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Morpho rhetenor


Cornelius

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Zu Zeiten der Jahrhundertwende

an unsres Globus linkem Ende

(genau gesagt: Um 1900,

nur falls sich jemand drüber wundert)

 

sind zwischen beiden Wendekreisen,

wohin nur selten Leute reisen,

noch immer viele weiße Flecken.

Noch ist sehr Vieles zu entdecken.

 

Dort wandelt wie auf schmalem Grat

auf dämmerschwülem Dschungelpfad

voll Neugier ein Insektenforscher.

Sein Wanderstab wird stündlich morscher.

 

Er dringt mit der Machete vor

im Regenwald von Ecuador,

durch giftig blühende Lianen

sich mühsam einen Weg zu bahnen.

 

Verfolgt von schrillen Vogelrufen,

durchdenkt er seines Lebens Stufen.

An diesem schicksalhaften Tage

erwacht in ihm die bange Frage:

 

Entstand durchs Walten der Ananke

in seinem Hirn der Schnapsgedanke,

statt in der Heimat unter Buchen

nach Faltern grade hier zu suchen?

 

Hier sind Moskitos, Jaguare.

Die Pfeile tränkt man mit Curare,

und wird die Sache ganz misslingen,

kann eine Boa ihn umschlingen.

 

"Deshalb", so denkt er, "lieber Viktor,

sei auf der Hut vor der Constrictor!

Was dich so zauberisch verlockte,

dass dir das Herz im Busen stockte,

 

dich hinterm Ofen trieb hervor,

das ist der Morpho rhetenor.

So nennt des Fachgelehrten Bibel,

die kleine Tropenfalterfibel, 

 

ein Wesen, das, dort abgemalt,

im reinsten Himmelsblau erstrahlt -

so eines der Naturjuwelen,

für die sich Forscher gerne quälen.

 

Auch jener Zunftgenosse leidet

an Dingen, die man gerne meidet,

ist auch schon leicht vom Fieber kränklich.

Die Unternehmung wird bedenklich.

 

Der letzte Rest von Hoffnung schrumpft,

auf Pfaden, die schon sehr versumpft,

ans Ziel noch glücklich zu gelangen:

Ein solches Exemplar zu fangen.

 

Wo hell der Pihas Schreie gellen,

sind schlüpfrig oft des Weges Stellen.

Auf einer ist er jetzt inmitten

der grünen Hölle ausgeglitten.

 

Doch gleich erhebt er sich vom Boden.

Nur leicht verrutscht sind seine Hoden.

Kaum ist die Sache korrigiert,

als unserm Helden dies passiert:

 

Er sieht den Himmelsfalter flattern

und springt, ihn eilig zu ergattern.

Schon hält er sicher ihn im Kescher:

"Du bist mir ja vielleicht ein Fescher!"

 

So kehrt er voller Jägerglück

vergnügt in seine Welt zurück.

Der Fang, in Chloroform getränkt,

wird einem Institut geschenkt

 

und dessen Sammlung einverleibt,

wo nun er unter Glas verbleibt,

auf eine Nadel aufgespießt,

dass seine Pracht man recht genießt.

 

Der Fänger hat in Mußestunden

schon bald danach herausgefunden:

Der Falter konnte als sehr selten,

ja fast als ausgestorben gelten.

 

Nach tiefer gehenden Recherchen

und eiligen Erkundungsmärschen

blieb ihm die Einsicht nicht erspart:

Es war der letzte seiner Art.

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Lieber @Cornelius

 

Besten Dank für den Ausflug in den Dschungel. Deine Bilder könnten einem Abenteuerfilm entnommen sein, klingt alles sehr real bedrohlich. Dein gejagter Falter hat das Schicksal vieler Insekten erlitten, die Naturforschern in die Hände kamen. Ich glaube Humboldt hat einige solcher Forschungsreisen zusammen mit Experten für Flora und Fauna unternommen. 

 

Dein Gedicht hat mich gefesselt wie eine Boa constrictor.

 

LG Herbert 

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Danke, lieber Herbert,

 

für diesen wunderbaren Kommentar.

 

Freilich muss ich hier noch eine Entwarnung geben: Der Forscher hat sich geirrt. Er hat den Morpho rhetenor mitnichten im Alleingang ausgerottet. Der Falter flattert noch heute durch die Regenwälder Südamerikas (ich durfte ihm selbst im Yasuní-Nationalpark in Ecuador mehrmals begegnen) und sein Bestand wird als "nicht gefährdet" eingestuft. Zumindest nicht akut - aber über jeder Tier- und Pflanzenart, auch den jetzt noch häufigen, schwebt das Damoklesschwert des drohenden Habitatverlustes.

 

Danke, dass du mich auf dem Dschungelpfad begleitet hast!

 

Gruß

Cornelius

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