Zum Inhalt springen

Empfohlene Beiträge

I

 

Auf des Landes höchstem Hügel

wartet mit verhängtem Zügel,

aufgestellt bei Tag und Nacht,

der Philister Heeresmacht.

 

Vis à vis im Eichengrunde

sammelt Israel die Runde

seiner allerbesten Streiter,

doch bedrückt sind Ross und Reiter.

 

Täglich tritt mit festem Schritte

aus der stolzen Feinde Mitte

polternd ein erzürnter Hüne

schwer gepanzert auf die Bühne.

 

Selbst dem jungen Morgen graut,

wird des Riesen Rede laut:

"Hört, ihr traurigen Gestalten,

und vernehmt des Schicksals Walten!

 

Wirft mich einer in den Staub,

nur den Geiern noch zum Raub,

soll er unser Land regieren,

darf sein Haupt die Krone zieren.

 

Wird er diesen Zweikampf wagen

und vor meiner Kraft versagen,

ist er füglich mit euch allen

meinem Volk als Knecht verfallen.

 

Wer von euch ist so verwegen,

sich mit Goliath anzulegen?"

Diese schicksalhafte Frage

wiederholt er alle Tage.

 

Schon der Anblick seiner Waffen

und sein unbeherrschtes Blaffen

bringen jedes Kind zum Weinen,

sieht man diesen Mann erscheinen.

 

II

 

Eines Tages stößt zum Tross

David, Isais jüngster Spross.

Einen Schinken, zart und mager,

liefert er ins Heereslager,

 

denn es werden seine Brüder

nun mit jedem Tage müder.

Außerdem ein Brot mit Kümmel,

um sich vor dem Kampfgetümmel

 

noch ein wenig zu erlaben

an des Vaters guten Gaben.

Vor des Feindes Blick verborgen,

sehn sie, wie auch heute morgen

 

Goliath sich in Stellung bringt,

die gewohnte Rede schwingt.

David hat gut zugehört

und ist gar nicht sehr verstört.

 

Eifrig denkt er drüber nach,

was der Riese eben sprach.

Auch verheimlicht man ihm nicht,

das, was König Saul verspricht:

 

Wer den Feind besiegen kann,

wird sogleich zum reichen Mann.

Mit Prinzessin Michals Hand

winkt ihm noch das halbe Land.

 

David läuft zum Königszelt

und bewirbt sich dort als Held:

"Höre mich, o großer König!

Gelte ich vor dir auch wenig,

 

nimm doch meine Bitte an:

Stellen will ich mich dem Mann

drüben auf dem grünen Hügel,

denn mein Mut verleiht mir Flügel."

 

Auf dies Wort fällt König Saul

um ein Haar von seinem Gaul:

"Sage mir, verwegner Knabe,

ob ich recht verstanden habe.

 

Bist du wirklich drauf versessen,

dich in solchem Streit zu messen?

Deine Wangen deckt doch kaum

deines Bartes erster Flaum..."

 

"König, wenn es dich auch wundert:

Einer schreckt mich nicht, noch hundert.

Diese kleine Schleuder hier

trag ich Schritt für Schritt bei mir.

 

Konnte vor des Raubtiers Wüten

meine Schafe sie behüten,

wird es ihr dann nicht gelingen,

einen Menschen zu bezwingen?

 

Jener Riese ist ja bloß

auch ein Mensch - wiewohl recht groß."

Bangt er auch um Davids Leben -

Saul bleibt nichts, als nachzugeben

 

und, obschon mit flauem Magen,

ihm zum Abschied noch zu sagen:

"Wer erfüllt des Himmels Walten,

der ist niemals aufzuhalten.

 

In dem Streite dich zu schützen,

wird dir meine Rüstung nützen."

Um den Herrscher nicht zu grämen,

muss sich David nun bequemen,

 

in das Panzerkleid zu schlüpfen,

doch er kann in ihm kaum hüpfen,

nicht einmal drei Schritte gehen,

höchstens unbeweglich stehen.

 

Also schält er sich heraus,

und zu seines Königs Graus

eilt er in ziviler Kleidung

zur finalen Schlachtentscheidung.

 

III

 

An des Baches Silberquell

sammelt er fünf Kiesel schnell,

lässt sie in den Beutel gleiten,

sich zum Kampfe zu bereiten.

 

Goliath gießt, bereits im Trott,

auf den Gegner seinen Spott:

"Mama weint gar viele Tränchen

über dich, du halbes Hähnchen!"

 

David, still und konzentriert,

hat die Schleuder rasch justiert,

schickt dann auf bewährte Weise

einen Kiesel auf die Reise.

 

Goliath sieht, nur leicht verwirrt,

was ihm da entgegen schwirrt.

Das Geschoss durchschlägt die Stirn, 

dringt dem Riesen bis ins Hirn.

 

Diese ungewohnte Schwere

in der sonst gefühlten Leere

bringt ihn aus dem Gleichgewicht,

und er fällt aufs Angesicht.

 

Des gestürzten Gegners Schwert

wird von David nun begehrt.

Dessen Klinge ist nicht stumpf,

separiert das Haupt vom Rumpf.

 

Samt dem Kiesel, der dort steckt,

wird es stolz emporgereckt.

Kluger Kopf kann Vieles wenden.

Kraft steckt nicht nur in den Lenden...

  • Gefällt mir 3
  • Schön 3
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • Antworten 1
  • Erstellt
  • Letzter Kommentar

aktivste Mitglieder in diesem Thema

Beliebte Tage

Hi Cornelius 

 

Wunderbar Verdichtet. Als wäre man dabei. Mit einer feinen (zugegebenermaßen nahe liegenden) moral. Letztens traf ich in Sa Clastra in Es Capdellà einen netten Typen der sich beim dritten Glas Amarone als ein ziemlich arrivierter Programmierer.bei Meta outete. Während ich ihm irgendwann ein Bild von der Schleiertänzerin zeynep aus Köln bayenthal zeigte zeigte er mir die Gehaltstabelle von e1 bis e8 aus Menlo Park. In diesem Sinne: auf das Gleichgewicht

 

Mes compliments 

 

Dio

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Du möchtest dich an der Unterhaltung beteiligen?

Du kannst direkt mit in die Diskussion einsteigen und einen Beitrag schreiben. Anschließend kannst du ein eigenes Autoren-Konto erstellen. Wenn du schon ein Autoren-Konto hast, Logge dich ein um mit deinem Konto an der Diskussion teilzunehmen.

Gast
Schreibe hier deinen Kommentar ...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung wiederherstellen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.


×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Community-Regeln
Datenschutzerklärung
Nutzungsbedingungen
Wir haben Cookies auf deinem Gerät platziert, um die Bedienung dieser Website zu verbessern. Du kannst deine Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass du damit einverstanden bist.