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Der Clown

 

…Hoppla ho…

……………..Hoppla ho…

steht auf seinem Spiegel in großer Schrift,

geschrieben mit rotem Lippenstift;

noch einmal steht er heut Abend davor,

schminkt sich, wie tausende Male zuvor,

ganz dick trägt er die Farbe auf,

als könnte sie aufhalten den Verlauf.

Ein kräftiges Rot für die Wangen,

weiß hält die Augenlieder gefangen

und umrandet grell seinen Mund,

der knallrot ziert diese einsame Stund´.

 

Flachs, der Clown, ist müde und alt,

seinen letzten Auftritt hat er jetzt bald;

zwei traurige Augen sehen ihn an,

sehen einen alten, einsamen Mann,

eine salzige Träne, noch herzensheiß,

läuft über das Rot ins grelle Weiß,

zeichnet eine glitzernde Rosaspur

als untrügliche Tränengravur -

bis in den Rüschenkragen sie rinnt,

der  gierig sie für immer verschlingt.

 

Sein abendliches Hoppla ho… hoppla ho

und die Manege – werden fehlen ihm so,

tiefe Trauer sein Herze umschlingt.

weil dieser Ruf dann nie wieder erklingt;

die Seele wird grade ihm aufgefressen,

wie nur soll er das alles vergessen?

Ganz eng wird ihm die Atemluft,

weil nie mehr die Manege ruft;

um Luft muss eben er ringen,

wird ihm diese Stunde noch gelingen?

 

Er schlägt sich auf die schmale Brust,

sucht nach seiner Lebenslust -

„altes Herz – noch eine Stunde,

schenk mir diese letzte Runde,

schlag… - oh schlag…

lass mir gelingen diesen Tag,

geh mit mir die letzten Schritte

in des Lebens bunte Mitte,

hinaus ins grelle Manegenlicht;

ich vergesse all die Kinder nicht,

will den Glanz in ihren Augen sehen,

bevor du ganz wirst stille stehen.

Altes Herz… schlag mir noch eine Stunde,

schenk mir diese letzte Runde!“

 

- Und es schlägt –

 

Er klebt die übergroßen Wimpern an,

noch verlorener wirken seine Augen dann;

traurig steigt er in seine Pluderhose,

Jahre schenkten beide sich, zahllose,

noch einmal, ein letztes Mal –

die Gedanken werden ihm zur Qual.

Da – ein Lächeln zieht über seinen Mund,

als er streichelt seinen Hosenbund –

noch einmal, ein letztes Mal -

und auch die Seele überzieht diese Qual.

 

Gnadenlos zeigt ihm die Uhr die Stunde,

hinaus muss er, zur letzten Runde,

es schlottern ihm die schwachen Beine -

und den Weg geht er alleine.

„Kraft, oh Kraft, verlass mich nicht,

noch eine einzige Stunde trage mich,

hinaus in meine bunte Welt,

dorthin, wo nur das Lachen zählt,

lass mich das Glück noch einmal sehen,

dann kannst du für immer gehen.“

 

Er weiß nicht recht wie ihm geschieht –

taktvoll sein Herz seine Pflicht vollzieht,

seine Kraft trägt ihn hinüber zum Zelt,

in seine geliebte, bunte Manegenwelt.

Schon hört er die Kinderstimmen,

die sofort wieder sein Herz erklimmen,

er riecht den Duft seines Lebens,

nie rief er nach ihm vergebens;

die Trommeln wirbeln vereint -

… aber seine Seele weint.

 

„Hoppla ho… hoppla ho…“

So stolpert er auf die Menschen zu –

und schon gehören ihm alle Herzen,

doch keiner spürt seine Schmerzen,

denn es lacht wie immer sein Gesicht,

er vergisst bald, dass es die letzte Stunde ist.

 

„Hoppla ho… hoppla ho…“

Wieder fällt er über seinen großen Schuh -

und keiner merkt in all dem Lachen,

dass seine Beine ihm Probleme machen,

dass er das Aufstehen beinahe nicht schafft,

denn es verlässt ihn langsam seine Kraft;

 

Hoppla ho… hoppla ho…

sein Herz verliert den Takt dazu,

hoppla ho… hoppla ho…

die letzte Stunde verlässt ihn im Nu.

Unter all der Schminke wird er blass,

die Kinder glauben noch an Spaß -

und als der Salto ihm nicht mehr gelingt,

er mit seinem letzten Atem ringt,

die Angst ergreift die Seele pur -

da bleibt nur die rosa Tränenspur.

 

Lautes Lachen durch die Manege hallt,

Applaus, Applaus – geballt;

so ist sie, die Manegenwelt,

doch Flachs steht nun vorm andern Zelt;

 

„Hoppla ho… hoppla ho…“

So fällt er über seinen großen Schuh

ins Himmelszelt hinein,

`s wird seine letzte Manege sein.

Hoppla ho… hoppla ho…

 

© Eleonore Görges

 

PS: Diese Ballade wurde 2012 für mehrere Jahre in die Schulbücher in zwei Bundesländern aufgenommen. Mit ihr habe ich einen Poetry Slam gewonnen, eine Gymnasiastin hat einen Balladenwettstreit an ihrer Schule damit gewonnen und auf einem Balladenabend der Stadt Datteln wurde sie ebenfalls vorgetragen.

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Liebe Eleonore, es ist traurig, wenn man etwas darzustellen versucht, es einem aber irgendwann nicht mehr gelingen will, weil es nicht der Realität entspricht. Der Clown, wie in Deinem Gedicht beschrieben, spielt eine tragisch komische Rolle. 

 

Du hast es sehr gut erkannt und in Worte gefasst. Dem Leser wird so gestattet, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. 

 

Liebe Grüße Juls

 

 

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Nun liebe Eleonore,

gekonnt wie ein Trobador in nahezu spielerischer Leichtigkeit, jedoch mit dem nötigen Maß an Dramatik, dennoch lyrisch erzählend die traurigschöne Geschichte des tragischen Clowns.

Dazu fällt mir aus einem meiner frühen Gedichte ein Satz ein, der dies alles umfasst:
...Bis er dann abtritt still und leise,
auf seine ganz besondre Weise~

Gerne hineingespürt!

Liebe Grüße, Uschi

Dies ist einer jener Texte, der mich reizen würde, einmal einzusprechen 😉

 

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