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Eine weitere Kränkung - Gödel und die Wahrheit


Thomkrates

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Auch die Mathematik hatte im 20-sten Jahrhundert ihren Kopernikus-Moment, der den Herrschenden eine Kränkung versetzte, da nun deutlich wurde: das Zentrum des ganzen Bekannten und Sichtbaren ist nicht die Erde, ist nicht der Mensch, ist nicht die Rationalität. 

 

So wie auch Freud klar machte, dass das bewusste Ich des Menschen durch unbewusste und halbbewusste Kräfte beeinflusst wird, die er Es und Über-Ich nannte, und damit dem Ich eine weitere Kränkung vor Augen führte, so hat der Mathematiker Kurt Gödel gezeigt, dass es formale Systeme gibt, die wahre Sätze beinhalten, die rational nicht beweisbar sind. Gibt es also Wahrheit, die mit formalen Systemen (also mit dem Mittel des rationalen Ich gestaltete Systeme) nicht bewiesen werden kann? Seit Gödel ist die Antwort Ja. 

 

Die Kränkung daraus für das rationale Ich, das sich bisher glauben machte, es könne jede Wahrheit beweisen und prinzipiell alles Falsche als falsch vorführen, ist damit deutlich, und wir müssen uns in Demut üben, um das dadurch zum Ausdruck kommende Höhere nicht zu ignorieren oder zu beschädigen. Die rationale Expertise scheint also begrenzt zu sein, wenn es darum geht, Wahrheit zu beweisen. 

 

Wer aber nun glaubt, sich nicht mehr um die Beweisbarkeit von Wahrheit kümmern zu müssen, weil er fälschlich annimmt, jede Wahrheit sei nicht zu beweisen, der ist auf dem Holzweg und hat die Gödelsche Kränkung in den falschen Hals bekommen. Er wird Wahrheit für beliebig und vogelfrei erklären und damit der irrationalen Willkür aussetzen. Ein reaktionärer Irrtum und Irrsinn, der terroristische, kognitiv destruktive Dynamiken freizusetzen sucht und die das Übel und die Unterstellung einzuladen tendiert, anstatt die Bescheidenheit und die hier notwendige Demut. 

 

Niemand geringeres aber, als die Rationalität jeder modernen Überlegungen, ist aufgefordert, ein Empfinden zu entwickeln, das zu unterscheiden in der Lage ist, wo sie mit Recht eine Sache zur Wahrheit oder Falschheit hin beweisen kann und wo sie besser schweigt oder belässt, was sie nicht entscheiden kann, weil sie mit einer Wahrheit in Berührung gekommen ist, die über ihr Know-how hinausreicht und über ihren rational begreiflichen Sinn. 

 

Und die Demut beginnt im Belassen und nicht im Annehmen oder Ablehnen eines damit eventuell verbundenen Glaubens. Denn was dem einen nur sein Glaube oder Unglaube ist, ist dem anderen ein Ausdruck seiner lebendigen Erfahrung. 

 

Wer also annimmt, Wahrheit sei in jedem Falle rational, der irrt, und er wird dazu tendieren die authentischen Erfahrungen anderer unberechtigt in Frage zu stellen, was einer Respektlosigkeit und egoischen Eitelkeit entsprechen würde. 

 

Aber, dass es über die Rationalität hinausgehende Wahrheit gibt, die Neuerdings transrational genannt wird, ist ein Interessantum, das zukünftig und immer wieder gegenwärtig zu beachten und zu erforschen ist. Die Beweisbarkeit wird sich zukünftig wohl dann unter Menschen gleicher Augenhöhe einstellen müssen, indem die neuen Vermögen und Fähigkeiten des Transrationalen sich begegnen und gemeinsam sich der Wahrheit zu versichern suchen. Dies wäre ein sich begegnendes Verfahren, das bereits ähnlich in den rational begründeten Wahrheiten zur Anwendung kam, aber eben dann im Transrationalen auf einem erhöhten und erweiterten Niveau. Denn Gödels Beweis spricht nur für formale, rationale, mathematische Systeme des Denkens. Dass Kommunikation mehr ist als dies, bleibt so zu verstehen, zu ergründen und zu praktizieren übrig.

 

 

 

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Hallo Thomkrates,

 

ja, die Mathematik ist voller Rätsel, aber die Welt wird sie nicht erklären. Als 1900 der große Mathematik-Kongress unter David Hilbert zusammenkam, um die letzten mathematischen Probleme zu formulieren, dachte man noch so. Kurze Zeit später (1931) kam dann bekanntlich Gödel um die Ecke und reduzierte alles auf Axiome. Naja, so einfach war es wohl nicht, aber der Beweis war sicherlich bereichernd genug, um die mathematische Disziplin wieder auf den Boden der Tatsache zurück zu bringen, um zu erkennen, was sie ist: ein System von Gedanken, die auf die beobachtbare Natur gut anzuwenden ist. Ähnliches dürfte sich um Max Planck abgespielt haben, dem vor seiner Entscheidung, es mit Physik zu probieren, geagt wurde, es sei im Grunde alles erforscht, nur hier und da seien noch ein paar kleine Details zu lösen. Weit gefehlt, wie man heute weiß. Und interessanterweise bräuchte es heute eine komplett neue Mathematik, um alle (beobachtbaren) Erkenntnisse von Einstein und Planck innerhalb eines Systems zu erklären. Ob Gödel dabei noch eine wesentliche Rolle spielt, ist unbekannt.

Ein wenig erinnert das ja an die Antwort 42 aus "Per Anhalter durch die Galaxis". Man muss sich halt vorher ganz sicher sein, was man wirklich wissen will, sonst kann einen die Antwot möglicherweise enttäuschen.

In diesem Sinne.. Alles Gute und schöne Feiertage.

VLG Peter

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Lieber Peter, @Ponorist,

 

Vielen Dank für deinen Kommentar, und dir ebenso eine schöne Weinachtszeit.

 

Die Fragen gehen nie aus, und manche davon sind sinnvoll, andere dagegen weniger. Eine gute Frage, führt zu einer guten Antwort, eine schlechte in die Irre. Man muss schon was wissen und verstehen, um gute Fragen zu stellen. Das ist die Aufgabe und Herausforderung.

 

Herzlichen Gruß, 

Thomkrates

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