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Der Totenlehrling


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Der Totenlehrling

 

                                Im Herzen der Kummer, gar welch‘ ein Gefüge,

                                wer Sehnsucht, sie kennt, der kennt auch das Leid,

                                so bleibt dann am Ende der Tod nur als Lüge,

                                da jeglich das Herze sich milde entzweit. 

                                So bleibt dann am Ende wohl gar kein Bestande,

                                bleibt es der Tod – Im Herzen so nah,

                                Liebe und Tod – Welch‘ goldene Bande,

                                da ich das Sterben mit Augen ersah. 

 

Wir mochten, versuchten den Tod zu verhindern,

doch gruben am Ende das Grabe so tief,

auch mochte das Trüben das Leide nicht mildern,

da schließlich der Manne im Sarge so schlief.

Er hielt in den Armen ermüdete Rosen,

so wahrlich verstohlen, so lagen sie da,

auf Bruste, da lagen die Blüten, die Losen

und wogen und küssten den Toten so nah.

So steckte ich ihm in Taschen Narzissen,

sie lagen mit Unschuld im Sarge, darin,

das Leben des Manne, es wurde entrissen,

so ist auch der Tod ein stiller Beginn.

Auch stand ich müd‘ da, mit Angste daneben,

daneben am Sarge, dem Grab und dem Flor,

ich wusste betraut – Er nahm sich das Leben,

doch wusste nicht recht, wie er’s es verlor.

Es küssten die Nebel die trauernden Länder,

es regte im Winde das schlafende Laub,

ruhten verlassen die Wälder und Ränder

und sagten: „Erde zu Erde wie Staube zu Staub.“

Die Mutter – Sie saß im Trauergekleide

und flehte und flehte mit Tränen, es klang:

„Mein Liebster, so wahrlich ich leide,

zu sehen und zu lieben ist meiniger Drang.

Du wurdest mir selig – Auch bitter entrissen,

ich weiß jedoch nicht, vergib‘ mir dabei,

so mag ich dich ewig auf bitter vermissen,

so sei nun am Ende die Seele so frei.

Du unheile Welt, die Sünde zieht nieder,

du rufst so erpicht den Grame hervor,

umarmt dich der Tod mit seinem Gefieder

und wärmt er das Herze, das eisig erfror.

War jenes Leben das nimmer gerechte,

ich weiß, wie es war – Es war wohl so nie,

selbst wenn ich das Sterben verächte,

so mag ich versterben und weiß leider wie.

Selbst Freude – Sie mag auch so Herben,

starbst du im Streite, vergebens, versöhnt,

auch möglich, es war, das ganze Verderben,

so hat auch der Tode dein Leben verschönt.

Und siehst du nun gar die tanzenden Farben,

sie tanzen und tanzen – Im Himmel so weit,

die Engel den Teppich der Wolken umwarben,

so schwimmst du auf diesen – Mit ruhiger Zeit.

Erlosch sich am Ende das matte Bestreben,

das Leben verstarb, das Herze – Das trug,

doch wärst du nun selig noch einfach am Leben,

so küsste ich dich mit Lippen genug.

Doch leider du bist so ferner hienieden,

ist das die Klage, die sich spärlich ergoss,

genommen das Leben und somit den Frieden,

ich bleibe bei dir – Ich lasse nicht los.“

So stand auch die Tochter, die Einsamgestellte,

es glommen die Tränen auf ihrem Gesicht,

der Winde, er wehte – Das Haare sich wellte,

es fiel auf das Grabe versterbendes Licht.

Ich merkte sofort die stillen Gebaren,

während die Tränen sie einfach so nahm,

sie glänzten wie Perlen, die eisigen Klaren,

ertränkt war das Mädchen in ihrem Gegram.

Die Augen, sie glänzten mit tiefblauer Scheue,

die Lippe, sie bebte, so bieder und bleich,

durch Kälte lief an die Haute ins Bläue,

so strahlte der Monde im Abend, so weich.

Versanken die Gäste in trübes Verschweigen,

die Stille, die kam –  Sie wahrlich so fiel,

die Nebel, sie glitten und wollten verneigen,

glich nun die Messe dem ganz‘ Trauerspiel.

Schien gar das Trübsal sich so zu verdichten,

Liebe ist Liebe – Doch Tod ist der Tod,

das mochte ich gar – Das selbst zu ersichten,

so schwand aus dem Himmel der Abend und Rot.

So legten den Sarge wir schließlich zur Erde,

begruben den Manne – So einfach gemäß,

ich wusste am Ende, gar, falls ich verderbe,

dann ende ich so – Im Sargegefäß.  

Mit Tränen sprach die Tochter im Träume:

„Mein Vater, die Liebe, sie nimmer vergeht,

während mit Zähren ich meiniges säume,

wart‘ ich darauf, bis der Grame verweht.

Merkst du nun weder das Leid noch die Braste,

so kläglich verstummt – Du hattest vag‘ recht,

entflohen nun bist du, des Lebensverhasste,

doch leben die Toten vielleicht auch nicht schlecht.

Gar wehe es mir – Die Tränen und Röte,

vergib‘ mir den Streite, den ich je begann,

es heißt so – Dass ich dich wie töte,

vergib‘ mir! – Ich hab‘ es getan!

Nur Leiden den Menschen selig gar prägen,

nur Kummer und Stille und somit der Tod,

so mag ich die Unschuld auch nimmer erwägen,

so ist je das Leben – Mein eisig‘ Verbot.

Scheinen die Wörter gar ewig verdrossen,

doch nicht! – Ich hatt‘ sie gestaut,

nun mögen die Worte so schier wie verflossen,

nun hab‘ ich die Wörter dir schier anvertraut!“

Ich hörte verletzt das klagende Schwingen,

es klang so vereinsamt, im Kummer so blind,

die Zeilen, sie mochten mich einfach dringen,

denn kamen gar diese vom trauernden Kind.

Ich spürte die Ängste, geschwinde Verdrüsse,

ich spürte das Ganze, den ganzen Verschlag,

es säumten die Tränen die lieblichen Küsse,

die Küsse des Abends, gar welcher da lag.

Ich ahnte und spürte das Herze so inne,

das erste Begräbnis – Es raubte den Sinn,

den Leichnam zu sehen im frostigen Linne;–

Der Lehrling der Toten – Ich freilich, ich bin.

 

                                Im Schattenlicht des wahrlichen Lebens,

                                während die Kerze stille, so brennt,

                                vergänglich ist sie, doch auch so Erhebens,

                                da sie den Toten auch letztlich bedenkt.

                                Glimmt auch die Kerze, die liebliche zarte,

                                ist sie die Hoffnung – Ein wahrer Begleit,

                                selbst, wenn das Lichte dann einfach erstarrte,

                                – Hängt somit Leben an kostbarer Zeit.

 

                                Nimmer kann es mich vertrösten,

                                weder Abschied - Noch das Gold,

                                bringt der Tod die Wundengrößten,

                                drängt der Kummer wahrlich hold.

                                Nimmer kann ich‘s mir verdenken,

                                nicht mal sterben - So bewusst,

                                nimmer mag ich mir das schenken,

                                starren Pein und den Verlust.

 

 

Berlin-Gropiusstadt / Lipschitzallee

23.02.2024

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