich wünschte ja, jene Radfahrer, die Fußgänger als Freiwild betrachten und behandeln (mithin die Mehrheit der Velozipedisten), würden sich wenigstens durch Klingeln bemerkbar machen statt sich einfach an der engsten möglichen Wegstelle laut- und humorlos vorbeizuquetschen... Schmunzelnde Grüße Cornelius
  6. (nach Richter 3:12-30) I Einst im Lande Kanaan brach sich dumpfes Klagen Bahn, als die Kinder Abrahams seufzten voll des tiefsten Grams. Israel hat ganz vermessen seinen wahren Gott vergessen, lange Jahre unentschuldigt Ischtar und dem Baal gehuldigt. Darum hat der HERR ihr Leben dort in fremde Hand gegeben. König Eglon auf dem Thron hält das Volk in schwerer Fron, das durch heißen Wüstensand einzog ins gelobte Land. Milch und Honig sieht man fließen, aber niemand darfs genießen. Wer aus diesen Quellen schöpft, wird erbarmungslos geschröpft, und im schönsten Überfluss lauern Kummer und Verdruss. Überdrüssig seiner Plagen, will das Volk nun etwas wagen. Zu beenden solche Qual, fiel die jüngste Richterwahl just auf Ehud, einen Spund, aus geheimem, guten Grund. Nur den Seinen ist bekannt, dass er stets mit linker Hand seinen Kelch zum Munde führt und der Schuhe Riemen schnürt. Unter heißen Racheschwüren lässt er sich zum Richter küren, und erfüllt von frommem Zorn blickt er mutig nur nach vorn. Wo er geht und wo er steht, fließt es ein in sein Gebet: "König, stopfe deinen Wanst noch, solange du es kannst! Räkle dich auf deinem Thron! Bald bekommst du deinen Lohn!" II Unter Tränen, Schweiß und Blut zollt dem König man Tribut. Dieser wird als große Fracht einmal jährlich überbracht, nach gewohnter Vorbereitung heuer unter Ehuds Leitung. Als die Wache ihn betrachtet und für waffenlos erachtet, darf der Tross mit seinen Gaben in den großen Prunksaal traben. Kaum ist alles abgeladen, da spricht Ehud: "Euer Gnaden wohlbestallter Haushofmeister! Vor euch steht ein weitgereister Mann, der außer diesen Dingen weiß noch mehr zu überbringen. Nicht nur Gaben - nein, auch Worte trage ich an eure Pforte. Freilich darf ich meinen schlichten Text nur an den König richten." Der Gesandte wird geführt, ohne dass man Argwohn spürt, zu des Königs Sommergarten. Hier, wo Vögel aller Arten munter ihre Lieder singen und im Teich die Fische springen, schlanke Dattelpalmen stehen und die linden Lüfte wehen, wird der Bote ohne Bangen von dem Hausherrn gleich empfangen. Ehud spricht mit Unschuldsmiene in der schönen Lustkantine: "König Eglon lebe lang unter Festmahl und Gesang! Und vergib, dass um halb Viere ich dich hier inkommodiere..." Eglon wuchtet aus dem Pfühl seinen Leib und kontert kühl: "Kamst du schon, um mich zu stören, will ich gleich die Botschaft hören." Würzig weht der sanfte Hauch, als in Eglons Wohlstandsbauch plötzlich eine Waffe steckt, die bis eben unentdeckt. Ihre scharf gewetzte Schneide drang so tief ins Eingeweide, dass sie (was sich selten findet) bis zum Heft im Speck verschwindet. Reich ergießt sich braune Masse auf die schöne Dachterrasse. III Als darauf des Königs Wachen kommen, um Rapport zu machen, finden sie die Tür verschlossen. Doch man wartet unverdrossen, lässt sich die Geduld nicht rauben in dem festen, treuen Glauben: Unser löblicher Regent, dessen Appetit man kennt, widmet seine besten Kräfte einem dringenden Geschäfte. Meist gelingt ihm dieses prächtig, doch die Ruhe klingt verdächtig. Die Verzögerung wird peinlich und man zaudert nicht mehr kleinlich, in des Königs heilgen Hallen mit der Tür ins Haus zu fallen. Als im Schloss der Schlüssel knarzt, schwant dem Leib- und Magenarzt und den beiden Sanitätern: Eglon liegt bei seinen Vätern. Wer soll künftig zwangsvermählen und die Untertanen quälen? Während man sich ganz verzagt dieses und noch Andres fragt, ist der Täter längst entsprungen, gleich nachdem die Tat gelungen. Er hält kurz bei Gilgal inne, trinkt aus einer Wasserrinne, um daraus die Kraft zu schöpfen, rasch ein Götzenbild zu köpfen. Mit verheißungsvollem Klang schallt von hohem Bergeshang laut die bronzene Posaune: "Höre, Israel, und staune! Unsrer Feinde Leib und Leben sind in unsre Hand gegeben. Lasst uns, um das Joch zu enden, alle übern Jordan senden. Darum folgt hier meinem Schwert. Schwingt euch nun geschwind zu Pferd!" Noch im selben Abendrot sind zehntausend Krieger tot, doch kein einziger Hebräer, kein Soldat und auch kein Späher. Israel sind neu beschieden achtzig Jahre Ruh und Frieden, bis man endlich ganz vergisst, wer der Herr des Friedens ist. Wird man daraus etwas lernen? Das steht freilich in den Sternen...
  7. Guten Morgen lieber Waldwanderer, möchte dich zu fast jedem Wort in diesem Gedicht (das ich gerne selbst geschrieben hätte) beglückwünschen, nur mit den "seichten" Wolken mag ich mich wie mein Vorredner nicht so ganz anfreunden. "Seichten" ist wohl origineller als das naheliegendere "leichten", aber semantisch erzeugt es an dieser Stelle einen leichten Knacks. Der natürlich auch gewollt sein könnte... Das "grün belaubte Waldorchester" und die "späten Rehe hinterm Knick" haben mich sofort gefangen genommen. Das ganze Gedicht singt und klingt. Nur eben an der Stelle mit den Wolkenschwaden ist ein Fis, wo eventuell eher ein F hingehörte... Gruß Cornelius
  8. Cornelius

    Low Budget

    Hallo @Stavanger Wie wäre es mit einem Kranich? Schmunzelnde Grüße Cornelius
  9. Frühmorgens, wenn die Nebel wallen, zieht Odin aus der Götter Hallen. Die Weltenesche Yggdrasil ist heute sein Etappenziel. Man hört nur selten von Besuchern, wo ihre wilden Wurzeln wuchern, am kühlen Born, wo Tag und Nacht der ranke Riese Mimir wacht. Aus trüben, schweren Schwaden löst - er siehts genau, wiewohl er döst - sich da ein Schemen, des Statur von mehr als menschlicher Natur. "Wer bist du, fremder Wanderer? Sidgrani und kein Anderer, so dünkt mir, streift in diese Auen, ins Riesenantlitz mir zu schauen." "Das hast du, Mimir, wohl erraten. Trotz aller meiner Heldentaten bin ich als Gott noch unvollkommen: Die Zukunft sehe ich verschwommen. Ich muss doch wissen, was sie bringt, verstehen, was die Norne singt. Gewähre mir von deinem Trank, dann gilt dir höchster Götterdank." "Die Bitte, die dein Busen nährt, sie sei dir herzlich gern gewährt! Doch heischt der Brauch, der hier zu pflegen, zuvor ein Pfand zu hinterlegen. Entbehre eines deiner Augen, das wird zum hehren Zwecke taugen. Dann darfst du wie aus Suppentöpfen die Weisheit aus der Quelle schöpfen." "Der Preis ist wahrlich nicht sehr billig, doch bin ich ihn zu zahlen willig. Ich gebe gern, was wohlbehütet, zu sehen, was das Schicksal brütet." Der Raben schauriges Gegröle ertönt, als aus der Augenhöhle der Gott, am Ufersaum gebückt, beherzt den teuren Apfel pflückt. Schon schwimmt er, dem Kristalle gleich, verborgen im geweihten Teich. Der Durstgeplagte schöpft den Trank, dann spricht er: "Dir, dem Hüter, Dank! Nun darf ich wahrlich wissend wandern von einem Pol der Welt zum andern und geh im Wagner-Festspielhaus mit Augenklappe ein und aus."
  10. Hallo Delf, liest sich süffig, aber im letzten Drittel geht es etwas zu sehr ins Name-Dropping über. Da wäre Weniger eventuell Mehr gewesen. Die ersten Strophen gefallen mir aber ausnehmend in Stimmung und Wortwahl. Vom Thema angeregt, werde ich jetzt gleich ein Gedicht aus meinem Fundus fischen, das sich auch mit der nordischen Sagenwelt beschäftigt. Und du bist schuld daran. Runengruß Cornelius
  11. Cornelius

    Vegan!

    Hallo Delf (und Uwe), es gibt durchaus Reime auf "Käse". Ohne Reimlexikon fallen mir spontan zum Beispiel "Fräse", "Gebläse", "Chaise", "Marseillaise" oder "Mayonnaise" ein. Letztere würde sogar zum kulinarischen Kontext passen...fehlt nur noch der Zusamenhang... Gruß Cornelius
  12. Hallo Wannovius, das Konzept eines Lyrischen Ichs ist zwar allgemein verbreitet (und nicht nur eine "Sitte" hier im Forum), aber es ist durchaus nicht unumstritten. Was du immer im Auge behalten solltest: Das "Ich", das in einem Gedicht spricht, ist nicht automatisch mit dem Verfasser desselben gleichzusetzen. Das bedeutet, dass du dich als Autor in gewisser Weise hinter dem LI (so die gebräuchliche Abkürzung) verstecken und es quasi wie eine Marionette für dich sprechen lassen kannst. Es gibt dir auch die Möglichkeit, in Rollen zu schlüpfen und das LI Dinge sagen zu lassen, die dein reales, "prosaisches" Ich nicht auszusprechen wagte. Es wird viel darüber diskutiert, wie weit diese Freiheit der Kunst gehen darf. Wo genau die Grenze liegt, kann man nicht sagen. Wenn das LI allerdings polemische Parolen in eindeutig beleidigender oder verhetzender Absicht äußert, ist die erwähnte Grenze überschritten. Da wird es auch der Autor schwer haben, sich aus der Verantwortung zu stehlen. So weit wirst du aber gewiss nicht gehen wollen. Wäre interessant, hier noch weitere Meinungen zum Thema zu lesen... Lyrische Grüße nach China Cornelius
  13. Cornelius

    Vegan!

    Hallo Delf, köstlich! Die Lautverschiebung von ü über ö (eu) zu ä ist in der Tat recht apart. Man könnte natürlich auch nach perfekt gleichklingenden Reimwörtern suchen, wenn du magst - muss aber nicht... Darf ich mich zur nächsten veganen Hackfleischlasagne einladen? Gruß Cornelius
  14. Hallo Uwe, gut, dass auch dieses Mal den obligatorischen eingebauten Tippfehler bemerkt hast... 😁Lies das Gedicht lieber nicht zu genau... Danke und Gruß Cornelius
  15. Hallo Delf, danke für dein Lob... auf der Theater- bzw. Opernbühne (in der Bibel selbst bleibt Salome ja am Leben; die historische Salome, um die es sich vermutlich handelt, wurde später sogar Königin von Klein-Armenien im heutigen Anatolien) lässt Herodes seine Stieftochter (die er kurz zuvor noch selbst begehrt hat) vermutlich aus Abscheu töten, nachdem er gesehen hat, wie sie die Lippen des Toten küsste. Wer weiß, was ihr noch alles einfiele...? Wenn man insbesondere die Oper von Strauss mit ihrer ebenso opulenten wie hypernervösen Musik durchlebt und durchlitten hat, scheint dieser Abschluss des Geschehens unmittelbar zwingend. Wenn du Opern magst, unbedingt die Schlussszene (ungefähr ab "Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan") mal anhören. Herzlichen Dank für dein Interesse und deine Worte! Cornelius
  16. I Mancher Mensch ist, kaum geboren, zum Propheten auserkoren, manchen trifft erst spät dies Los. So auch jenen, welcher bloß Sohn sich nannte seines Vaters. Dann, im Rund des Welttheaters, stolpert er ins Rampenlicht, als Jehova zu ihm spricht: "Jona, nimm dein Haupt vom Tresen! Du, mein Knecht, bist auserlesen, einem Volk von Bösewichten eine Botschaft auszurichten. Schnür dein Bündel und dann geh graden Wegs nach Ninive. Den Bewohnern dort verkünde: 'Lange lebt ihr schon in Sünde. Länger dulde ich dies nicht. Fällig ist mein Strafgericht. Mögt ihr noch so heftig klagen: Nach Verlauf von vierzig Tagen mache ich mit einem Streich euch dem Wüstenboden gleich.' Geh nun und verkünde dort diese Botschaft Wort für Wort, und nach guter Boten Weise mach dich zügig auf die Reise! Dann begleitet dich mein Segen treu auf allen deinen Wegen." Jona fühlt sich nicht berauscht, als er diesem Wort gelauscht, und er räsoniert gequält: "Warum hat er mich gewählt? Besser hole doch ein andrer ihm genehmer Erdenwandrer aus dem Feuer die Kastanien. Lieber reise ich nach Spanien!*" (*Laut Jona 1,3 nahm der Prophet ein Schiff nach Tarsis [auch: Tarschisch], das antike Tartessos an der südlichen Atlantikküste Spaniens.) Um nun wieder sanft zu schlafen, fragt er gleich im nächsten Hafen: "Will ein Seemann sich bequemen, mich als Fahrgast aufzunehmen?" Mit dem Geld, das er gespart, zahlt er seine Überfahrt, und mit heiterem Gemüte legt er sich in die Kajüte. Auf dem blauen Ozean zieht der Frachter seine Bahn, als ein Sturmwind sich erhebt, dass des Seemanns Herz erbebt. Alles ist an Deck versammelt, während man Gebete stammelt. Aber Baal und Melkart schweigen, wollen sich nicht gnädig zeigen. Der Matrosen banger Chor findet kein geneigtes Ohr in dem weiten Himmel droben, während wild die Wellen toben. Jona wird im Bett entdeckt, unsanft aus dem Schlaf geweckt: "Wie kannst du hier schlafen, Mann? Rufe deine Gottheit an!" Jona tut, wie ihm geheißen, als die ersten Stricke reißen. Lotse, Steuermann und Maat wissen nur noch einen Rat: "Himmel, hilf! Wir müssen losen. Wer trägt Schuld an diesem Tosen?" Jona zieht das kurze Los. Die Verwunderung ist groß. Da die Blicke ihn durchbohren, spricht er: "Ich bin auserkoren, Gottes Wort zu überbringen, wollte fliehend ihm entspringen. Mich allein nahm er aufs Korn. Gegen mich nur rast sein Zorn. Brecht nur meinen Wanderstab, werft mich in mein nasses Grab!" Dieser flehentlichen Bitte wird nach guter Seemanssitte unverzüglich stattgegeben. Um zu retten Leib und Leben, werfen sie auf dessen Wort den Propheten über Bord. Dieser ist kaum eingetaucht, als des Meeres Zorn verraucht. Nur ein lauer Westwind säuselt, der den blanken Spiegel kräuselt. Jona kann sich nicht mehr regen, sinkt dem Meeresgrund entgegen. Er gewahrt mit letzter Kraft im Gewoge schemenhaft eines Walhais Silhouette, welchen Gott, dass er ihn rette aus des nassen Todes Hand, unverzüglich ausgesandt. Herzhaft gähnt der Retter und strudelt ihn in seinen Schlund. Zwischen dieses Tieres Rippen fließt es nun von Jonas Lippen: "Dank sei Dir, o Herr des Himmels und des lebenden Gewimmels! O wie tief war ich gesunken, wäre um ein Haar ertrunken, läge nun zu dieser Stunde auf des Meeres schwarzem Grunde, wo die Berge Wurzeln schlagen schon seit frühen Erdentagen. Mich umwanden Algensträhnen und ich weinte Reuetränen, die sich mit den Wogen mischten, welche schäumend mich umzischten. Doch du hast mich sanft errettet, in des Fisches Schlund gebettet, mir zum Reisen ein Gefährt wunderlicher Art gewährt." Dann entlässt das Meerestier seinen blinden Passagier, speit ihn aus in hohem Bogen und verschwindet in den Wogen. Nach geglückter weicher Landung rauscht es dunkel in der Brandung: "Ende des Versteckens Spiel! Ninive sei nun dein Ziel. Bring die Kunde von dem Fluch - und kein zweiter Fluchtversuch!" Kaum ist Jona wieder trocken, wendet er sich unerschrocken, ohne sich noch umzusehen, endlich seinen Weg zu gehen. II Vor ihm liegt sie nun, die hohle, gleißend schöne Metropole. Siebzig Stunden muss man wandern von dem einen Tor zum andern, und es finden sich hier Spuren der verschiedensten Kulturen. Durch der bunten Menschenmenge recht divers durchmischte Enge lenkt nun Jona seine Schritte zögerlich zur Marktplatzmitte, wo der auferlegten Predigt er sich wortgetreu entledigt: "Hört, ihr Leute, was ich künde: Lange lebt ihr schon in Sünde! Euer strenger Schöpfer spricht: 'Länger dulde ich dies nicht. Mögt ihr noch so heftig klagen: Nach Verlauf von vierzig Tagen mache ich mit einem Streich euch dem Wüstenboden gleich.'" Und so redet er beherzt, bis ihn seine Kehle schmerzt. Plötzlich rastet jeder Karren. Jeder Schritt scheint zu erstarren. Statt sich übers Ohr zu hauen, streuen Männer und auch Frauen Asche aufs entblößte Haupt. Aller Fröhlichkeit beraubt, knien sie auf der Erde nieder. Laut ertönen Klagelieder. Selbst der König, sonst recht eitel, nimmt das Diadem vom Scheitel, tauscht den feinen Purpurrock gegen Sack und Knotenstock, lebt vor seinem Volk asketisch ohne jeden Wohlstandsfetisch. Frauen, Männer, Greise, Kinder, selbst die schlimmsten Leuteschinder fasten vierzig Tage lang, um den nahen Untergang mit Gebet und milden Spenden doch noch einmal abzuwenden. Auch Jehova sieht die Reue. Nun bedenkt er sich aufs Neue. Jene Stadt bleibt ungeschoren, der Vernichtung er geschworen. Einzig Jona ist betrübt, dass der Richter Gnade übt, und er seufzt aus tiefster Brust: "Dieses hab ich gleich gewusst! Denn zu groß ist Deine Huld, nie verlierst Du die Geduld. Aber sag mir, welche Rolle ich im Stücke spielen solle. Darf ich denn Prophet mich nennen, wenn mein Irrtum zu erkennen?" Sprichts, und stumm und ungewollt sitzt er vor der Stadt und schmollt. Doch Jehova denkt erneut, wie er seinen Knecht erfreut. Als es dunkelt in den Dünen, fängt es ringsum an zu grünen. Schneller, als das Auge schaut, sprießt empor ein frisches Kraut. Anderntags am selben Ort ist die Staude schon verdorrt, denn ein Würmchen durfte wagen, ihre Wurzeln anzunagen. Jona wird am Morgen wach unter dem verwelkten Dach. In der Wüstensonnenglut wachsen in ihm Schmerz und Wut, und es bricht aus ihm hervor: "Leih, Jehova, mir dein Ohr! Nimm von mir des Lebens Last, denn es ist mir tief verhasst!" Doch Jehova spendet Trost: "Warum bist du so erbost? Schafft dir solcherart Verdruss dieser schlaffe Rizinus, dessen Schatten du genossest, ohne dass du ihn begossest? Ich nun sollte nicht bedauern diese Stadt, in deren Mauern Hundertzwanzigtausend wohnen, die ich wünschte zu verschonen? Gestern konnten diese Heiden rechts und links nicht unterscheiden. Du hast deinen Teil gegeben dazu, dass sie heute leben. Fröhlich wende dich nun heim. Mach dir deinen eignen Reim, schreibe die Geschichte nieder, dass man künftig immer wieder sie studiere und draus lerne: Reuigen verzeih ich gerne."
  17. Hallo Seeadler (und Uwe), wenn du "fremden" groß schriebest, wäre "eines Fremden Geist" der Geist eines Fremden. Ist es so zu verstehen? Der Aussage stimme ich unter Vorbehalt zu. Es wird zu viel geistiger Sondermüll zwischen Buchdeckel gepresst, aber nicht zu lesen macht auch nicht schlauer. Auf die Auswahl der Lektüre kommt es an - und darauf, den eigenen Geist von guten Vorbildern formen zu lassen. Und bitte glaub nicht alles, was du denkst! 😉 Gruß Cornelius
  18. Lieber Sid, wunderschön in Sprache übertragen, der Vorlage ebenbürtig. Gerade ist ja ein wiederentdeckter Klimt für 30 Millionen (in welcher Währung, habe ich vergessen) versteigert worden. Wie werden denn deine Wortgemälde gehandelt?
  19. Schön getextet, lieber Herbert. Die "Ritzen der Zeit" beschäftigen meine Phantasie. Das klingt fast, als wüsstest du, wo sich das nächste Wurmloch befindet... 🪱🕳️ Gruß Cornelius
  20. Schließe mich gerne an...und freue mich auf "Vögel II" Gruß C.
  21. Cornelius

    Der gordische Knoten

    (aus dem Fundus) Grimmig spricht Gordios, König der Phryger: "Würden die Menschen doch endlich mal klüger, denen es Feuer im Busen entzündet, was das verwünschte Orakel verkündet: 'Wer hier den Mut hat sowie das Geschick, um zu entwirren den kniffligen Strick, welcher verknüpft dieses Joch mit der Deichsel - komm' er vom Tiber, vom Rhein, von der Weichsel -, dem soll als Herrscher ganz Asien gehören, treuen Gehorsam soll jeder ihm schwören. Nicht mit Gewalt sei gelöst dieser Knoten!' So hat es jenes Orakel geboten. Lange schon zähle ich nicht mehr die Namen aller Bewerber, die hoffnungsvoll kamen. Keinem, der restlos sein Hirnschmalz verbrauchte und sich zuletzt nur die Finger verstauchte, wollte das seltene Kunststück gelingen, dieses Stück Bast mit der Hand zu bezwingen. Viele schon mussten sich ruhmlos entfernen und das Versagen bei Gordios lernen. Sieh doch, da naht, die Sandalen voll Sand, auch schon ein weiterer Glücksaspirant. Wollen mal schauen, wie der sich so schlägt, ob er das Ding um ein Jota bewegt." Jener grüßt freundlich, besieht sich die Sache, geht um den Wagen (fast scheint er vom Fache), strafft seine Schultern und geht in die Hocke, streicht aus der Stirn eine störende Locke, zieht aus der Deichsel den eisernen Stift - und elegant ist die Klippe umschifft. Nur noch ein Ruckeln, schon hat er am End Deichsel und Joch voneinander getrennt, neigt sich recht höflich, spricht: "Bitte recht sehr! War das Manöver denn wirklich so schwer? Bester, wir trinken ein Glas miteinander! Nennt mich den Großen. Für dich: Alexander."
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