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19.11.2013

Menschenkein

 

Menschenkein
Schaut vergittert auf die Straße
Menschenkein

 

Keine Seele
Hier
Kein Wort

 

Vater – Vater!!!
Winkt
Und geht

 

Der Körper bebt
Wehrend
Schlägt das Herz

 

Der Geist
Gefangen
In Sprachlosigkeit

 

Zwang und Schmerz
Drosseln
Menschenkein

 

Mutter – warum???
Wach auf!
Ewigkeit

 

Menschenkein
Starrt vergittert auf die Straße
Leer

 

Der Körper quält
Das Herz
Ist ausgeschlagen

 

S. Athmos Welakis

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Hallo Athmos

Ich habe Dein Gedicht mehrmals gelesen und verstehe noch nicht alles, aber es bewegt auf jeden Fall. Das dunkle Pendant zu dem hellen Sag Ja über das wir uns ja schon austauschten. Das Herz schlägt tapfer weiter, auch wenn die Seele sprachlos leidet. Bis es irgendwann still steht. Das vergitterte Fenster, durch das wir in die Welt schauen, das Bild trifft es. Vater und Mutter können uns ab einem bestimmten Punkt nicht mehr helfen, das ist schon ein dunkles Gefühl, das ich gut kenne. Man kann auch gut in einer Großstadt leben und ist trotzdem einsam, die Straße scheint leer. Ich hoffe ich habe einiges verstanden.

LG, Jan

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Hallo Athmos, wie beklemmend und traurig und in seiner Schlichtheit berührend, doch dieses Gedicht von Dir ist. Schon die Überschrift ist besonders. "Menschenkein" 

Ich frage mich, was ist menschlich? Was macht den Menschen aus? Er ist in der Lage, liebevoll zu sein und Mitgefühl zu empfinden. Dein LI, ein Menschenkind, schaut vergittert auf die Straße. Daraus lese ich, dass es Hilfe braucht und sucht, die es von anderen Menschen nicht bekommt. Es ist in sich selbst gefangen. Der Vater hat die Familie verlassen und das LI leidet sehr darunter, versteht es nicht. Dann stirbt auch noch die Mutter und das Kind bleibt allein zurück. Das LI hat im Grunde keine Tränen mehr und quält sich mit dem Leben. 

vor 4 Stunden schrieb S. Athmos Welakis:

Der Körper quält
das Herz
ist ausgeschlagen

Daraus lese ich, dass das LI sicher oft krank war. Es sehnt sich nach Liebe und Geborgenheit. Das Herz ist ausgeschlagen. Es wurde dem LI sprichwörtlich aus dem Leib gerissen. Der beschriebene Mensch fühlt sich allein und Ängste plagen ihn. 

 

Wie schon gesagt, ein sehr intensiv bedrückendes Gedicht. 

 

Liebe Grüße Juls

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Liebe Julie, lieber Jan und alle anderen, die sich vielleicht mit "Menschenkein" beschäftigt haben.

 

Als ich angefangen habe, Gedichte zu verfassen, war mein Bestreben, alles so eindeutig wie möglich auszusagen, um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen. Erst später habe ich gelernt, dass die Beschränkung auf Andeutungen viel reizvoller ist, weil sie dem Leser viel mehr Möglichkeiten zu eigenen Interpretationen offen hält und damit zu einer Bereicherung über die zugrunde liegende Intension hinaus beitragen kann. Eure Kommentare bezeugen das. Die Kunst ist es allerdings die richtige Balance zu finden, und so wird ein Gedicht immer auch zu einem Abenteuer für mich selbst.

 

In diesem Gedicht verarbeite ich meine Kindheit, die ich in einem Waisenhaus verbracht habe. Meine Mutter war gestorben, als ich noch ganz klein war. Meinem Vater blieb damals keine Wahl als meine Schwester und mich in das Heim abzugeben. Von den dort verbrachten Jahren ist der Moment, den ich beschreibe, die einzige Erinnerung, die ich habe: Der Blick aus einem vergitterten Fenster im Obergeschoss auf die Straße, von wo mein Vater mir noch einmal zuwinkt und dann geht. Ein Schmerz, der den gesamten Körper in wilden Tränen erbeben ließ. Wir waren zwar versorgt, aber ich kann mich dort an keinen Menschen auch nur ansatzweise erinnern, nicht einmal an meine Schwester. In meiner Wahrnehmung war keine Seele für mich da. Ich habe in dieser ganzen Zeit nie ein Wort gesprochen. Zu sprechen habe ich erst gelernt, nachdem mein Vater wieder geheiratet hatte, und wir entlassen wurden. Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Sprache, wie sie jeder hat, habe ich daraufhin nie erreicht. Jedes Gefühl, dass ich ausdrücken will, muss den Umweg über das Bewusstsein, den Verstand gehen, bevor ich es in Worte gießen kann. Darunter leidet dann die Spontaneität, und zufällige Glücksmomente gehen oft ungenutzt an mir vorüber. In (subjektiven?) Drucksituationen bin ich auch heute noch oft sprachlos.

 

Vielen Dank für Eure Beiträge.

 

Liebe Grüße,

Athmos

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Liebe @Alter Wein (<- cool, jetzt kann ich das auch),

 

herzlichen Dank für Deinen Zuspruch. Im Lauf der Jahrzehnte habe ich mich mit meinem Lebenslauf versöhnt. Ich bin zufrieden. Natürlich habe ich eine bleibende Narbe. Ich nenne sie "meine seelische Behinderung". Das ist aber kein Schrecken (mehr), sondern im Grunde eine Lebenserfahrung, aus der heraus ich dann die Fähigkeit zu Dichten erst schöpfen könnte. Also ein Gutes? Für mich in dieser Hinsicht: ja. Für die Leser: diese Entscheidung überlasse ich ihnen.

 

Liebe Grüße,

Athmos

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Lieber Athmos, das Schreiben hilft zu verarbeiten. Man nennt das, der Autor schreibt sich frei. Deine Geschichte geht sehr nahe. Es ist bemerkenswert, wie es Dir gelingt, in knapper Form das Geschehen zum Ausdruck zu bringen und den Leser zu berühren.

Es ist schön, dass Du den Weg ins Forum gefunden hast. Ich wünsche uns eine gute Zeit und einen regen Austausch.

 

Noch einen schönen Tag

Juls

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Lieber Athmos 

Das ist wirklich traurig und muss sehr hart gewesen sein für Dich

Es ist so wertvoll dass wir mit dem Schreiben etwas verarbeiten können, ich habe mich mit Texten teilweise selbst therapieren können 

Ich verstehe Dich gut ich hab auch mehrere Narben davon getragen, eine traurige Geschichte, bei mir aber mit einem happy end, es geht mir besser und ich habe mich stabilisiert

Das war nicht einfach, ich freue mich für Dich, dass Du auch wieder den Weg nach oben bewältigt hast 

LG Jan 

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Liebe Julie, Carry, Jan,

 

vielen Dank für Euer Mitgefühl.

 

Durch Eure Worte "Es ist schön, dass Du den Weg ins Forum gefunden hast" (Julie) und "Liebe Grüße und eine virtuelle Umarmung aus der Ferne" (Carry) fühle ich mich angenommen. Ich spüre Eure Wärme, sogar von jenseits des großen Ozeans.

 

Habt aber bitte keine Sorgen in Bezug auf: "Deine Geschichte geht sehr nahe." (Julie), "Deine Geschichte berührt mich zutiefst, ich empfinde unendliche Traurigkeit. Mir fehlen die Worte." (Carry), "Das ist wirklich traurig und muss sehr hart gewesen sein für Dich" (Jan). Denn das Wichtigste ist: Es ist Geschichte. Die Zeiten haben sich gewandelt, allerlei Nachbeben sind abgeebbt. Der Zustand ist schon lange nicht mehr akut. Erst sozusagen aufgrund der "Verjährung" konnte ich den Schritt zur Veröffentlichung gehen.

 

Ich sehe meine Vergangenheit inzwischen als "Alleinstellungsmerkmal". Eure Anmerkungen "das Schreiben hilft zu verarbeiten. Man nennt das, der Autor schreibt sich frei." (Julie) und "Es ist so wertvoll dass wir mit dem Schreiben etwas verarbeiten können, ich habe mich mit Texten teilweise selbst therapieren können" (Jan) verweisen auf etwas sehr Wertvolles: Ich empfinde meinen Lebenslauf als Weg zur Schärfung der Fähigkeit auch das Unerkannte wahrzunehmen und das Unbedeutende zu würdigen, mit der Poesie als das Werkzeug. Dieses Lob: "Es ist bemerkenswert, wie es Dir gelingt, in knapper Form das Geschehen zum Ausdruck zu bringen und den Leser zu berühren." (Julie) gibt mir eine Kraft, die die Vergangenheit aufwiegt.

 

Liebe Grüße

Athmos

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