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Über das Lyrische Ich - Ein Essay


Thomkrates

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Vorbemerkung für die Leser im Forum:


Der folgende Text ist vorläufig. Es ist der erste Versuch das gesetzte Thema ausführlich zu beleuchten. Da ich seit etwa zwei Jahren beobachte und meine Erfahrungen sammle, hier im Forum, in Workshops und in der Literatur, wage ich diesen Versuch hier erstmals und öffentlich. Ich erhoffe konstruktive Rückmeldungen, weniger zum Text, mehr zum Thema, da ich gerne mein Verständnis des Themas ergänzen und vertiefen möchte. Wer also mit dem Konzept des Lyrischen Ich vertraut ist, etwas darüber weiß, kann gerne hier kommentieren und anmerken, was mir eventuell noch entgangen sein könnte. Schon jetzt herzlichen Dank.

Über das Lyrische Ich - Ein Essay

 

Kurz gesagt lautet die Beobachtung, im Zusammenhang mit der Interpretation von Dichtung und dem Gespräch darüber, sowie der dort verwendeten Formel des Lyrischen Ich, dass das Lyrische Ich mindestens dafür herhalten kann, dem Autor, der gerne sich in seiner kreativen Phantasie zu finden meint und auszudrücken bereit ist, ein Versteckspiel zu ermöglichen und ihn daher hinter seinen Text, hinter sein Gedicht (oder sogar fern seines Textes und Gedichtes) treten lassen kann, sodass manche der Verteidiger des Konzepts des Lyrischen Ichs sogar behaupten, in literarischen und lyrischen Texten und Gedichten seien der Autor gar nicht vordergründig mit von der Partie und hätte sich gar nicht dem Leser für relevant anzuzeigen. 

 

Mir wurde schon in offiziellen und öffentlichen Zusammenhängen und Veranstaltungen weisend bedeutet, dass der Leser mit einem Text machen könne, was er wolle, da ein Autor offenbar gar nicht interessant zu sein scheint für einen Leser. Und das Konzept des Lyrischen Ich scheint eine Vorstufe davon zu sein, was ich im Folgenden nach und nach beleuchten möchte.

 

Diese proklamierte, merkwürdige Abwesenheit des Autors in seinem Text, begegnete mir in verschiedenen Zusammenhängen bereits mehrfach und geht beobachteter Weise auch so weit, den Tod des Autors zu fordern und seinen Text quasi für vogelfrei zu erklären, wonach der Leser, unter völliger Missachtung des Autors und dessen eventuellen Intentionen, Deutungen und biographischen Details, frei über einen Text verfügen dürfe und frei seine Phantasie laufen lassen dürfe, um etwas Sinniges mit dem Text zu erfahren und sich selbst in einem, von einem anderen Menschen geschriebenen, Text zu finden. 

 

Aber, was genau findet ein Leser in einem Text, der den Autor außen vor lässt und ignoriert? Was findet ein Leser in einem literarischen Text oder Gedicht, wenn er sich nicht darum bemüht den Autor zu verstehen zu suchen? Findet der Leser damit nicht etwa nur sich selbst? Und welches Ich findet er da? Welch egoisches Ergebnis wäre das unter Umständen?

 

Ich spreche nicht aus einer Unterstellung heraus oder aus einer Spekulation und Verdächtigung, sondern, da mir in mehrfach sich mir gebotenen Zusammenhängen, dies eben genannte bedeutet und zu verstehen gegeben wurde. Das Konzept des Lyrischen Ich sei zu befolgen, da der Autor nicht immer identisch mit seinem Text sei und wir diesem Umstand Rechnung tragen müssten. -- Ist das aber nicht merkwürdig? Der Autor sei nicht in seinem Text oder Gedicht zu finden? Was genau geschieht hier? Und was hat das, genauer, mit dem Konzept des Lyrischen Ich zu tun?

 

Im Folgenden möchte ich einige Gedanken dazu anbieten, die für sich nicht die letzte Schlüssigkeit behaupten, sondern, die anregen möchten, über diese in der Literatur und Dichtung offenbar weit verbreitete Haltung zur Autorenschaft und zur Methode der Interpretation, Kritik und Analyse eines Textes mithilfe des Konzeptes des Lyrischen Ich, sowie des Redens darüber, nachzudenken und sich in eine Wachheit zu begeben, die eventuell fruchtbar sein kann. So hoffe ich. Das Folgende stammt aus einer Beschäftigung mit den Weisheiten von West und Ost und der Beschäftigung mit wissenschaftlicher Wahrheit und philosophischer und psychologischer Erkenntnis und der Suche danach, dem seit der griechischen Philosophie hoffnungsfroh gespendeten innigen Aufforderung zur Selbsterkenntnis und zur Entwicklung einer redlichen Leidenschaft zur Aufrichtigkeit, die es dafür braucht.

 

Es scheint zunächst, dass allein die Einführung einer Trennung zwischen dem Autor und etwas anderem, das den bestechenden Namen Lyrisches Ich erhalten hat, mit psychologischem Verständnis, auf eine forcierende Verdrängung und schattenhafte Dunkelheit hin deutet, die irgendwie nicht gesehen wird und nüchternerweise und kühl auch nicht gesehen werden will. So kann nicht nur vermutet, sondern gerade aus einem Wissen und der Erfahrung mit psychologischen Schatten und Dunkelheiten, auch behauptet werden.

 

Hat Freud nicht erkannt, dass menschliches Bewusstsein, so wie es ihm hilfesuchend, pathologisch und mit Leidensdruck auf die Couch kam, als drei Bereiche unterschiedlicher Klarheit oder Dunkelheit gesehen werden kann: als das Ich, das Es und das Über-Ich? Als der Glanz, das Dunkle und das Unantastbare? Als das Ganze, das Fragmentierte und das Überstülpende? Als das Licht, die Schatten und das Bedeckende?

 

Wie auch immer die Zeit seit Freud vergangen ist und neuere Erkenntnisse und zusätzliches, genaueres Beobachtungsmaterial die Forschungswelt der Psychologie erfüllt und bereichert hat, und wir zwar heute etwas genauer zu Tage fördern können, dass und wo Freud sich geirrt hat, so bleibt dennoch aufrichtigerweise anzuerkennen, dass Freud sich nicht komplett geirrt hat und dass gerade das fragmentierte Es (und wohl im Weiteren auch das Über-Ich) als zu überwindende Kräfte auf dem Weg zu einem gesunden und frei agierenden und sich fühlenden und denkenden Ich gehören, die wir auch heute noch nicht leugnen dürfen und sollten, da wir doch zu einem Ganzen und nicht zu Getrenntem streben, zum Licht, und nicht im Dunkeln bleiben wollen.

 

Soll doch aus den Es-Kräften eine gesunde Ich-Kraft werden, die als freier Spieler der Zeit und Geschichte, des eigenen Lebens und der Teilnahme und Anteilnahme an Menschen, Gesellschaft, Kultur und dem weltlichen und existenziellen Geschehen hier auf dieser Erde, den gesunden, konstruktiven, beherzten, mutigen und zutiefst menschlichen Entwicklungsgang gestaltet und begleitet und die Leiden der Zeit und der Wesen zu meiden, zu lindern und zu heilen versucht. 

 

Ist dies eben Gesagte daher nicht klar und einsichtig? Dass der Mensch, auf seinem je eigenen Entwicklungsgang, von unbewussten und schattenhaften Kräften begleitet ist, die ans Licht zu bringen sind und daher von Dunkel befreit werden sollten, bzw., die von sich aus nach Befreiung und Beleuchtung rufen? Und dass es Instanzen im Bewusstsein gibt und in der Dynamik der Bewältigung, die der Befreiung und Beleuchtung entgegen wirken?

 

Ist die große Frage des Irrtums von Erkenntnis und der Täuschung in der Methode und des Leidens daraus an ungelebtem Leben, nicht eine verzwickte, vielschichtige und daher zu erforschende Frage, deren Antwort über unsere Menschlichkeit entscheidet? Und ist sie daher nicht eine kritisch zu beleuchtende? Was tut das Konzept eines Lyrischen Ichs aber? Ich versuche das im Folgenden zu beleuchten.

 

Ist das Gesagte daher, im Gegensatz zu der scheinbar willkürlichen Einführung eines sogenannten Lyrischen Ichs in die Dichtung, nicht(!) merkwürdig, wie dagegen die Trennung von Intentionen und Instanzen von Ichen, die diese schattenhaften und gespaltenen Bereiche des Ich im Dunklen belassen und ein Konzept bereit stellen auch die essenzielle Erkenntnis der Psychologie von sich fern zu halten, von sich zu weisen, zu leugnen und zu ignorieren? Was durch Fragen und Nachfragen und deren Antworten darauf, beobachtet werden kann.

 

Gerade das Konzept des Lyrischen Ich befindet sich intentional und dynamisch auf dem Wege nicht erst den Autor und sein Eigenes zu verdrängen und in einen geistigen Behälter zu legen, sondern ihn ungeschehen und unlebendig zu machen und zu halten. Denn wer einen Sprachgebrauch einführt, um über einen Text zu reden, muss sich fragen lassen, wozu genau dies dienen soll und was dabei genau eigentlich geschieht. Ich komme darauf zu sprechen. 

 

Dass der Autor unlebendig bleiben soll, blutleer, atemlos, erschrocken und zu agil, um wahrzunehmen, was geschieht, ja, für dieses Ziel gibt es sicherlich Kräfte in der Welt, die genau daran Interesse haben, die genau daran Interesse haben, dass die Wahrheit und Aufklärung über die Wahrheit nicht ans Licht kommen. Genau daher sind solche Texte, wie dieser, von essenzieller Wichtigkeit und bedürfen der sorgsamen und ausgewogenen Gestaltung und Durchdringung des Themas. Denn die Lüge und die Täuschung mancher, sind raffinierter als ein Teufel.

 

Sprache ist also nicht einfach Vereinbarung, sondern auch Bewusstsein. Das ist wesentlich zu beachten. Und dass das Lyrische Ich mehr einer Vereinbarung gleicht und nicht einer gefundenen Naturerscheinung, konnte mir bisher noch niemand widerlegen. Denn es wirken sich Vereinbarungen und Regeln auch auf das Bewusstsein der Sprechenden, Schreibenden und Denkenden aus. Hierzu wird im Folgenden sich noch zu äußern sein.

 

Wer aber und also möchte kein ganzer, gesunder Mensch sein? Wer möchte nicht frei von Kräften sein, die ihn von einer selbstbewussten und glücklichen Empfindung des Erkennens und Gestaltens fern halten? Wer möchte nicht frei von fragmentierten Anteilen seines Bewusstseins sein, die sein Eigenes im Dunklen lassen und ihn hindern es zu entfalten? Wer möchte nicht frei von Überstülpungen einer Gesellschaft sein, die selbst nach Orientierung ruft im Chaos des Lebens- und Weltgeschehens und die doch auch hilflos und immer wieder nur meist adhoc Regeln, Gesetze, Moral und Verhalten erwartet und fordert, was nicht immer zum Besten des Individuums und der Gesamtentwicklung gesetzt wird?

 

Wir können kaum annehmen, dass durch die Einführung einer vereinbarten Instanz, die das Ich des Menschen fragmentiert und geradezu dazu auffordert -- und dies daher einen beliebigen, verbalen Behälter darstellt, in den hinein verdrängt werden kann, was gerade verdrängt werden will --, eine nur ordnende und regelnde Funktion angesprochen wird, die als willkommener Schutzraum dienen soll, wie wir im Folgenden hören.

 

Sondern wir müssen im Weiteren annehmen, dass der Sprachbereich des Lyrischen Ich die Fluchttendenz der Es- und Über-Ich-Kräfte des Menschen befördert und ihn in die Möglichkeit bringt, sich selbst zu verschleiern und undeutlich werden zu lassen, gerade weil das Konzept des Lyrischen Ich eine Übereinkunft und Forderung zu sein scheint und keine aus Beobachtung von Klienten auf der Couch gefundene Ordnung, Erfahrung und Struktur der Erkenntnis und Folgerung daraus. 

 

Klarheit aber und Ganzheit, Glanz, Direktheit und Offenheit, Respekt und Vertrauen, sind die Eigenschaften des gesunden, ganzen und vernünftigen Denkens -- und nicht die Ausnutzung von Nischen oder Höhlen der Dunkelheit und Verschleierung, wie es das Lyrische Ich zu sein scheint und verführerisch zu ermöglichen scheint.

 

Wieso bedarf es eines Behälters und eines Sprachgebrauchs, um sich mit den Texten der Dichtung auseinander zu setzen? Und für wen ist dieser Sprachgebrauch angebracht? Wenn überhaupt? Und für wen eher weniger? Wie kam es dazu ein solches Konzept zu fordern und einzuführen oder zu verbreiten? Es könnte nämlich sein, dass erkannt werden kann, dass hier ein Sprachgebrauch eingeführt wurde, um nur manchen Tendenzen von manchen entgegen zu wirken, die aber bei anderen und vielen eher weniger vorhanden sind. Wir werden sehen.

 

Dies würde die Vorwegnahme einer Unterstellung darstellen, unter dem Deckmantel der guten Kommunikation und des angemessenen literarischen Gesprächs, die den Unschuldigen dazu auffordert die Methoden und den Sprachgebrauch, der für andere bestimmt ist, zu verwenden. Dass also eine Pauschalisierung und Indifferenz den guten Ton in eine Forderung ummünzt und dabei anrichtet, was undifferenzierte Generalisierungen so gerne anrichten. Wir schauen uns dies an.

 

Ich habe mir also erklären lassen, dass das Konzept des Lyrischen Ichs dem Zweck diene, die Privatsphäre des Autors zu schützen, ihm also durch die Kommunikation über das Lyrische Ich es ermöglicht würde, seine Privatsphäre zu schützen, in dem er und die an der Besprechung des Textes Beteiligten sich des Umweges über das Lyrische Ich versichern und vereinbaren und sich dieses bedienen sollen. Dies solle Vertrauen schaffen und sicheren Boden des Gesprächs ermöglichen.

 

Der literarischen Kommunikation über Texte und Gedichte wird also eine Instanz hinzugefügt, die es den kreativen und manchen Selbsterkenntnis geleiteten Prozessen des Schreibens, ermöglichen solle, freier und ungehemmter, offener und selbstbewusster, feiner und tiefer zu agieren, quasi aus einer Deckung heraus, und sich somit, vertrauensvoller zu sich selbst, anderen und der Welt zu offenbaren. Aber stimmt das auch weitestgehend?

 

Es gehöre also zum guten Ton, in der Besprechung und Kritik von Texten und Gedichten, das Konzept des Lyrischen Ichs zu verwenden und anzuwenden und zu respektieren und bei Anmerkungen und Fragen darauf zu verweisen, um den Autor selbst nicht in Erklärungsnot oder Bedrängnis zu bringen, seine Privatsphäre zu schützen, wenn er dabei gewesen sein sollte, selbst noch nicht klare und deutliche Sichten zu äußern und im eigenen Nebel und Schatten sich um seine eigene Wahrheit zu winden oder diese mutig zu suchen, zu finden und durch Anfühlungen vorsichtig zu erspüren und sich ihr anzunähern. 

 

Oder: es gehöre zu akzeptieren und zu respektieren, dass der Autor einfach seiner kreativen Phantasie freien Lauf gelassen habe, ohne auf seine unbewussten Es- oder Über-Ich-Kräfte zu blicken. Er also mit diesen gar ein egoisches Bündnis eingegangen sein könnte, im Laufe der Jahre und Jahrzehnte seines kreativen Schreibens? Und er daher -- und so zeigen sich zahlreiche Frage-Antwort-Geschehen, bei denen dies zutrifft -- an der Aufgabe der Psychologie und dem Ziel der Selbsterkenntnis, der Welterkenntnis und der Weisheit gar kein Interesse zu haben scheint. Ist das so? Was zeigt die Welt? Die Welt im allgemeinen? Und die Welt der Literatur und Dichtung?

 

Denn eine reine, kreative Phantasie, der es an innigem Impuls zur Selbsterkenntnis mangelt, wird den Disziplinen der Psychologie und auch der Philosophie abhold sein und sie beide grundweg ignorieren. Was dann auch schattig für sich selbst spricht und erkennbar sein wird, also beobachtet und erfahren werden kann für alle jene, die sich offen den Frage-Antwort-Geschehen respektvoll widmen.

 

Hierzu ist also folgendes zunächst zu sagen: Es ist sicherlich eine respektvolle Gesprächskultur erforderlich, um sich authentischen und offenbarenden Texten und Gedichten zu nähern und deren Wahrheit zu entziffern oder angemessen zu deuten und zu verstehen zu suchen. Vorausgesetzt, die Beteiligten sind überhaupt an Wahrheit interessiert. Wenn nicht, sei dies eine eigene Frage-Antwort-Untersuchung wert, ein eigener Dialog. Denn Wahrheit und die Suche nach Wahrheit waren schon bei Sokrates vor zweieinhalb Jahrtausenden ein Anlass, jemandem zum Trinken eines tödlichen Getränks zu verurteilen. Es ist kaum anzunehmen, gerade in der Beobachtung der vergangenen und gegenwärtigen Welt, das diese Tendenz nun überall schon verschwunden wäre.

 

Jede Kommunikation ist ein Austausch, der Chance bietet, Erkenntnis zu finden oder zu bestätigen, einen neuen Weg zu finden an bestehenden Fragen weiter zu arbeiten oder Klarheit und Trost zu finden ob des eigenen Zweifels und der Unsicherheit, die Es- und Über-Ich-bezogen sicherlich bestehen können. Wichtig ist der Schutz der Person und eine respektvolle Auseinandersetzung mit den Worten anderer, seien sie nun schriftlich oder mündlich geäußert. 

 

Eine unliebsame und ungerechte Wertung und egoisch-selbstgerechte Einordnung in nur eigene Interpretationsebenen und -muster, die im Allgemeinen und Speziellen immer wieder beobachtet werden können, ist sicherlich etwas, das gefürchtet wird und das die Gesprächspartner und Interpretatoren vermeiden müssen, um gerecht und adequat zu reagieren auf das, was an Wort und Bedeutung sichtbar wird und was verstanden werden will. 

 

Das ist aber andererseits auch nahezu unvermeidlich, da jeder Mensch sein eigener Mittelpunkt darstellt, von dem aus er die Welt und sich selbst betrachtet. Daher ist -- aus diesem Mittelpunkt heraus -- der Respekt und die Wertschätzung zu üben, die notwendig sind, um, nicht unbedingt nur faire Kritik zu äußern, doch mehr noch: eine begleitende Fürsorge und Rücksichtnahme zu üben, unter dauernder Achtsamkeit auf den eigenen, immer möglichen Irrtum. Und daher bedarf es des Umweges über ein Lyrisches Ich eigentlich nicht, was jeder aus seinem eigenen Mittelpunkt heraus leisten kann.

 

Eine auf der Ebene des Persönlichen und Privaten geführte Erörterung von Texten und Gedichten, kann schon dazu neigen die Person anzugreifen und zu verurteilen. Schon lange ist aber auch bekannt, dass einer dagegen sachlichen Diskussion so etwas nicht gebührt und daher persönliche Anlastungen zu unterbleiben haben. Oder zumindest eine spezielle Betrachtung und mitfühlendes Fragen angeraten wäre, anstatt abzuwerten, anzugreifen oder sonst respektlos zu begegnen, was nicht immer möglich erscheint und nicht immer im Vermögen der Beteiligten erwünscht liegt. 

 

Wer in einem offenen Gespräch sich aber nicht einer wissenschaftlich und philosophisch erforschenden Haltung sicher sein kann oder diese ablehnt, der sollte in solchen Gesprächen erst einmal zuhören oder doch zunächst fern bleiben und sich vielmehr eine respektvolle Sachlichkeit bewusst machen und erarbeiten, die es bedarf, um fruchtbar für alle Seiten zu sein. 

 

Die Einführung eines Lyrischen Ichs scheint hier diesem Umstand einer mangelhaften Beteiligung an offenen Gesprächen und deren pathologischen Fallstricke, entgegen wirken zu wollen, indem es quasi als Blitzableiter für all jene zu dienen scheint, die von der persönlichen Angehung eines Autors nicht zu lassen in der Lage scheinen. 

 

Aber soll daher das genannte Konzept des Lyrischen Ichs für jeden gelten? Nur weil einige noch nicht in der Lage sind, sachlich zu bleiben und daher den Respekt noch nicht gelernt und verinnerlicht haben, die eine freie, offene und sinnvolle Besprechung der Worte des Menschen und Autors bedürfen?

 

Ist also das Konzept des Lyrischen Ich eine Notkonstruktion, um einem anderen Umstand entgegen zu wirken? Nämlich der deprivierten und mangelhaften Gesprächskultur und dem Mangel an Übung in aufrichtigen und respektvollen Gesprächen? Also das Fehlen einer hohen kommunikativen Qualität? Also das Fehlen einer (oder mangelhaft ausgebildete) Menschlichkeit?

Was seinerseits als eine Folge von Oberflächlichkeiten einer nur beliebigen und nicht geordneten und zielbewussten Kulturbeteiligung erscheinen kann, die sich in der Pluralität der Meinungen und der beliebigen, bodenlosen Toleranz verloren findet und nicht anders kann, als sich an einer Oberfläche (fest) zu halten? -- Was wiederum eine Folge von schattenhaften Eigenheiten und Egoismen wäre, die noch der Therapie, Beleuchtung und Befreiung bedürften. Eine Folge wiederum also der Furcht vor Aufrichtigkeit und Authentizität, eine Folge der Furcht vor echtem Vertrauen und Nähe. Wobei wir damit den emotionalen Inhalt der Es- und Über-Ich-Kräfte sehen können.

 

Ich meine nun, dass für die Beleuchtung von Schatten und die Befreiung von Hindernissen und Hemmnissen, kein Konzept des Lyrischen Ichs notwendig scheint, zumindest nicht für jeden, und dass dieses Konzept zu Missbrauch einlädt und kontraproduktiv wirkt, weil es eine Trennung einführt und den direkt spürbaren Menschen nicht zu zeigen in der Lage ist. Wieso sollte ein Umweg genommen werden, wo doch der authentische Herz-Geist sich als ein Gesundes, Ganzes und Ungeteiltes erweist? Und nicht als ein Fragmentiertes und Übergestülptes? Also auch nicht etwa als Opfer von emotionsgeladenen Es- und Über-Ich-Kräften einer fragmentierten und aufgesetzten Seele? Eines Geistes und Bewusstseins also, das seinem ganz innig Eigenen noch nicht gewahr und verfügbar ist?

 

Denn es kann, im Gegensatz dazu, beobachtet werden, dass Autoren sich hinter einem Lyrischen Ich zu verstecken suchen, wie die verdrängten Impulse und Emotionen der unbewussten oder halbbewussten Es-Bereiche und der aufgesetzten Über-Ich-Seiten eines seelischen Bewusstseins. Und ebenso, dass manche Autoren den Gebrauch des Begriffs ausnutzen, um sich Ansichten und Meinungen zu eigen zu machen und durch ihre Es- und Über-Ich-getriebene Phantasie zum Ausdruck zu bringen, die gerade ein Ausdruck ihrer Verschleierung von tiefer liegenden Prozessen und Ansichten darstellen, die eigentlich psychologisch geklärt werden müssten. Und die nicht ein Publikum bedürfen, sondern einen Therapeuten.

 

Denn Aufrichtigkeit zeigt sich in Weisheit (und Weisheit zeigt sich in Aufrichtigkeit), die authentisch und ungeteilt zum Ausdruck gebracht wird und bedarf keiner Verschleierung oder des Umweges über ein Lyrisches Ich oder der schriftlich zum Ausdruck kommenden Es- und Über-Ich-Kräfte eines fragmentierten und aufgesetzten Bewusstseins.

 

Der kreative Prozess des Schreibens ist nämlich von seinem sinnigen Sinn her gesehen, kein Freiraum für Beliebigkeit, Phantasie und Problem, sondern dient, in einer gesunden und menschlichen Funktion von Literatur und Schreiben, dem Erkenntnis fördernden Sinn des Menschen selbst, in dem der Schreibende sich seines Daseins immer mehr weiter und tiefer bewusst wird -- und nicht, dagegen, wenn er sein Schreiben nutzt, um sich egoisch zur Schau zu stellen und seine pathologischen Schatten gar schon als Weisheiten oder kreative und sinnhafte Erzeugnisse von Wert für sich und die Welt produziert. 

 

Der menschliche Entwicklungsgang ist ein Gang der Entwicklung, und auf diesem Wege gibt es Dunkelheiten, Schatten und Bedrängnisse, die überwunden und erlöst, beleuchtet und befreit werden müssen. 

 

Wer wollte als Autor annehmen, nur weil er bisher erfolgreich seine Werke an die Leserschaft bringen konnte, er sei schon frei von dieser Menschheitsaufgabe? Aber gerade doch ist, nicht wenige Male, zu beobachten und zu erkennen, wie die Autoren sich um ihren eigenen Mittelpunkt drehen und nicht nach oben blicken, um fortzuschreiten und sich weiter zu entwickeln. Dass Schreibblockaden ein Thema für manche sind, kommt nicht von ungefähr. Das also das Finden eines Musters der Erfolgs, kein Erfolg im Sinne der genannten Menschheitsaufgabe ist, ist damit einleuchtend. Zumindest in den meisten Fällen.

 

Um ein verdächtiges Beispiel zu nennen: Was fasziniert eine Leserschaft an Krimi und Verbrechen, an Grusel und Horror? Und wozu neigt diese Leserschaft? Und gar der Autor? Wird sie sich und er, statistisch gesehen, überwiegend, in psychologische Therapie begeben wollen und philosophischen Diskursen offen gegenüber stehen? Oder wird sie eher dazu neigen, diesem psychologischen Geschwafel und philosophischen Abstraktum nichts abzugewinnen? Letztes spricht Bände und sei zu beobachten und zu hinterfragen.

 

Es sind aber schon aus einer Menschlichkeit heraus, Schatten und das Dunkle zu beleuchten und zu erhellen, was der Weg der universellen Schöpfung des Kosmos ganz deutlich zeigt, wenn wir zumindest in den klaren Nachthimmel schauen. Und gerade der Mond zeigt wechselnd, wachsend und vermindernd, ein Licht, das uns bei Nacht leiten kann. Wir können mit Beleuchtung und Erhellung, Erkenntnis zum Ausdruck bringen, die potenziell den Menschen befreien und leiten kann, weiter zu gehen. Und das Bewusstsein ist Licht und kann dies leisten.

 

Die Befreiung und Beleuchtung können dagegen nicht gut gelingen, durch Behälter der Entsorgung im Rahmen des Lyrischen Ichs, dessen Umweg uns nicht vor uns selber schützt, sondern uns und unsere Ganzheit und unseren Glanz ins Dunkle hinein verschiebt und einen Raum schafft, indem wir uns vor uns selbst im Dunklen belassen können und irrig glauben machen, wir hätten durch eine kreative Phantasie und Bildhaftigkeit bereits das Ziel erreicht. Dem ist nicht so.

 

Wir werden uns dagegen eher befreien und Es- und Über-Ich-Kräfte beleuchten, wenn wir durch offene und respektvolle Direktheit spüren lassen und können, wer und was wir sind. Dass dabei ab und an unschöne Gefühle transportiert werden können, trägt zu unserer Erkenntnis bei, der Selbsterkenntnis und der Welterkenntnis, vorausgesetzt, wir fallen nicht in einen abwertenden und abweisenden Zynismus. 

 

Wo das freudsche Es und Über-Ich eine durch Beobachtung gefundene Bewusstseinsstruktur darstellt, die als Dunkel gesehen werden kann, dass unter Winden, Leiden und Schmerz erhellt werden kann und soll, nach und nach und mit respektvoller Fürsorge, stellt das Lyrische Ich ein durch bloße Vereinbarung bereit gestellter Behälter dar, in den sich diese Es- und Über-Ich-Kräfte hinein tummeln und austoben können. Und zwar ohne bearbeitet und bewältigt zu werden, mehr als Ablage und Ausdruck der eigenen Schattenhaftigkeit und Überstülptheit des Autors, der eigenen Dunkelheit und Fremdgelenktheit des Schreibenden -- als sprichwörtliche Buchführung, die das Ego des Protagonisten streichelt und nicht als leidenschaftliche Bewältigung, die Läuterung mit sich bringt.

 

Durch das so stattfindende Versteckspiel mit dem Lyrischen Ich im Lyrischen Ich, ist allenfalls ein Zwischenstadium und ein Proberaum eröffnet, eine Therapiesitzung im Gange, eine Vermeidungstaktik offenbar, die zwar ein Ziel hat, das aber noch nicht erreicht ist und vermieden werden will, weil etwas Tieferes und Wahreres als noch zu schmerzlich befürchtet wird. Ein Ziel, das vornehmlich durch Es- und Über-Ich-Kräfte gelenkt wird, die uns immer noch abhalten von unserem je eigenen, innigen, ganzen Ich und Selbst, das wir gesund sind. 

 

Aber gerade das Schattenhafte und Dunkle, ist oft in Texten und Gedichten zu finden, die ein Zwischenstadium, ein Proberaum und die Szene einer Therapiesitzung und einer Vermeidungstaktik offenbaren und vermitteln -- und nicht die edle Lichtung und Beleuchtung des Ausblicks über die Weiten und Höhen, Tiefen und befreiten Innerlichkeiten, denen besonders Erkenntnis orientierte Schreibende gegenwärtig sein können und die sich mit den Jahren der aufmerksamen und leidenschaftlichen Erkenntnisfindung entfalten können.

 

Und zudem können wir zur Beachtung bringen: Die Aufrichtigkeit und den Respekt, die das Konzept des Lyrischen Ich zu intendieren sucht, vermeidet es gleichsam durch seine blanke Existenzforderung. Durch eine Einforderung von Umwegen, wird der Prozess der direkten Vertrauensfindung zwischen den Menschen verkompliziert. Die Einforderung der Verwendung eines Lyrischen Ich, ist gerade solch eine Verkomplizierung des respektvollen Austauschs über Dichtung und Schreiben, da es allein durch seine konzeptuelle Gestaltung eine Respektlosigkeit unterstellt, der es gleichsam Lösung und Heilmittel sein will. So kann es gar nicht möglich werden, dass wir der möglichen Respektlosigkeiten ansichtig werden, und damit ist uns die Kraft der Erfahrung und Erkenntnis genommen, die eine direkte Einwirkung, ohne den Umweg über das Lyrische Ich, für uns bereit hält. Und das ist zu betrauern, da es uns der Möglichkeiten der Selbst- und Menschenkenntnis beraubt.

 

Was das Wort betrifft, gibt es wohl keinen Weg und kein Konzept, das uns davor schützt, nicht irgendwann und irgendwie von ihm verletzt zu werden. Risiko gibt es immer. Aber dies nicht als Fatalismus verstanden oder gar als Zynismus, sondern als Aufforderung die Realität der Kommunikation mit Respekt und Aufrichtigkeit zu leben, was bedeutet, den möglichen Fragen keinen Maulkorb zu geben und den möglichen Antworten weitere Fragen zu erlauben, sollte eine angemessenere und authentischere Weise der Kommunikation ermöglichen, als der Versuch über bloße Konzepte und Vereinbarungen, wie das Lyrische Ich, Verletzung von uns fern zu halten.

 

Zudem sollten wir die Wahrheit schon erfahren haben, dass eine Verletzung, immer die Chance zur Erkenntnis über den Emittenten der Verletzung mit sich bringt. Das heißt, dass eine Vermeidung von Verletzung, den Menschen um den schmerzlichen Genuss von Welterkenntnis und Menschenkenntnis bringt und der Mensch damit weniger über die Welt und den Menschen erfährt und erkennt. Was natürlich nicht bedeutet, dass wir uns nun alle verletzen lassen sollten, um nur an genug Welterkenntnis zu gelangen. Das wäre töricht und gar dumm. Denn Verletzungen sind nicht beliebig und meist auch nicht intendiert, und wenn sie intendiert sind, tragen sie auch in diesem Falle eine Chiffre an und in sich, die etwas nicht Beliebiges über den Emittenten aussagt und daher gerade etwas wesentlich Sinnvolles und Erkenntnisreiches über uns Menschen oder über diesen Menschen. So, genau so, doch auch anders(!), geschieht Weisheit und gelangen wir zu belastbaren Erkenntnisinhalten.

 

Denn die Verletzung, kann unter Umständen, Projektionen hervorrufen und Wunden öffnen, die mehr mit der Vergangenheit zu tun haben, als mit dem Auslöser der Verletzung eben gerade in der Gegenwart. So würde Auslöser und Ursache, Anlass und Grund, Gegenwart und Vergangenheit miteinander vermischt und glatt verwechselt werden. Was erfahrungsgemäß schmerzlich und irritierend, aber auch erhellend sein kann.

 

Das Konzept des Lyrischen Ichs, das nun mehr als eine Hilfskonstruktion erscheint, die aus Not geboren ist, ließe damit diese Zusammenhänge in einem undeutlichen Gemisch von Instanzen zurück, die nicht differenziert genug wären und hinter denen sich die Protagonisten der Kommunikation verbergen könnten. 

 

Dass damit Missbrauch möglich ist, liegt auf der Hand, denn solche als unauthentisch zu bezeichnende Kommunikation, gliche einer selbstmissbrauchenden Gesprächsführung, die uns vor uns selbst verbergen würde und wir nicht mit uns selbst, sondern getrennt von uns agieren und wahrnehmen würden. Das Ich wäre ein Lyrisches Ich und damit ein verborgenes und verbergendes Es oder Über-Ich, dass wir nicht ernst zu nehmen bräuchten oder das wir als Ausweichraum missbrauchen könnten. Und damit uns selbst.

 

Und: Das Ich wäre ein Lyrisches Ich und damit ein verborgenes und verbergendes Es, dass wir andererseits aufplustern könnten und zu ernst zu nehmen tendieren würden, weshalb uns gar nicht auffallen könnte, wie viel es mit uns zu tun hat und wie wenig es eigentlich ethisch Sinn hat, es so aufzuplustern. Denn nicht alles, was uns in den Sinn kommt, ist sinnvoll (was ein Ausdruck der Täuschung ist, die reine Phantasie des kreativ menschlichen Geistes so hoch zu loben), vielleicht für uns in einem engen oder eigensinnigen Rahmen, aber dann oft nicht für andere, es sei denn, die anderen leiden an etwa derselben Verdrängung und Dunkelheit und finden sich in der Verdrängung und Dunkelheit des anderen gefunden, geistig und irgendwie. 

 

Dass dann die Blinden die Blinden führen können, liegt auf der Hand. Und der, der ein stärkerer, nachdrücklicher und intensiverer Verdränger und Verdunkler ist (ein größerer Narr), der rücksichtsloser und unnachgiebiger verdrängt und verdunkelt (einem Verbrechertypen nahe), wird die Macht und das Sagen über andere erlangen (und damit mindestens die eigene Kasse klingeln hören). Keine besonders vorbildliche Funktion, wie ich meine.

 

Und was den Sinn betrifft, sind wir Menschen eigentlich schon seit langem stetig auf der Suche, seit es Religionen gibt, denn alle Religion ist Sinnsuche und Sinnfindung. Eine Instanz, wie das Lyrische Ich, könnte hier ein verlockender Freiraum sein, uns egoisch und schattenhaft auszutoben und wir könnten gar nicht mitbekommen, wie unethisch oder eigensinnig, eng und klein wir eigentlich agieren, wie viel verdeckte Furcht und Hybris, Ignoranz und Aggression noch darin zu finden sind. Und dies nur alles, weil wir diesen Eimer des Lyrischen Ich stets befüllt haben und ihn -- verständlicherweise -- getrennt von uns gehalten haben -- und nie geleert.

 

Wir müssen aber nicht nur beleuchten, was uns dunkel scheint, schattenhaft und unbewusst. Wir müssen auch leeren, was uns belastet und stinkt, was von uns abfällt und was uns noch bindet. Denn nur so werden wir frei sein können und freier werden können. Die Leerung von dem, was von uns abfällt und damit Abfall darstellt, geschieht eben nicht durch Umwege über bloße Gesprächsvereinbarungen oder die Ergüsse in reiner, kreativer, bildhafter Phantasie (das entspräche einem bloßen und verdrängenden Wunschdenken), sondern eher durch leidenschaftliche und mitunter schmerzliche Erkenntnisse und Erfahrungen, die wir an uns heran lassen, weil wir in erster Linie nach Authentizität Ausschau halten und nicht nach Selbstbestätigung. 

 

Eine Befreiung von Leid ist das Thema der Religionen und es scheint so, dass wir nicht umhin kommen, das Leid zu vermeiden. Aber wir müssen uns ihm auch stellen und vertrauensvoll hoffen, auf Menschen zu stoßen oder diese in unserer Nähe zu haben, die dies nicht ausnützen, sondern selbst daran interessiert sind, davon frei zu kommen. Wer den Weg dieser Bewältigung gehen will, soll ihn vorsichtig gehen, aber nicht zu vorsichtig, denn Zögerlichkeit ist unter Umständen auch ein Ausdruck von Misstrauen, das Gegenstand der Bewältigung und Beleuchtung wäre. Wobei eine zu forsche Annäherung ebenso ihren nicht adequaten, dunklen oder überstülpenden, Anteil besitzt.

 

Der Eimer des Lyrischen Ich ist dagegen ein Muster und eine Erfindung des raffinierten Geistes, der seine Ruhe haben will (ja, der seine Ruhe haben will, in diesem doppelten Sinne) und der sich aber nur glauben macht, mit einer Definition von Begriff und einer Nutzung desselben, der Einhaltung dieser Regeln dazu, wäre schon die Arbeit getan. Dem ist nicht so. Wir können nicht glauben, dass durch eine kommunikative Vereinbarung das Problem des Respekts, des Vertrauens, der Befreiung und Beleuchtung und des Schutzes des Privaten, schon gelöst sei. Das wäre zu einfach und zu zauberhaft.

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Hallo Thomkrates,

lass das Lyrische Ich sein, was es ist, das Lyrische Ich. Es halten und definieren zu wollen, hieße doch die Sonnenstrahlen fangen zu wollen den reißenden Strom mit bloßen Händen zu halten. Mach Dich nicht auf die Suche nach der allgültigen Formel dafür. Natürlich ziehe ich, für Deinen Versuch, allein schon den Hut und wünsche Dir alles Glück der Welt dabei. Deine bereits niedergeschriebenen Gedanken gehen durchaus in die Tiefe des Bodenlosen, wer weiß schon, ob es Dir am Ende nicht gelingt eine einfache alles erklärende Aussage a La Einstein zu treffen oder ob Du nicht am Ende mit Mephisto resümierst. Habe Deine Ausführungen gerne gelesen. Kurt 

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Der Begriff "Das lyrische Ich" wurde 1910 von Margarete Susman eingeführt. 

So was gibt es nicht in der spanischen, bzw. lateinamerikanischen Lyrik

Auch bei Borges, der eigentlich wie ein Deutscher dichtet, habe ich nicht eine Beschäftigung mit solchem Thema gesehen.

Wozu ist das eigentlich gut, außer bei Kommentaren sich vorsichtig auszudrücken und nicht im Konflikt mit dem Autor bzw. Autorin zu geraten? 

Es klingt anders zu sagen "Das lyrische ich meint..." als "Du meinst...". 

Man wäscht sich, wie Pilatus, die Hände. 

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Lieber Thomkrates,

 

ich finde deine Ausführungen sehr weitschweifig und wenig konkret, glaube aber, dass ich dein Anliegen verstanden habe. Du hättest gerne, dass Menschen sich in jeder Situation ernsthaft und in vertrauensvoller Ehrlichkeit begegnen, auch wenn sie schreiben.

 

Ich denke, du beziehst dich nicht nur auf das lyrische Ich, sondern allgemein auf das literarische Ich, weil du fiktionaler Literatur grundsätzlich nicht nur nichts abgewinnen kannst, sondern sie auch für schädlich hältst? Das müsste dann auch für mündlich erzählte erfundene Geschichten, Witze, jede Form von Comedy, Satire und vermutlich auch Theater und Film gelten?

 

Ich würde den Aufsatz auf höchstens ein Viertel seiner Länge kürzen. Vieles wiederholst du mehrfach in ähnlicher Weise und es fällt nicht leicht, das Wesentliche da rauszuschälen. Auch würde ich mir konkrete Beispiele wünschen, die deine Gedankengänge veranschaulichen. 

 

Am Anfang sprichst du beispielsweise von gesammelten Erfahrungen. Sag doch einfach klipp und klar, dass du von Literaturforen sprichst bzw. nenne andere Quellen. Deine These ist interessant. Ich glaube und hoffe allerdings, keine Autorin und kein Autor fiktionaler Literatur wird sich dadurch die Fantasie abgewöhnen lassen. Auch für die Leserschaft wäre das ein Jammer! 

 

Gehöre ich jetzt auf die Couch? Natürlich, aber die Therapeutin suche ich mir selber aus. Meine Leserschaft brauche ich dafür nicht.

 

LG Claudi

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Lieber @Kurt Knecht, danke dir für deinen Kommentar. Ob ich das Lyrische Ich sein lassen kann? Ja gerne, es sind andere, die meinen, es sei wichtig. Was ich aber nicht sehen kann, da mir dabei andere Dinge auffallen, die ich notiert habe.

Beste Wünsche und herzlich,

Thomkrates

 

Lieber @Carlos, danke dir für deinen Kommentar. Du bringst gleich wieder Fakten hinein, die mich - eigentlich naheliegend - auf Wikipedia verweisen. Aber... dort steht Konzeptionelles, das mir eine Außenperspektive zu sein scheint, was ich dagegen versucht habe festzustellen, bezog sich auf die Innenperspektive. Auch interessant, nur sind die konzeptionellen Dinge, immer so recht theoretisch, abstrakt und idealistisch.

Beste Wünsche und herzlich,

Thomkrates

 

Liebe @Claudi, danke dir für deinen Kommentar. Ja, es sind dann doch 9 Seiten geworden, aber dies lag alles auf der Zunge und auf dem Herzen. Es ist wirklich eine Grundsatzfrage, die ich berühre, die so sehr selten nur gestellt werden, die Frage: Was zeigt die Vielfältigkeit der Kultur und Kunst, gerade im Angesicht der großen Frage der Religionen und der Frage nach der Wahrheit? Ist das Leben und die Welt einfach nur eine Spielwiese, auf der jeder machen könne, was er wolle? Wer ja sagt, positioniert sich bereits auf einer bestimmten Ebene des Bewusstseins. Eine weitere Ebene nennt die Ebenen des Bewusstseins als Ausdruck der Vielfalt des Menschen, die eben natur- und gottgegeben sind. Dies kann als Spielwiese gedeutet werden, aber gleichsam auch als Aufgabe sich zu entwickeln und zu wachsen. Wir Menschen neigen dazu, nur unsere Nische zu finden, in der wir einigermaßen sicher sind und unser Auskommen haben, dann haben wir ein Muster gefunden, und das wars. Philosophie, Psychologie und die tiefen religiösen Weisheitsdisziplinen öffnen hier den Weg und die Entwicklung. Und das auch spreche ich an.

Beste Wünsche und herzlich,

Thomkrates

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Hallo @ferdi, danke für deine Direktheit, sagt auch einiges. Die von Freud gefundenen und postulierten Kräfte des Bewusstseins, sind schon Kräfte des gesamten Wesens Mensch, die nicht unterschätzt werden sollten. Was wir in der Welt sehen an grausamem Geschehen, kann auch unter diesem Themenbereich der Kräfte gedeutet und erklärt werden. Dies ernst zu nehmen, ist keine Frage von denen da draußen in der Welt, sondern auch von jedem, der sich berührt findet von dem Chaos und den Wirren, den Leiden und den Irrtümern. Aber auch von jedem, der sich des Edlen einsichtig zeigen möchte und kann. Also eigentlich auch von der Zunft der Schreibenden. Wahrheit ist ein Omegapunkt und nicht per Fingerschnippen zu produzieren, daher komme ich nicht drum herum Wahrheit etwas offen zu lassen, um den Omegapunkt zu seiner Wirksamkeit zu verhelfen. Die Es- und Über-Ich-Kräfte sind gerade diejenigen, die in therapeutischen Sitzungen zum Vorschein kommen, wer sich selbst schon einmal darin oder auch davon unabhängig an einem verzwickten Dilemma befunden hat, weiß, wie viel Gefühl und Schmerz darin liegen, sich selbst zu finden und zu verorten in einer dann neuen Aufrichtigkeit. Dies ist schon sehr ernst zu nehmen. Die Gretchenfrage lautet also heute: Was hältst du von Philosophie und Psychologie, von Wahrheit und Wahrhaftigkeit? Jeder ist auf je seinem Weg, so soll es sein. Wir tauschen uns aus. Und spüren, loben, ärgern und denken uns unseren Teil.

Danke dir geschätzt und verbleibe herzlich,

Thomkrates

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Hallo Ferdi @ferdi,

 

die Nischen, die wir uns zurecht machen, um uns wohl und sicher zu fühlen, sind geistig jene, in denen wir nicht gestört werden wollen. Eine Suche nach Wahrheit und Authentizität, respektiert diese zuweilen, aber nicht, wenn sich herausstellt, dass die Suche nach Wahrheit diskreditiert werden soll, gerade aus einer wohligen Nische heraus, die sich das Leben und die Welt lediglich zurecht argumentiere könnte und damit einen Ausdruck von Ignoranz gegenüber den Welt- und Menschheitsproblemen zeigen könnte. Wir kommen nicht umhin in Dialog zu treten, wenn wir Mensch sein und werden wollen. Die Frage ist, ob uns Aufrichtigkeit leitet oder die Bedürftigkeit es in unserer Nische weiterhin wohlig zu haben. Al Gore hat vor 20 Jahren eine Dokumentation auf DVD veröffentlicht mit dem Titel: Eine unbequeme Wahrheit. Und so ist es. Wahrheit erscheint zunächst unbequem, macht ärgerlich und stört die wohlig eingerichtete Heimat und Umgebung, gerade geistig. Philosophen und weniger offensiv und mehr feinfühlig, die Psychologen, machen darauf aufmerksam.

Herzlich weiterhin,

Thomkrates

 

P.S.: Wäre auch ein schöner Buchtitel: Literatur und Wahrheit. Hat nicht Goethe seine Autobiographie Dichtung und Wahrheit genannt? Wird Zeit ihr heute eine Fortsetzung zu schenken.

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Hallo @Dionysos von Enno, wo ich ferdis Direktheit noch annehmen konnte, empfinde ich deine gerade als verletzend und anmaßend. Mag sein, dass dies gerade die Projektion der Projektion ist.

 

Ich habe ganz oben zu verstehen gegeben, dass ich am Thema interessiert bin, ich will mich aber nicht belehren lassen, sondern verstehen und in einen offen Austausch und Dialog treten, was das Thema hergibt. Wer natürlich mit seiner Expertise auf einer unantastbaren Wolke schweben möchte, was ich nicht unterstelle, aber dies bietet sich gerade an, wird sich immer nicht sagen lassen wollen, was er vielleicht noch übersehen hat. Ein Austausch über Literatur ist für mich ein offener Austausch und keiner, der schon weiß, was es zu sagen gibt und der Recht behalten will. Offenheit ist zu üben. Von allen Beteiligten.

 

Da das Gespräch gerade von einem sachlichen Versuch in eine persönliche Unterstellung und Verfahrenheit rutscht, möchte ich dies hier, für euch beide, gerade abschließend feststellen. Es sei denn eine gewisse Sachlichkeit und Aufrichtigkeit können im Weiteren, von wem auch immer, wieder aufgenommen werden.

 

Dass wir Menschen uns um Wahrheit winden, ist eine Wahrheit an sich. Und dass es schmerzlich und beleidigend zugehen kann auch. Was wir die letzten beiden Kommentare gesehen und gespürt haben, bestätigt dies.

 

Immer noch herzlich, 

Thomkrates

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vor 20 Minuten schrieb Thomkrates:

empfinde ich deine gerade als verletzend und anmaßend

 

Lieber thomkrates

 

Wer ein Fenster öffnet muss auch verkraften, wenn ihm der Wind entgegen weht. Ich denke du verstehst das.

 

Ich will dich nicht verletzen. Ich versuchte es daher alles mit bespielen zu belasten und lasse mich immer gerne vom Gegenteil überzeugen

 

Mes Compliments

 

Dio

 

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Mein lieber @Dionysos von Enno,

 

bist du dir bewusst, wie hart du oben verletzend warst? Zynisch sogar? Persönlich? Und wenn du/ihr meinen Text ganz gelesen habt, müsstet ihr wissen, dass ich genau darauf auch referenziere! Dass ein Manko und Defizit an Kommunikation, nicht nur literarisch-lyrische, daran krankt, dass eine Sachlichkeit verlassen wird und auf der persönlichen Ebene Diskreditierungen eingeführt werden, die verletzen (sollen) und ein Machtspiel darstellen. Das sehen wir sogar in unserer gut gesitteten deutschen Demokratie. Wer gerade Gregor Gysis neustes Buch gelesen hat, sieht, wies zugeht und zugehen kann - in der Politik.

 

Nun ist aber Literatur näher an Philosophie als an Politik. Meine ich, gut, kann auch anders sein. Aber: Ich erwarte eigentlich, und, ja, erhoffe, dass Literatur sich dies bewusst ist, die Schreibenden also, dass ihnen klar ist, dass sie der sokratischen Haltung näher sind, als der politischen, der es um Macht geht und Mehrheiten und kaum oder gar nicht um Wahrheit. Literatur und Dichtung bedarf der Wahrheit und einer Haltung, die sich ihr widmet. Mag sein, dass ihr das anders seht oder dass es allgemein anders verstanden wird. Ich glaube und sehe aber, dass es unabdingbar ist und daher notwendig, um weiter zu kommen. Gerade die Aufrichtigkeit lädt dazu ein, die Authentizität und daher die Wahrhaftigkeit.

 

Herzlich,

Thomkrates

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vor einer Stunde schrieb ferdi:

Kein Verfasser hat ein Anrecht auf die Aufmerksamkeit auch nur eines Lesers; die muss er sich verdienen.

Wer bezahlt den Verfasser, Ferdi? @ferdi Verdienst und Bezahlung sind aneinandergekoppelt. Und zudem: Wenn der Verfasser sich nach dem Geschmack der Leser richtet, und die Leserschaft geschmacklos sind, dann kann nur dasselbe herauskommen. Kurz: Diese Sentenz halte ich philosophisch für verräterisch. 

 

Nur, wer sich treu bleibt und diese Treue einer andauernden Prüfung und Vertiefung unterzieht, erhält treue Leser.

 

Hallo Ferdi, @ferdi,

 

danke für Zuckerbrot und Peitsche. Nur kurz: Wir haben doch alle unsere Wahrheit(en) und wir suchen sie zu verfeinern und zu veredeln, aber auch zu bestätigen und zu erweitern, wo sie in Sicht ist. Oder etwa nicht?

 

Der Dialog, ob sokratisch, demokratisch oder literarisch, ist wesentlich, muss man nicht dabei bleiben? Jeder auf seine Weise? Und gemeinsam? Weil wir alle so sind, wie wir sind, geworden sind aus unserer Geschichte und Zeit heraus? Aus unseren Fragen und Zweifeln? Unserem Glanz und Wert? Gemeinsam, weil es die Einsamkeit ergänzt, die man spürt in einer kalten Welt der Kriege und der unterdrückenden Mächte.

 

Dass Literatur kein abgestecktes Schlachtfeld ist, sollte dir bekannt sein. Ich hätte mehr Offenheit erwartet und gedacht, dass in intellektuellen Kreisen, wie dem Schreiben, mehr davon zu sehen und spüren ist. Zum Schluss:  Ich fuße nicht in der Luft oder in einer egoischen Blase des Eitlen, in meiner Intuition stehen 50 bis 60 Bücher pro Jahr die letzten 25. Gelesen. Und wertgeschätzt. Mag sein, dass du und Dio mich darin übertreffen. Dann hätten wir aber wohl andere Themenfelder bearbeitet. Wie gesagt: Literatur ist kein geschlossener Kosmos, er ist offen und sollte es sein, besonders, wenn wir diese Demokratie noch etwas weiter entwickeln wollen. Und für diese Offenheit plädiere ich und auch der obige Text.

 

Herzlich,

Thomkrates

 

 

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Am 23.8.2022 um 11:22 schrieb Claudi:

Ich denke, du beziehst dich nicht nur auf das lyrische Ich, sondern allgemein auf das literarische Ich, weil du fiktionaler Literatur grundsätzlich nicht nur nichts abgewinnen kannst, sondern sie auch für schädlich hältst? Das müsste dann auch für mündlich erzählte erfundene Geschichten, Witze, jede Form von Comedy, Satire und vermutlich auch Theater und Film gelten?

 

Lieber Thomkrates,

 

dein Mitteilungsbedürfnis zu diesem Thema ist offenbar sehr groß! Du sagtest ja bereits, dass es dir sehr am Herzen liegt und ich merke, dass du auch in den Antworten zu den Kommentaren noch viel mehr mitteilen möchtest. Leider bist du auf keinen Kommentar, außer auf Ferdis Satz:

 

Kein Verfasser hat ein Anrecht auf die Aufmerksamkeit auch nur eines Lesers; die muss er sich verdienen.

 

wirklich eingegangen. Möglicherweise hast du ihn missverstanden? Auf Geld habe ich das Verdienen hier nicht bezogen, sondern auf die Aufmerksamkeit potenzieller Leser:innen. Sie entscheiden ja, ob ein Text ihre Aufmerksamkeit verdient, indem sie ihn entweder lesen oder nach den ersten Sätzen beiseite legen.

 

Vielleicht merkst du ja selbst, wenn du dir die Kommentare nochmal durchliest, dass du mit deinen Antworten gar nicht die angesprochenen Punkte angesteuert, geschweige denn getroffen hast? 

 

Ich habe meine Fragen oben nochmal zitiert und wüsste gerne,, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege oder mich irre oder möglicherweise nah dran bin. Kurz gesagt: Ich wünsche mir eine Bezugnahme auf das, was ich tatsächlich schrieb, ohne dass du ausweichst und vermute stark, dass sich die anderen Kommentatoren das auch wünschen bzw. gewünscht hätten. 

 

LG Claudi

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Liebe Claudi, @Claudi

 

danke, dass du nochmal darauf eingehst. Ich versuche zu lernen und nehme das auch bei meinen gegenüber an. Allerdings ist das Thema Lernen bereits eine philosophische Frage und keine bloß pädagogische, denn es sei zu vermuten, dass wir Menschen auf unterschiedliche Weise lernen und auf unterschiedliche Weise etwas für Lernerfolg halten.

 

In den Kommentaren von Ferdi @ferdiund Dio @Dionysos von Enno kam es gar nicht dazu in irgendeiner Weise eine Lernathmosphäre zu verspüren, weil eine Verurteilung und Aburteilung von Seiten dieser beiden stattgefunden hat, von Anfang an. Insofern ist das Beantworten in solch einem emotionalen Zusammenhang von möglichen Fragen, eher einer unterwürfigen und verteidigenden Rechtfertigung gleich als einer vertrauensvollen Antwort und bedarf eher der Unterlassung, wenn man sich selbst noch im Spiegel anschauen können will. Kannst du das nachvollziehen und verstehen?

 

Selbst deine Frage klang mir nicht danach als ob wir uns schon verstanden hätten, denn ich gehe nicht von Schlecht und Gut aus oder von Verbot und Erlaubnis, wenn du mir nach Witzen, Comedy, Theater, Satire oder ähnlichem fragst. Es geht mir nicht um politische Antworten, sondern um ein philosophisches und menschliches Verständnis der Zeit und des Menschen. Insofern kann ich nicht alle Fragen, die mir gestellt werden direkt so beantworten, da sie dann aus meinem Blick heraus gesehen, nicht dahin zielen und da stehen, wo ich bin und selbst hin ziele, wir also noch nicht angenährt sind, sondern fern voneinander und daher das Vertrauen noch nicht besteht. Und gerade dann, wenn das Vertrauen noch nicht besteht, werden Gespräche und Fragen-Antwort-Geschehen, zu aburteilenden und einander rechtfertigenden Äußerungen, denen ich mich fern halten möchte. Kannst du das nachvollziehen?

 

Kurz also doch, du nagelst mich fest: Nein, ich halte die von dir genannten literarischen Kunstformen nicht für schädlich, im Gegenteil: für essenziell in einer pluralistischen Kultur und Gesellschaft, sondern daher für interessant und deren Protagonisten für mutig und eloquent. Aber (da immer ein Aber in guten Gesprächen folgt und folgen sollte) sind diese Kunstformen nicht hinreichend für eine philosophische und menschliche Durchdringung unserer aller Problemlagen (und das bedeutet nicht, etwa nur politisch auf dem Laufenden zu sein, sondern menschlich!), sie sind selbst der kritischen Beleuchtung wert, im Sinne, dass auch Kultur über Kultur nachdenken muss. Und das heißt eben nicht, wenn Kritik folgt, dass damit eine Aburteilung oder Verbannung erfolgen sollte. Eher schon eine Erweiterung des Horizonts, des eigenen, der Leser und der kulturellen Protagonisten.

 

Jetzt müsste ich deine Frage getroffen haben. Ansonsten: Verzeih!

 

Herzlich,

Thomkrates

 

 

 

 

 

 

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vor 1 Stunde schrieb Thomkrates:

Jetzt müsste ich deine Frage getroffen haben. Ansonsten: Verzeih!

 

Ja, immerhin ist jetzt klar, dass ich mit "schädlich" ein zu hartes Wort gewählt habe und du gar kein Urteil fällen möchtest. Je mehr ich daneben liege, umso wichtiger ist es natürlich, darauf zu reagieren und solche unkorrekten Vermutungen richtig zu stellen. Wie soll sonst ein sinnvolles Gespräch zustande kommen?

 

Dein Essay scheint sich also um dieses große Aber zu drehen:

 

Zitat

Aber (da immer ein Aber in guten Gesprächen folgt und folgen sollte) sind diese Kunstformen nicht hinreichend für eine philosophische und menschliche Durchdringung unserer aller Problemlagen (und das bedeutet nicht, etwa nur politisch auf dem Laufenden zu sein, sondern menschlich!), sie sind selbst der kritischen Beleuchtung wert, im Sinne, dass auch Kultur über Kultur nachdenken muss

 

Das fett Gekennzeichnete hätte mir hier als Antwort gereicht. Und nein, nicht in jedem guten Gespräch muss es zwangsläufig ein Aber geben. Es kann, aber es muss nicht. 

 

Was ist hiermit?

 

vor 3 Stunden schrieb Claudi:

Ich denke, du beziehst dich nicht nur auf das lyrische Ich, sondern allgemein auf das literarische Ich

 

Wie Ferdi schon sagte, ist dies lediglich ein "Werkzeug", das die Besprechung eines Werks erleichtert. Genauso könnte man sagen: der Erzähler, der Sprecher oder einzelne Protagonisten eines Rollentextes benennen. Das eigentliche Thema scheint mir doch viel weiter gefasst zu sein. Wenn es nicht, wie ich annehme, dein großes Aber bzgl. fiktionalen Schreibens ist, was dann?

 

Von Ferdi hast du für den Text aufrichtige Kritik, aber keineswegs eine Verurteilung bekommen. Darüber hinaus bekamst du sehr konkrete Vorschläge zur Überarbeitung deines Essays. Wie möchtest du damit umgehen? Wenn du sagst, dass du dir erstmal über das genaue Thema und den Inhalt klarer werden möchtest, bevor du weiter daran arbeitest, wäre das ja auch schon eine Antwort, mit der man was anfangen kann.

 

Findest du meine Erklärung zu Ferdis wahrem Satz einleuchtend? Für mich ist am Wahrheitsgehalt der Aussage nichts zu rütteln, wenn man sie verstanden hat. 

 

Von deinem Satz kann ich das nicht behaupten. Aber lass uns erst die hier von mir angesprochenen Dinge klären. Sonst wird es zu viel auf einmal. 

 

LG Claudi

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Hallo Claudi @Claudi,

 

mein obiger Text ist ein Ergebnis dessen, was ich verarbeitet und beobachtet habe die letzten beiden Jahre und was auch von Literaten an mich heran getragen wurde. Du kannst den obigen Text daher auch als Ergebnis einer Erfahrung sehen, der seine Erkenntnisse daraus zieht und eigene Schlussfolgerungen zieht. Es ist kein Text der gelehrt über das Lyrische Ich spricht und dort nach dem Mund der Erfinderin redet. Es ist ein kritischer Text der Analyse von Erfahrung und Ausdruck eines Unbehagens über eine gewisse Naivität, die in der blindlings angenommenen Konzeptualisierung des Lyrischen Ich von mir zu erspüren und zu beobachten war.

 

Wenn du jetzt das lyrische und das literarische Ich differenzierst, frage ich dich freundlich zurück: Was ist der Unterschied aus deinem Blickwinkel? Vielleicht kommen wir dann dahin, dass es ein und dasselbe ist oder aber nicht, je nach dem, was du mit den beiden Begriffen meinst. Und je nach dem, was ich darin sehe. Das wäre eine erste Annäherung.

 

Ferdi ist zunächst und von Anfang seines Kommentars die Hutschnur geplatzt. Das ist eine ungünstige Eröffnung, wenn man seine Kritik doch noch konstruktiv unterbringen will. Rhetorisch kommen Wohlmeinen zuerst und dann erst die kritischen Punkte. Jedenfalls war dort bei beiden soviel unverständige Emotionalität drinnen, dass ich keinen Anlass mehr spürte auf die Fragen oder Vorschläge einzugehen. War so. Lass ihn selber reden, wenn er will und verbünde dich nicht mit ihm, das lässt eine Front aufziehen, die ungünstig für Vertrauen ist, die notwendig für alle Beteiligten wäre.

 

Das Verdienen von Leserschaft und das Verdienen von Geld, hängen zunächst ursächlich nicht miteinander zusammen. Aber die Vorbedingungen und Vorbereitungen, dass jemand sich Leserschaft oder dass jemand sich Geld verdienen möchte, fußen auf Intentionen und Motivationen und Mechanismen, die psychologisch sehr wohl miteinander in Verbindung stehen. Denn, wer zu sehr auf das Andere schaut, wie er es bekommen könne, wir unter Umständen, sich selbst untreu, da er zu sehr auf das Andere (Leserschaft, Geld) schaut. Treue fußt in einem eigenen Kern und Selbst, dass geistig und seelisch ohne (oder mit unerheblichen) Es- oder Über-Ich-Kräfte auskommt und weitgehend davon frei ist. Wer dagegen eine Leserschaft bezirzen will und glaubt zu müssen oder nach Geld Ausschau hält, wird den Markt, das Andere, die Leserschaft, betrachten und schauen, wie er sich diesem andienen kann. Und so entfernt er sich von sich selbst und seinem eigenen Kern und Selbst. Oder etwa nicht, Claudi?

 

Herzlich,

Thomkrates

 

 

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