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Vater in den Tagen seiner Wanderschaft


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Vater
in den Tagen seiner Wanderschaft.
Er hat uns wilden Honig mitgebracht
und Tau von alten Ulmenzweigen.
Von ihm da lernten wir, zu schweigen
und die Liebe zu durchleiden

Ich ging, um Kornblumen zu schneiden.
Um mich herum das dunkelblaue Schweigen
der alten Ulmen bei den Weiden.

Im Blau der Blume ist das Leiden,
wie in der Liebe,
gutgemacht.

Auch bei dem dunkelblauen Meer
ist der Strand längst menschenleer.
Flüchtig. Nur gekommen, um zu scheiden,
bringt der Wind das Salz der Weiden.
Und die Flut rückt immer näher.

In den nassen Kleidern schwer:
Warten auf das letzte
Floß.

Schwer schon grollen Wind und Meer.
Und der Vater fürchtet sehr
unbegrenzte, endlos-dunkelblaue Weiten.

Hinter Klippen friedlich weilen.
Nie ganz enden.
Wie das Meer.
Dort bald voll
und hier schon leer.
Über-setzen: Das will er.

Am Ende seiner
Wanderschaft
soll nur die Spur zum Meer
Verbleiben.

Einmal noch wilden Honig mitgebracht.
Und wir aßen mit den Augen auf den Zeilen.
Unsren Rilke lesen und dann schweigen.
So Haben wir gedacht.
Und dann, was
haben wir gelacht:
Bis selbst das Lachen wurde Psalter.
Die Nacht durchschluchzt :
„Wiege mich, Alter!“


(Wiege mich , Alter!)

Wie er zum allerletzten Mal
das dunkelblaue Aug
(das Auge eines Kanoniers)
in diese Welt geschlossen hat,
da kam ein wunderschöner,
dunkelblauer Falter
und trug ihn in die Zeilen
auf dem Blatt

Und das Blatt das wurde
leer.

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guten abend, dionysos,

 

ein nicht ganz unverschlüsseltes gedicht gibst du uns hier zum grübeln. überwiegend lese ich eine negative beziehung zum vater heraus, vieles deutet auf eine strenge erziehung und eine liebe hin, die eher leiden geschaffen hat. andererseits schwingt in einigen passagen ein zärtlicher und liebevoller ton mit, der die erinnerungen an den vater behutsam umschließt wie eine muschel eine perle (eine dunkelblaue perle, wie mir scheint). ich bin mir also nicht ganz schlüssig, was ich von dem gedicht halten, in welche richtung ich es deuten sollte, ob das LI traurig oder froh über den tod des vaters ist oder ob einfach beide gefühle ineinander verwoben wurden.

 

die in klammern gesetzte wiederholung des wiegeverses erschließt sich mir ebenfalls nicht (warum diese wiederholung, warum in klammern?). der letzte vers ist mir zu viel, ich würde ihn weglassen oder in den vorherigen einbinden, da das vergessen/verschwinden imho schon in den zeilen eines leeren blattes liegen könnte. 

 

es ist auf jeden fall ein bemerkenswertes und wirklich aussergewöhnliches gedicht! ich habe es sehr gern gelesen. besonders schön finde ich die zeilen mit dem gut gemachten leid im blau der blume. :smile:

 

liebe grüße

sofakatze

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Hi @sofakatze

 

deine Interpretation freut mich sehr! Ich will auch gar nichts von diesen klaren Einsichten trüben durch meine eigene Lesart, denn so ein Gedicht entsteht ja in jeder Leserin wieder neu und bringt ganz interessante EInblicke auch für den Autor. 

 

Zur Wiederholung des Wiegeverses und des in Klammern setzen wollte ich damit eine Mediation über den Vers ausdrücken, einen „Nachhall“, vielleicht durch die Klammer sogar einen verinnerlichten Nachhall, einen „aus dem Gedicht selber entrücken Nachhall“. Der Vers hat für das LI offenbar etwas Bemerkenswertes. 

 

Vermutlich könnte man das Gedicht noch ordentlich straffen. Aber die Verzierungen scheinen mir hier mehr bloß „dunkelblaue Schatten“ und daher würde ich ungern darauf verzichten. 

 

merci ! 

 

mes compliments

 

dionysos 

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Lieber @Dionysos von Enno,

 

Die letzte Analogie mit dem weißen Blatt gilt

nur für jene, deren Bewusstsein nach dem Über...Setzen

erlischt.

Gerade die letze Zeile verleiht dem von dir gewünschten

Richtung den letzten Schliff.

Ein sehr gutes Gedicht, auch wenn ich Rilke und fast

die ganze deutsche Dichtkunst als sterbenslangweilig

und nach Schiller kaum noch revolutionär empfinde.

 

Seitenlange Grüße voller Übersetzungsfehler,

Waldeck

 

 

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