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Schmuddelkind

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Alle erstellten Inhalte von Schmuddelkind

  1. Lese leider jetzt erst, dass du nicht mehr hier schreiben möchtest, lieber gummibaum. Zwar kenne ich deine Gründe dafür nicht, aber natürlich respektiere ich deinen Entschluss, auch wenn es mich wirklich sehr traurig macht, weil ich dich als Schriftsteller und v.a. als Mensch sehr schätze. Ist echt traurig, dass wir uns hier nicht mehr sehen. Dann will ich wenigstens noch die Gelegenheit ergreifen, dir weiterhin alles Gute zu wünschen (aber vielleicht sehen wir uns ja mal woanders wieder) und dir ein letztes Mal meinen größten Respekt für dein Gedicht auszusprechen. Auch dieses Gedicht von dir ist nämlich wunderschön geworden: melancholisch und besinnlich zugleich - irgendwie passend zum Abschied. LG
  2. Hatte ja im Dezember nicht so viel Zeit, mich einzubringen. Von daher ist es gut möglich, dass ich etwas Entscheidendes verpasst habe. Hat er denn seinen Rückzug angekündigt, bzw. gab es Anlass, dass er hier nicht mehr schreiben will? Au weia! Ich hoffe, er kommt wieder. Oh, da kamst du dazwischen. Danke für die Info. Werde ich mir gleich mal durchlesen. Aber auch wenn ich die Gründe noch nicht kenne, ist das unglaublich schade, ihn hier nicht mehr sehen zu dürfen. Mag ihn nämlich wirklich sehr, sehr gerne - sowohl literarisch, als auch menschlich. Ach Mensch!
  3. Falls das eine Petition zur Rückkehr gummibaums ist, unterschreibe ich sie gerne. Hoffe auch, dass gummibaum sich mal wieder blicken lässt. Aber zwischen den Jahren haben ja viele Menschen einiges zu tun und ich wünsche dem lieben gummibaum - mit oder ohne Forum - eine gute Zeit. Danke Carlos für deine poetische Vermisstenanzeige!
  4. Ich schreibe auch nicht, um dich zu überzeugen.
  5. Hallo liebe Letreo, danke für deinen Kommentar und dass du deine Erfahrungen mit uns teilst. Krass, dass ausgerechnet meine kleine Geschichte dir dazu Anlass gab! Was dir da passiert ist, ist ja meiner Geschichte gar nicht so unähnlich - die emotionale Ambivalenz, einerseits froh und dankbar zu sein, dass einem geholfen wird, andererseits auch das unangenehme Gefühl, das diese Hilfe begleitet. Kann mir kaum vorstellen, was ich in deiner Situation getan hätte. Das "Richtige" wäre wohl gewesen, die drei Helfer zur Mäßigung anzuhalten, aber ich denke, diese Handlung wäre auch mit Scham verbunden gewesen: "Bin ich nicht undankbar, wenn ich meine Helfer zurückhalte?" Vermutlich wäre ich in der Situation wohl erstarrt; es kommt ja auch so plötzlich. Hast du denn nachher noch mit den Helfern ein paar Worte gewechselt? LG
  6. Auf dem Grab, hübsch anzusehn, dort steht eine rote Anemone. Für dich hätt ich sie gepflückt, doch ohne, ohne dich ließ ich sie stehn. (Aus dem Fundus)
  7. Vielen Dank! Hin und wieder beschleicht mich ein Gefühl, das an die frische Luft muss und dann kommt schon mal so etwas raus. Dieser Text z.B. ist mitten in der Nacht entstanden, als ich aus einem derartigen Traum aufgewacht bin. Dass man es nicht gruseliger beschreiben kann, fasse ich als Kompliment auf. Das war allerdings nötig. Alles, was man als Schriftsteller tun kann, ist fantasieren und der einzige gute Grund zu schreiben, ist seiner Fantasie zu folgen. Alles andere gehört zum Psychologen oder in die Kirche. Ich bin weder der Stalker aus Querfeldein, noch der Muttermörder aus so manchem Gedicht, noch die Protagonistin dieser Geschichte und dennoch darf ich dies alles sein beim Schreiben und muss es sogar sein, wenn ich ernsthaft etwas zu sagen habe. Warst du es nicht übrigens, dem es so wichtig war, beim Namen genannt zu werden? Nun, jetzt weißt du vielleicht, warum mir das unwichtig ist, weil ich weder dir, noch sonst einem Fremden gegenüber jemand anders bin, als all die Figuren, die ich erschuf. Und ob ich eine Frau, ein Mann, schwarz oder weiß, dumm oder klug bin, darf gerne demjenigen wichtig sein, der meint, jemanden nach solcherlei Oberflächlichkeiten zu bewerten, ohne in der Anonymität des Internets wenigstens darüber genaue Kenntnisse zu haben. Mir persönlich jedoch ist es egal. Lustigerweise erhielt ich damals, als ich das Gedicht geschrieben habe, Reaktionen des Erstaunens darüber, dass ich "als Mann" diese Situation so gut aus "Frauenperspektive" geschrieben habe und das von Leuten, die mein Geschlecht gar nicht kannten; das hat mich damals schon etwas amüsiert - ähnlich amüsant finde ich nun die Behauptung, "als Mann" könne ich keine Geschichte aus "weiblicher" Perspektive schreiben. Beide Positionen, so konträr sie erscheinen, meißeln jedoch Geschlechtlichkeit in Steine, von denen ihre Vertreter nicht wissen, wie bröckelig sie eigentlich sind. Das kann ich nur zu gut verstehen. Ich erkenne zwar die guten Absichten des besagten Freundes. Aber gute Absichten haben noch niemandem geholfen. Zum Glück geht es in der Literatur weder um gute Absichten, noch darum, jemandem zu helfen. LG
  8. Gleichgewicht finden verstehen und nachgeben Gleichgewicht brechen (Aus dem Fundus)
  9. Dann bleibt mir wohl auch nichts zu sagen, außer: Boah! Jedenfalls danke, dass du mich dennoch an deiner Sprachlosigkeit teilhaben lässt, liebe Sonja! LG
  10. Hallo Sonja, vielen Dank für dein frühlingshaftes Lob mitten im Winter (hier liegt überall der Schnee von gestern, wo ich dieses Haiku auch ausgegraben habe). Echt?! Was blüht denn da bei euch? Im Wohnzimmer blüht bei mir nichts. Habe leider keinen grünen Daumen, wohl aber grüne Augen (wobei man sich über meine Augenfarbe streiten kann) und ein Auge für Grünes. LG
  11. Schmuddelkind

    Kirschblüte (Haiku)

    Eine Kirschblüte atmet, sich zart entfaltend, Frühling ein und aus. (Aus dem Fundus)
  12. Sarkasmus ist tatsächlich der einzige "-mus", dem ich etwas abgewinnen kann. Du hast natürlich recht, liebe Sonja. Wie wir auf die Welt wirken ist wohl sehr viel bedeutsamer als wie die Welt auf uns wirkt. LG
  13. Vielen Dank, liebe Josina! Auch für mich war die Prämisse sehr interessant - so interessant, dass ich eine kleine Geschichte daraus machen musste. Was ist, wenn ausgerechnet "so einer" uns hilft? "So einer von denen", die wir auf den Tod nicht ausstehen können? Was macht das mit uns in dieser Situation? Wie sehr müssen wir uns verbiegen, wenn wir die Hilfe annehmen. Müssen wir uns ob der Hilfe schämen?... Freut mich jedenfalls, dass diese Fragen dir offensichtlich auch nahe gehen. LG
  14. Vielen lieben Dank für die zahlreichen, teils sehr ausführlichen Beiträge zu meinem Gedicht! Ein so ausgefallenes Gedicht kann natürlich entweder sehr gut oder sehr schlecht ankommen. Bin daher froh, dass ihr die Idee wertschätzen könnt. Den Wunsch kann ich verstehen, liebe Sonja, aber irgendwie ist das eigene Unterbewusstsein noch mysteriöser, finde ich. Freut mich jedenfalls, dass dir die Idee des Dialogs mit dem Hall so zusagt. Ursprünglich ist diese Idee aber übrigens von August Wilhelm Schlegel: Waldgespräch Hier bin ich einsam, keiner hört die Klage. klage! Niemand vertrau' ich mein verzagtes Stöhnen. Tönen. Soll ich stets ungeliebt der Spröden fröhnen? höhnen. Wie lang harr' ich umsonst, daß es mir tage? Tage. Mich findet Gunst zu leicht auf ihrer Wage. wage! Wem liegt wohl dran, mein Leben zu verschönen? Schönen. So wird das holde Glück mich endlich krönen? krönen. Wer giebt mir frohe Kund' auf jede Frage? frage! Was ist dein Thun dort in den Felsenhallen? hallen. Und was ist Schuld, daß du nur Laut geblieben? lieben. So fühlst du etwas bei Verliebter Schmerzen? Schmerzen. Glaubst du, dein Spiel könn' irgend wem gefallen? allen. Wem wird es denn zu lieb mit uns getrieben? Trieben. Wer sehnt sich leeren Wiederhall zu herzen? Herzen. Gut beobachtet, liebe Lichtsammlerin! Ja, ich denke, dass diese Wirkung dem Gedicht nicht unangenehm ist. Es hat etwas Geflicktes an sich, wohl auch wegen des wechselnden Versmaßes - so als fiele dem LI noch schnell was zu sagen ein, bevor es den Gedanken zu Ende bringen kann. Der Binnenreim kompensiert dabei, das der Vers keinen entsprechenden Reimpartner hat und das ist natürlich recht ungewöhnlich. Ja, so lässt es sich deuten, wobei dann das Schicksal wohl eher in unserem Charakter begründet ist. Die Tatsache, dass er sich von seinen Leidenschaften treiben ließ, statt das Gesagte zu reflektieren und sich dabei selbst zu erkennen, erklärt wohl ganz gut, dass wir uns einerseits unser eigenes Grab schaufeln, dass wir aber andererseits nicht anders können. Wir können uns selbst nicht entkommen. Andererseits ist es ja seine eigene Stimme, die er nicht richtig zu deuten vermag. Vielleicht ist dieses Gedicht auch eine Einladung, sich eingehender mit sich selbst zu beschäftigen. Wenn wir uns selbst verstehen, unsere Fehler erkennen, haben wir vielleicht doch eine Chance, zu lernen und uns zu ändern. Das Schema ist wieder mal nicht so ganz simpel und kann deshalb auch gut und gerne zu Verwirrung führen. Ich will es mal an der ersten Strophe verdeutlichen: Und endlich, endlich fand er Rast bei dem alten Wall des Waldes; vorm Tore Strauchwerk stand. xXxXxX xXxxXxXxXx xXxXxX Die Crux ist natürlich die rot eingefärbte Stelle, weil es hier kurz zum Dreiertakt wechselt, um wieder zum Zweiertakt zurückzukehren. Es lässt sich einwandfrei lesen, wenn man sein Rhythmusgefühl darauf einstimmt. Aber es mag eben auch einen Reflex geben, der einen daran hindert, es so zu lesen und dann gerät man ins Stolpern. Die meisten deiner Verbesserungsvorschläge sind ebendieser Schwierigkeit geschuldet, abgesehen von deinem zweiten Vorschlag: Das "nun" ist ein bisschen unelegenant und ich gebe zu, dass es einfach als Füllwort gebraucht wurde. Da müsste ich mir was Besseres einfallen lassen. Aber es ersatzlos zu streichen, geht leider aufgrund der metrischen Vorgabe nicht. Vielen Dank jedoch, dass du dir so viele Gedanken zur Metrik gemacht hast! Vielen Dank auch an dich, lieber Kurt. Ich fühle mich geschmeicehlt, dass dir das Gedicht so zusagt. LG
  15. "Wir entscheiden das gemeinsam", versicherte er ihr, doch ehe sie es recht bedenken konnte, lag sie mit gespreizten Beinen auf einer gynäkologischen Vorrichtung, während das Werdende verging. Das Vakuum, das sie an ihrem Unterleib erzeugten, saugte und ihr war, als saugte es sich in sie hinein. Schüttelfrost. Wenn er ihre heiße Stirn fasste und ihr erklärte, er sei bei ihr, wollte sie ihm dazu die Berechtigung absprechen. Aber sie erduldete die Fürsorge. Sie träumte viel und schlecht. Wochenlang lag sie in ihrem Bett, einsam, regungslos. Der Schleim, den sie von sich geschieden hatte, formte sich zu einem bedrohlichen Geflecht, das, wie ein Pilz, sie zu überziehen begann und sie langsam auffraß. Sie konnte nichts dagegen tun. Hin und wieder stand sie auf, um Babybrei abfließen zu lassen, wie sie es nannte. Manchmal meinte sie, im Widerhall ihrer Ausscheidung leise Seufzer zu erkennen. Schwere Tropfen. Ihre Bauchdecke verdorrte bald zu einem weichen, porösen Gewebe. Er streichelte ihren Bauch: "Na? Wie geht's meinem süßen Kartoffelbovist?" War dies alles noch normal? Wer hatte das noch zu entscheiden? "Es wird alles wieder gut!" So oft sie auch träumte, sie hatte das Gefühl, dass sie stets ein mal zu wenig mit diesen Worten geweckt wurde. Als träumte sie sich immer tiefer in sich selbst hinein, bis sie sich schließlich in ihrem eigenen Uterus versteckte.
  16. Und endlich, endlich fand er Rast bei dem alten Wall des Waldes; vorm Tore Strauchwerk stand. Er trat durch das Gesträuch. Da schritt er durch dunkle, enge Gänge und hörte ein Geräusch. Ihm wurde plötzlich bang: "Nun, ist in der Trutzburg Einer?" "Keiner." Dann Stille auf dem Gang. "Ich frag mich, wessen Geist hier schleichet durch das Gemäuer." "Euer." Kurz grübelnd, was dies heißt, zog er sein Schwert und sprach: "Nun sagt mir, was dies bedeutet!" "Deutet!" Er ging der Stimme nach. In wildem, blindem Zorn nun schwang er das Schwert dem Weg entgegen und stieß erregt nach vorn. Der Balken, den er traf im Kampf gegen fast vertraute Laute, sich auf den Ärmsten warf. Laut donnernd fiel Gestein und musste den Mann begraben haben. So wars; so musst es sein. (Aus dem Fundus)
  17. nicht aus dem Kopf auf die Nerven zu oft weg in letzter Zeit fremd zu weit jetzt nicht mitten in einem... (Aus dem Fundus)
  18. Schmuddelkind

    Nüchtern betrachtet

    Kotze im Wert von 50 € hinter mir gelassen. Ich trinke weiter, rausche durch die Straße, den humanoiden Ameisenmassen entgegen. "Hier sind alle tot!", versichert man mir. Lustig! Öffentliche Toilette - 1 €, maximale Nutzungsdauer: 30 Minuten, Tragkraft: 250 kg. Man sollte doch wohl noch müssen dürfen! Puller dagegen, sieht aus wie immer. Glück gehabt! Schluck drauf trinken. Ist früh geworden. Die Zeit vergeht so schnell! Schluck drauf trinken. Die Koalitionsverhandlungen verlaufen zäh. Was macht eigentlich Westerwelle? (Aus dem Fundus)
  19. As I stepped afraid and doomy straight into his messy, gloomy room that like a chamber tomb extended right behind the door, there I saw him blandly lying, as some poor old figure dying, neither crying nor just sighing, lying blandly on the floor. „Friend, when will you likely stand up from this cold and flinty floor?“ Quoth the raven, „Nevermore.“ Outraged by this evil vowing, not quite certain if allowing me to think my manifest severe conclusions furthermore might have been all too impudent. As he seemed to me that prudent that as if I was his student, he looked rigorously o'er, I demanded explanation from that teacher looking o'er. Quoth the raven, „Nevermore.“ „Then henceforth you foolish fires of my reasoning desires!“, thought I sullen, yet aware and thus resolved hence to ignore. So I turned to my loved friend in order frankly to attend, just to mourn and hold his hand yet stronger than I had before, and I heard, when fondly I caressed his head's hot fevered fore, heard him muttering „Lenor!“ Grateful was I and inspired by the word he uttered tired that I focussed merely on a budding question to explore: Was the raven quite so clever saying nothing more than never? "Friend, that name will be forever just a wish meant to deplore and forever will it be a hopeless wish and nothing more." Quoth the raven, "Nevermore." Finally by frantic waving that old book I forced the raven to escape the room when suddenly my friend regained his gore: "What a dream! A raven beckoned clearly after he'd gone back on there is reason still to reckon that one day recurs Lenor." and though unsensibly waiting, yet he's waiting furthermore with a reason waiting for.
  20. Gerade war ich in meinen Gedanken der S-Bahn entkommen, da quetschte sich mit dem Schließen der Tür ein Jugendlicher an mir vorbei, so dass ich nicht anders konnte, als kurz zu ihm herüber zu blicken. Der Zug setzte sich in Bewegung und der junge Mann schaute mich aggressiv an und sagte mit einem Akzent, den ich grob dem Balkan zuordnete: "Du hast mich angekuckt." "Woher weißt du das nur?", fragte ich süffisant, doch er war nicht zu Scherzen aufgelegt: "Ich hau dir gleich in die Fresse." Da erkannte ich, dass es klüger sei, zu schweigen und schaute unter mich. "Ignorierst du mich, du Schwuchtel?", setzte er nach. Es gab wohl keine Möglichkeit, die Konfrontation zu meiden. Der Kerl war auf Streit aus. "Nein", beschwichtigte ich ihn und bewies es, indem ich es sagte. Das gab ihm wohl den Anlass, nach dem er gesucht hatte: "Ich geb dir - mich verarschen!" brüllte er und schlug zugleich in Richtung meines Gesichts. Doch ich konnte den Schlag abwehren und hielt seinen Arm fest. Sofort ergriff ich auch seinen anderen Arm, sodass eine annähernde Pattsituation entstand und wir uns ein wenig hin und her drückten. Plötzlich erhob sich ein stark gebauter Mann mit Glatze und schwarzer Jacke von seinem Sitz und kam auf uns zu. Er drückte meinen Widersacher mit einem kräftigen Prankenhieb zurück und fragte mit bemerkenswert klarer und von Selbstvertrauen zeugender Stimme: "Suchste Ärger, Junge? Kannste haben." Allein wohl die schiere Tatsache, dass er keine Angst zu haben schien und seine kräftige Statur bewogen den Angreifer zum Rückzug, indem er sich durch die Menschenmenge hindurch zwängte und sich vergewissernd zu uns herüber schaute. Erst jetzt erkannte ich Details in der Kleidung meines Helfers: er trug Springerstiefel, enge, hellblaue Jeans und auf seiner Bomber-Jacke war eine Wolfsangel aufgestickt. Offensichtlich war mein Retter ein Neo-Nazi. Für einen Moment dachte ich: "Ausgerechnet ein Nazi! Hätte mir nicht jemand anders helfen können?" Aber dann erkannte ich den unangebrachten Hochmut in meiner Situation, konnte ich doch wirklich froh sein, dass jemand den Mut aufbrachte, sich einzumischen. Und ist ein rechtsextremer Helfer denn ein "schlechterer" Helfer? Ich bedankte mich also mit empfundener Herzlichkeit und fügte hinzu, dass das nicht selbstverständlich gewesen sei. Während wir beide an der nächsten Station ausstiegen, erklärte er mir: "Wenn man noch an Volksgemeinschaft glaubt, dann ist das selbstverständlich." Dieser Satz löste nun ein wenig Unbehagen in mir aus, aber ich wollte auch dem Mann, der sich so mutig für mich eingesetzt hatte nicht vor den Kopf stoßen. Darum übersetzte ich "Volksgemeinschaft" wohlwollend mit "Zivilcourage" und stimmte schüchtern zu: "Ja, man kann froh sein, wenn man heutzutage noch so viel Sinn für Volksgemeinschaft finden kann." Inzwischen wurde mir bewusst, dass wir uns einen Teil des Heimweges teilen mussten; da versicherte mir der freundliche Nazi: "Wenn ein Kanacke einen Deutschen angreift, dann greift er mich an und dann hau ich zurück." Ich verkniff mir die Frage danach, was passiere, wenn ein Deutscher einen "Kanacken" angreife, aber ein Teil von mir wollte unbedingt widersprechen, wenn auch nur leise und höflich. "Ich glaube nicht, dass das jetzt etwas damit zu tun hatte, dass der Typ ein Ausländer war", relativierte ich vorsichtig. Daraufhin stellte mein Begleiter fest: "Du bist doch ein Deutscher, richtig?" Ich nickte. "Der Wichtigtuer", ergänzte er "ist ein Kanacke. Der Wichtigtuer hat dich angegriffen. Also war es ein Kanacke, der einen Deutschen angegriffen hat. Mehr muss ich gar nicht wissen." Er sprach noch eine Weile von "Überfremdung", "Fremdherrschaft der Alliierten", "linker Zensur" und von "anderen Verhältnissen", die schon bald herrschen werden. Das ganze Gespräch war mir sehr unangenehm und ich war froh, endlich darauf hinweisen zu können, dass ich in die nächste Straße einbiegen müsse. Dort wünschte ich ihm noch einen schönen Abend und er verabschiedete sich mit gestrecktem Arm und einem entschlossenen "Sieg Heil!" Ich hob meine Hand zum uneindeutigen Gruß, so dass ich ihm weiß machen könnte, ich hätte den Gruß erwidert und zugleich mir selbst weiß machen konnte, ich hätte ihn nicht erwidert und während ich die paar Schritte zu meiner Wohnung ging, beschäftigte mich die Frage: "War ich in diesem Moment ein Nazi?"
  21. Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den setzt er gar nicht in die Welt, lässt ihn nicht um den Erdball kreisen, auf dem er dumme Fragen stellt. (Aus dem Fundus)
  22. Oh, das ist ja ein schöner Mix aus lieben Kommentaren und Wünschen! Danke an alle! The crucial kick! Freut mich, lieber Stefan, dass die nukleare Bedrohung für dich auch was Gutes hat. Und noch mehr freue ich mich, dass dich der Wunschzettel zum Lachen angeregt hat und du ihn ergänzen konntest. Lieber Herr Lightnig, das ist ein verständlicher Wunsch und auch ich als Bundeskanzlerin habe meine Momente, wo ich mich frage: "Wo hört mein Amtssessel auf und wo fange ich an?" Und Schmuddelkinder zu zeugen, mag ein ehrbarer Wunsch sein, aber dafür braucht man auch die Rahmenbedingungen: Gedimmtes Licht durch Energiesparlampen, marode Schulen und Vollbeschäftigung im Mindestlohnsektor. Dies sind die Erfolge meiner Regierung und staatspolitische Verantwortung gebietet, dass ich diese nicht leichtfertig gefährde. Eine Kanzlerschaft Merkel ist und bleibt alternativlos. Ach, du brauchst doch nicht zu weinen. Das hast du doch ganz prima gemacht. Was Österreich angeht, bin ich auch meistens nicht so up to date, würde mir aber, wenn ich Österreicher wäre, wünschen, dass Schwarzenegger Kanzler wird. Das hätte was. Jedenfalls ist dir ja doch noch ein verständlicher Wunsch eingefallen, liebe Sonja. Warum eigentlich nur für eine Stunde? Aber ja, Parteiendemokratien neigen leider zu solchen Seilschaften und man könnte mal darüber nachdenken, ob Demokratie nicht auch ganz anders funktionieren könnte... Zwar ist Frau Weidel zum Glück kein Bestandteil der Bundesregierung, aber der Wunsch ist ja mal originell, lieber roimtsichnich. Schön, besonders dadurch, dass er so spezifisch ist, als stünde das evtl. kurz bevor. LG
  23. Hallo Gina, vielen Dank für deine Worte zu meinem wortverspielten Text. LG
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